Auf nach Japan!

Draußen stürmte es wie schon lange nicht mehr. Der Regen peitschte gegen mein Fenster und Blitze zuckten über den schwarzen Himmel. Ein tiefes Donnergrollen durchbrach sogar die laut aufgedrehte Musik in meinem Zimmer. Wie ich doch Gewitter hasste. Ich kuschelte mich fest in meine Bettdecke und starrte aus dem Fenster. Ein weiterer Blitz erleuchtete den Himmel und ich schrie panisch auf. Da stand jemand auf meinem Balkon und starrte zu mir herein. Schnell kämpfte ich mich aus der Decke und rannte aus dem Zimmer, als ich hinter mir auch schon das Glas splittern hörte. „GRANY!“, schrie ich panisch während ich die Treppe ins Erdgeschoss hinunter hastete.

Bedächtig, wie es halt nur eine Oma tun konnte, trat meine Gran aus der Küche. „Was ist denn Liebling?“, fragte sie mich und sah mich mit ihren gütigen, braunen Augen an. „Da…da… ein Mann… auf dem Balkon….das Fenster….kaputt!“, ich wusste nicht, wie ich es sagen sollte, aber da sah meine Großmutter auch schon den Fremden, der ebenfalls die Treppe herunter kam. Seine Schritte waren langsam. Meine Oma schloss mich in ihre Arme und lies den Mann keinen Sekunde aus den Augen. „Was wollen sie von meiner Enkelin?“, fragte sie ihn schroff. Der Mann lachte nur. Seine Haare hingen in Strähnen nass im Gesicht, ein kleiner Rinnsal Blut lief ihm die Schläfe entlang, höchstwahrscheinlich von den Glassplittern meines Fensters. Seine Hand glitt hinter seinen Rücken und ich hörte noch ein KLICK. „Ihre ENKELIN,“ sagte er und seine Worte klangen verächtlich, „kennt bestimmt das Passwort vom Zentralrechner der Regierung. Und jetzt, händigen sie mir ihre ENKELIN aus!“, brüllte er und richtete eine Pistole auf meine Großmutter. „Lauf!“, rief diese nur und schubste mich in Richtung Küche. Angst breitete sich in meinen Körper aus, dass ich erst einmal nur dastand. Ich hörte den Schuss wie aus weiter Ferne und sah, wie meine Oma zu Boden stürzte. Wenn ich jetzt nicht lief, würde es zu spät sein, das wusste ich. Durch die Klapptür rannte ich in die Küche, von da aus in den Garten und hinaus in den Sturm. Zwei mal wurde noch geschossen, ob auf mich, wusste ich nicht, ich spürte nichts, außer der Panik und der Trauer die Besitz von meinem Körper ergriffen haben.

Immer wieder stolperte ich, fiel hin, nur um mich wieder aufzurappeln, einen Blick über die Schulter zu werfen und weiter zu rennen. Meine Kleidung war schon längst vom Regen durchnässt, ich wusste nicht einmal, wo ich überhaupt hin lief. >Polizei< , schoss es mir durch den Kopf und ich machte eine scharfe Kehrtwendung und rannte blindlings an meinem Verfolger vorbei, der sichtlich irritiert war. Wie sehr ich mir jetzt doch ein heißes Bad oder ein warmes Feuer wünschte. Dann durchflutete mich ein Hoffnungsschimmer. Dort vorne, nicht mehr weit, war das Polizeirevier. Ich rannte, so schnell ich konnte auf das immer größer werdende Gebäude vor mir zu.

Immer wieder dachte ich daran, das ich dann in Sicherheit sein würde. Schon hetzte ich die Stufen zum Präsidium hinauf, gerade, als ich die Tür aufziehen wollte, fiel wieder ein Schuss und ich spürte den Schmerz, der sich zwischen meinen Schultern breit machte. Taumelnd versuchte ich noch mich am Geländer zu halten, doch es glitt mir aus den Fingern. Das Bild verschwamm und ich machte mich auf einen harten Aufschlag gefasst, aber ich landete sanft und Wärme schlug mir entgegen. Ich wusste nicht warum, aber ein Lächeln legte sich auf meine Lippen.

