Es war bereits Nacht, als die Anwältin Nori ihre Arbeit beendete.
Sie hatte noch die letzten Informationen von ihrem Klienten erhalten, den sie am morgigen Tag vor Gericht vertreten sollte.
Seufzend schritt die weißblonde Frau durch die Tiefgarage zu ihrem Sportwagen. Die Absätze ihrer Schuhe klackerten auf dem Beton.
Kurz blinkte es, als das Fahrzeug per Funkverriegelung aufgeschlossen wurde.
Die junge Frau warf ihre Aktentasche achtlos auf die schmale Rücksitzbank, bevor sie selbst in den Wagen stieg.
“Das kann ja morgen noch heiter werden.”, sprach sie zu sich selbst, bevor sie den Schlüssel in das Zündschloss schob und den Motor anlies.
Klassische Musik umfing die Anwältin. Kurz erlaubte sie sich, die Augen zu schließen und sich der Musik hin zu geben, bevor sie sich dazu aufraffte, den Rückwärtsgang einzulegen und letzten Endes aus zu parken.

Mit quietschenden Reifen schoss der Sportwagen aus der Tiefgarage und bog nach rechts ab.
Auf der anderen Straßenseite flammten die Lichter eines anderen Autos auf, welches dem Auto der Anwältin nun folgte.
Da Nori´s Gedanken bei dem Prozess morgen verweilten, merkte sie nicht, wie sie verfolgt wurde.

In der Einfahrt eines kleinen Häuschens hielt die Weißblonde an. Sie stieg aus dem Auto aus, angelte nach ihrer Aktentasche und schloss das Fahrzeug ab. Als Nori sich umdrehte, prallte sie gegen jemanden. “E.. Entschuldigung…”, stammelte sie und wollte sich an der Person, die sich als ein Mann herausstellte, vorbei schieben. “Mir tut es leid.”, sprach der Mann. “Ich hätte nicht so nah heran treten sollen.”
Ein relativ warmes Lächeln lag auf dem Gesicht des Mannes. Doch Nori konnte es beim besten Willen nicht einschätzen. “Und… ähm…was wollen sie von mir?”, hakte Nori nach, die sich plötzlich unwohl fühlte.
“Mein Boss würde gern Ihre Dienste in Anspruch nehmen.” Sprach der Mann und wieß auf eine Limousine, die am Ende der Auffahrt parkte. “Wenn sie gestatten.” Mit einer Handbewegung forderte der Mann die Anwältin auf, zu der Limousine zu gehen.
“Es tut mir Leid. Aber ich hab morgen einen wichtigen Fall vor Gericht zu vertreten. Sie können mich ab Übermorgen gern in meinem Büro aufsuchen. Entschuldigen sie mich jetzt bitte.”
Nori versuchte einen Schritt an dem Mann vorbei zu machen, als sein Lächeln verschwand und ein leises Klicken durch die Nacht hallte.

“Es tut mir leid, aber wenn Sie nicht freiwillig mitkommen, muss ich Sie wohl dazu zwingen.” sprach der Mann und seine Stimme war kalt. In dem Moment riss die Wolkendecke auf und der Mond warf sein silbernes Licht auf die Szene. Im Schein des Mondes konnte Nori eine Waffe in der Hand des Fremden erkennen.
Schwer schluckte sie. Da der Lauf der Waffe direkt auf ihre Brust gerichtet war.
“Ganz ehrlich, auf so einen Mist hab ich echt keine Lust.”, murrte die Anwältin und gab sich geschlagen. Missmutig stapfte sie zu der wartenden Limousine. Als der Fremde ihr dann auch noch die Tür öffnete und mit der Waffe deutete, sie möge einsteigen, entfuhr Nori ein Seufzer.
Hatte sie nicht schon immer für Solche Szenarien geschwärmt, entführt zu werden von einem gut aussehendem Gangster, sich in diesen vielleicht sogar zu verlieben oder von einem starken, mutigem Mann gerettet zu werden? Doch sie wusste, dass das alles nur blühender Phantasie eines Autoren entsprang und nicht der Realität.