Kaffeegeruch lag in der Luft, Wärme umgab mich, als ich langsam die Augen wieder aufschlug. Über mir waren mindestens 8 Paar neugieriger Augen. Kurz kniff ich meine Augen noch einmal zusammen, und schaute dann wieder verwundert in die vielen Gesichter über mir. „Wo…wo bin ich?“, fragte ich verunsichert. „Auf dem Polizeirevier Nummer 24.“ ertönte es von mehreren Stimmen. Langsam richtete ich mich auf und die Menschen um mich herum gingen ein Stück zurück. Ein junger Mann in Uniform saß in Hocke vor mir und musterte mich genau. „Was ist passiert, das ein junge Dame wie du, bei so einem Sturm hinausläuft?“ fragte er im ruhigem Ton. „Da war ein Mann…. an meinem Fenster. Ich bin zu meiner Oma in die Küche gerannt. Er ist… hinter mir her…. Er hatte eine Waffe, und… und… er hat meine Oma erschossen…. ich bin abgehauen.“ Tränen liefen mir über die Wange und ein anderer Polizist fragte: „War es der Mann, der auf der Straße hinter dir war?“ Mehr als ein Nicken brachte ich nicht zustande. Da wurde die Tür aufgerissen. „Ist das Mädchen schon wach?“, fragte eine Bassstimme, die dennoch freundlich war. „Ja, grade eben ist sie aufgewacht.“, berichtete einer der vielen Polizisten. Der Bassstimmen Mann kam zu mir, kniete sich vor mich. „Ich bin Oberinspektor Lichtenstein. Der Mann, der dich verfolgt hat, was genau wollte er von dir?“, verhörte er mich. „Er sagte etwas von Passwort des Zentralrechners der Regierung.“, flüsterte ich. Der Oberinspektor nickte wissend. „Ja, so etwas hab ich mir schon fast gedacht. Tut der Rücken noch weh?“, wechselte er das Thema. Verwirrt sah ich ihn an, schüttelte aber dann den Kopf. „Gut, dann hat unser Arzt hervorragende Arbeit geleistet, als er die Kugel herausgeholt hat.“, aufmunternd lächelte er mir zu. „Aber jetzt nochmal wegen dem Passwort. Wie kam er darauf, das du es kennen müsstest?“ Ich seufzte. „Das ist eine lange Geschichte…. Meine Mam war in der Regierung. Sie war für die Programmierung der Computer zuständig. Kurz nach dem der Hauptcomputer dann im Netz war, wurde sie bei einem Autounfall getötet. Vielleicht war es ein Mordanschlag gewesen, vielleicht aber auch nur Zufall. Jedenfalls hat die Regierung mich ins „Exil“ gesteckt. Bei einer alten Dame, die ich Oma nenne, lebe ich jetzt seit 2 Jahren. Na ja, lebte ich….“, endete ich mit meiner Erzählung. „Weißt du denn das Passwort?“, fragte mich der Inspektor. Verneinend schüttelte ich den Kopf. „Nein, meine Mam hat es damals nur einem aus der Regierung mitgeteilt. Und es wird sowieso jeden Monat geändert. Mehr weiß ich auch nicht.“, gestand ich kleinlaut. „Hm.“ war alles was ich noch zur Antwort bekam. „Wahrscheinlich ist der Typ kein Einzelgänger und seine Komplizen werden sein Werk fortführen. Wie heißt du denn überhaupt?“, wandte der Inspektor sich von seinen Gedanken wieder an mich. „Mia. Mia Peters.“ stellte ich mich nun vor. „Gut Mia, da wir nun mal davon ausgehen müssen, das du weiterhin in Gefahr schwebst, werden wir dich wieder ins Exil schicken. Kannst du japanisch?“, fragend sah er mich an. „Eigentlich ja nicht.“, murmelte ich leise. „Macht nichts, dann wirst du es in Japan lernen. Sieh es als kleine Sprachreise an.“, grinste er und verschwand ins Büro um zu telefonieren.

Nicht mal eine halbe Stunde später, stand Inspektor Lichtenstein wieder vor mir. „Also, wir fahren jetzt zu dir nach Hause, du packst ein paar Sachen zusammen, während die Polizisten sich dort den Geschehnissen zuwenden, dann fahr ich dich an den Flughafen und du fliegst nach Japan, dort wirst du bei einem Herrn Kinomiya wohnen. Bei ihm leben, soweit ich es meinem japanischem Kollegen glauben darf, eine handvoll Jugendlicher wo du dich schnell einleben wirst.“ sprach er und zog mich schon mit zum Dienstwagen. Draußen regnete es immer noch in Strömen, aber das Gewitter hatte nachgelassen. Als das Auto dann vor meinem ehemaligen Zuhause hielt, stürmte ich aus dem Wagen über eine Seitentreppe in den ersten Stock. Ich wollte das Blutbad im Erdgeschoss nicht sehen. Der Gedanke allein war schon unerträglich. Schnell stopfte ich ein paar Klamotten in eine Reisetasche, suchte meinen Reisepass und griff noch nach meinem Violinenkoffer. Dann stürmte ich auch schon wieder aus dem Haus und fuhren zum Flugplatz, so wie es der Kommissar gesagt hatte. Ein Flugticket war schon hinterlegt und dann saß ich auf meinem Platz und sah wie die Welt unter mir immer kleiner wurde. In Gedanken dachte ich mir nur noch: >Auf nach Japan, obwohl du wahrscheinlich kein einziges Wort verstehen wirst.<

Ankunft

Als das Flugzeug landete, fühlte ich mich wie gerädert. 12 Stunden hatte der Flug gedauert. Ich streckte mich erst einmal ausgiebig, dann schnappte ich meine Violine, die ich als Handgepäck mitgenommen hab, aus dem Fach über meinem Kopf und stieg aus. Hier war es gerade früher Morgen. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, was gerade passiert war. >Ein Land, dessen Sprache ich nicht mal beherrsche.<, schrie eine Stimme in mir und ich seufzte resigniert. >Das kann ja noch heiter werden.< dachte ich und machte mich auf den Weg um mein Gepäck und meine neue Gastfamilie zu suchen. Meine Tasche hatte ich schnell gefunden, mit der Familie würde es wohl noch ein wenig hapern, da der Wartebereich überfüllt war. Neugierig musterte ich erst einmal die Menschen um mich herum. >Der Typ sieht aber süß aus, und die graublauen Haare stehen ihm super. Hach, wie lässig er da so gegen die Mauer gelehnt ist. Der lässt sich bestimmt nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Aber typisch japanisch sieht er mir nicht aus.< schon verfiel ich in die erste Schwärmerei. Da tauchte ein Chinese neben dem coolen Typen auf. Leicht schmunzelte ich, da er wirklich in chinesischer Tracht herumlief. >Schon ein seltsamer Fleck, an den es mich hier verschlagen hat.< dachte ich weiter und ließ mich inzwischen mit dem Menschenstrom treiben, der mich Richtung Ausgang schob. „KAI!“, brüllte irgend ein Typ lautstark durch die Menge. „KAI!“ Das Brüllen war einfach nicht zu überhören, neugierig wollte ich mich umdrehen, wer denn so schrie, aber die Menschen schoben mich einfach weiter. Schulterzuckend lief ich mit und fand mich dann auch sogleich wieder auf der Straße. Hektisches Treiben und von überall her tönte das japanische Gerede auf mich ein. Manchmal verstand ich einen Wortfetzen, aber das meiste blieb unverständlich. Ich drehte mich zu dem großen Gebäude um und musste lachen. Der Typ, für den ich vorhin geschwärmt hatte, verließ soeben mit dem Chinesen, einem Blonden und einem lautstark vor sich hin motzendem Japaner die Halle. Die vier waren so unterschiedlich, das es schon wieder normal war, das sie Freunde waren. Wieder sah ich zu dem Gebäude und wünschte mir, meine Gastfamilie hätte mich gefunden. Ich kam mir so einsam und verlassen vor. „Tschuldigung!“, rief ich und rannte den vier Jungs hinterher. Nur der graublau Haarige drehte sich um. „Tschuldigung. Kinomiya ?“, fragte ich in der Hoffnung, das er wenigstens den Namen verstand und mir helfen konnte. Stirn runzelnd sah er mich an. >War ja klar, das der mich nicht versteht.< schimpfte ich mit mir selber. „Bist du Mia?“ wurde ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen. „Ja!“ schrie ich erschrocken zurück. „Dann bist du bei uns richtig, wir haben dich schon gesucht. Los, steig ein.“, seine Stimme war so kühl und abweisend, dennoch war es mir in diesem Moment egal, da ich so froh war, dass er mich verstand. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht und ich stieg mit meinem ganzen Gepäck in den Bus. Ein Alter Mann, der hinter dem Steuer saß, lächelte mich freudig an. „Willkommen in Japan, Mia.“ begrüßte er mich herzlich in meiner Muttersprache. Ich verneigte mich kurz, so wie ich es bei einigen Japanern in der Wartehalle gesehen hatte und nahm dann platz.