Außer Nori selbst saß keiner hinten in der Limousine. Der Fremde mit der Waffe war entweder der Fahrer selber, oder er war als Beifahrer eingestiegen. Das Auto setzte sich in Bewegung. Nach gefühlten zwanzig Minuten hielt die Limousine an und die Tür öffnete sich.
Ein recht junger Mann stieg ins Auto ein. Nori würde ihn auf die 27 Jahre schätzen.
Wieder fuhr die Limo los.
“Entschuldigen Sie bitte.”, sprach der junge Mann. Er hatte einen Drei-Tage-Bart und wirkte leicht verwegen. Ein leichter Rotschimmer legte sich auf Noris Gesicht. “Ich möchte Sie bitten, meinen Vater morgen nicht vor Gericht zu vertreten.”
Dies überraschte die Anwältin ganz schön. “Sagen Sie mal, haben Sie einen Knall?! Wegen sowas entführen Sie mich??!!” zeterte die weißblonde herum. “Es ist doch nur zu ihrem Schutz.”, versuchte es der junge Mann zu erklären. “Mein Vater lässt Sie umbringen, wenn er den Prozess gewinnt.”

Das Gespräch dauerte noch lange. Letzen Endes hatte der junge Mann es geschafft, die Anwältin zu verunsichern. “Bringen Sie mich bitte nach Hause, ich muss in Ruhe darüber nachdenken.”, bat Nori. Da wurde die Wagentür auch schon geöffnet und Nori fand sich in ihrer Hofeinfahrt wieder. “Denken Sie an meine Worte.” sprach der 27-Jährige, bevor die Türe geschlossen wurde und die Limousine davon fuhr.
Die Weißblonde schaute dem Auto hinterher, bis es um die nächste Kurve verschwand.
Grübelnd ging sie ins Haus und setzte sich aufs Sofa. Noch einmal nahm sie sich die Unterlagen zur Hand und sah sich dieses genau durch.
“Hab ich irgendwas übersehen? Hat der junge Mann vielleicht doch Recht?” sie wusste es nicht. Nori wusste nur, sie konnte sich nicht die ganze Nacht den Kopf darüber zerbrechen, immerhin musste sie in wenigen Stunden bei Gericht erscheinen.

In der Nacht schlief Nori sehr schlecht. Sie träumte davon, dass sie vor Gericht den Sieg für ihren Mandanten heraus schlug. Als sie aber das Gerichtsgebäude verließ wurde auf sie geschossen und sie fiel die Treppen auf die Stufen hinunter und starb. Die Stimme des jungen Mannes hallte ihr in den Ohren: “Ich habe Sie gewarnt.”
Schweißgebadet wachte die Anwältin auf. “Es war nur ein Traum.”, versuchte sie sich zu beruhigen. Ein Blick auf den Wecker verriet ihr, dass sie in einer halben Stunde eh aufstehen sollte. Kurz entschlossen stand die weißblonde Frau auf und machte sich erst einmal einen Kaffee.

Während sie an ihrer Tasse nippte, ging sie nochmals die Anklage durch.
“Verdacht auf Waffen- und Drogenschmuggel.” Plötzlich schlug sich Nori mit der flachen Hand vor die Stirn. “Aber klar, wie konnte ich das nur übersehen.”, fluchte sie innerlich und holte weitere Papiere heraus, die sie bis zu dem Zeitpunkt nicht beachtet hatte. Konzentriert schaute sie sich die Daten durch. “Da haben wir den Beweis.”
Mit einem Textmarker strich sie sich etwas an, dann stopfte sie alle Unterlagen wieder in ihre Aktentasche, warf sich eine Jacke über und stürmte aus dem Haus.





Vor dem Gerichtssaal traf sie auf ihren Mandanten. “Herr Kon.”, begrüßte sie ihn. “Miss Nori. Was denken Sie, wie die Chancen für uns stehen?”, wollte der Angeklagte wissen. “Ich fürchte nicht gut, Herr Kon, Sie haben mir ein paar wichtige Details verschwiegen.” die junge Frau brachte etwas Distanz zwischen sich und ihren Mandanten. “Wie darf ich das verstehen, Miss Nori? Ich war stehts ehrlich zu ihnen.”
Doch die junge Frau schüttelte den Kopf. “Nein, waren Sie nicht. Und ich sorge dafür, dass Sie das bekommen ,was Ihnen zu steht.”

Der Prozess war in vollem Gange. Die Anklage hatte bereits alle Punkte verlesen und Herr Kon hatte ebenfalls seine Aussage gemacht.
“Herr Kon, stimmt es, dass Sie in den letzten sechs Monaten zwei mal ein Erbe erhalten haben. Jeweils in Höhe von 500.000 $ ?” fragte Nori ihren Mandanten, der noch immer im Zeugenstand war. “Sehr wohl, Miss Nori. Einmal von meinem Bruder, der an Krebs verstorben war und einmal von meiner geliebten Frau, die dem Krebs erlag.” sprach Herr Kon. “Wie kommt es, dass aber beide Geldbeträge von ein und dem selben Konto auf ihr Konto überwiesen wurde, wenn es sich dabei um zwei verschiedene Personen handelt?” wollte nun die Anwältin wissen. Die Farbe wich aus dem Gesicht des Angeklagten. “Und wie kommt es, dass Sie Steuerklasse 1 besitzen, wenn Sie doch verheiratet sind?”, hakte die Anwältin weiter nach. “Also… ich… das…”
Da schlug der Richter mit dem Hammer auf seinen Tisch. “Das Gericht nimmt Ihr Gestammel als Geständnis, Herr Kon.” Da lies der Angeklagte den Kopf hängen.

Als Herr Kon aus dem Gerichtssaal geführt wurde, blieb er kurt vor Nori stehen. “Wie sind Sie darauf gekommen?” wollte er wissen. “Ihr Sohn hat es mir gestern Abend gesagt, dass Sie ein falsches Spiel spielen würden.”, gestand die Weißblonde. “Ich wünschte, ich hätte einen Sohn, aber ich habe gar keinen.” ein trauriges Lächeln zierte das Gesicht des Verurteilten. “Aber…”, setzte Nori an, doch da wurde Herr Kon bereits fort gebracht.

Vor der Statue der Justizia blieb die junge Anwältin stehen und blickte diese an. “Wenn es nicht Herr Kons Sohn war, wer war es dann?” fragte sich Nori im Stillen.
Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr. Schnell drehte sie sich auf dem Absatz herum und sah den 27-Jährigen, wie er das Gerichtsgebäude verlassen wollte. Sonnenlicht flutete durch die offene Tür und es schien Nori so, als ob der junge Mann Engelsflügel besäße.

Von draußen schallte Lärm, dann ertönte ein Schuss und Nori zuckte zusammen. Vorsichtig ging sie in Richtung Ausgang und erblickte dann zwei Polizisten. Beide hatten die Waffe angelegt, bei dem einen qualmte die Waffe sogar noch, also hatte er gerade geschossen.
Dann erblickte Nori einen Mann auf der anderen Straßenseite. Er wirkte irgendwie “zermatscht”, so als ob er vom Dach des gegenüber liegenden Gebäudes gestürzt wäre. Neben dem Toten lag eine Sniper und ein Bild, welches Nori zeigte.

Erschrocken schlug sich die junge Frau eine Hand vor den Mund. Also hätte sie tatsächlich sterben sollen.
Im Stillen dankte sie dem jungen Mann, der sie gewarnt hatte. Dann entsann sie sich an die Engelsflügel, die sie gedacht hatte zu sehen.
“Vielen Dank, Schutzengel.”, murmelte sie leise und ein Lächeln trat auf ihre Lippen.