Im Bus war es still, jeder hing seinen Gedanken nach. Mein Blick wanderte zum Fenster hinaus und ich sah der Landschaft hinterher, die an uns vorbei zog. Plötzlich blieb mein Blick auf meinem Spiegelbild in der Scheibe hängen. „Damn, wie sehe ich bloß aus?“, murmelte ich vor mich hin. Die Haare sahen aus wie schon seit Wochen nicht mehr gewaschen. Tiefe Ringe lagen unter meinen hellgrünen Augen, die daher rührten, das ich im Flugzeug kaum geschlafen hatte, so nervös war ich. Mit resigniertem Blick besah ich meine Klamotten. Die Hose war an den Knien aufgeschürft und dreckig vom hinfallen. Am Shirt klebte Blut. >Klasse, die denken bestimmt ich komm von der Gosse.< Ich widmete mich wieder der Landschaft und dann kam die nächste, etwas größere Stadt in Sicht. Ich konnte nicht mal lesen, wie die Stadt hieß, da alles in japanischen Schriftzeichen stand. Vor einem riesigem Grundstück hielt der Bus. Beim aussteigen musterte ich erst einmal die Umgebung. Die City war nicht sonderlich weit entfernt, aber hier war es ruhig und das Grundstück hatte einen sehr großen Garten. Der Chinese, grinste mich an, verschwand dann aber wortlos im Haus. Auch der Rest der Jugendlichen verschwand im Haus. Einzig und allein der Fahrer blieb bei mir. Er lachte laut auf. „Also Mia, du darfst auch gern Opa zu mir sagen, wie alle andern hier auch. Drinnen stell ich dir erst einmal die Jungs vor und dann zeig ich dir dein Zimmer, damit du dich ein bisschen frisch machen kannst.“, sprach er und nahm mir meine Reisetasche ab. Drinnen in der Küche, saßen die anderen schon alle bei einer Tasse Tee. „Also, der Blonde, das ist Max.“ „Hi.“ begrüßte ich ihn und reichte ihm die Hand. „Mein Enkel Tyson.“ lachte der Opa. Tyson hieß also der Baseballmützenträger. Auch ihm schüttelte ich die Hand und schenkte ihm ein Zahnpasta-Lächeln. „Das ist Ray, er kann sogar Deutsch.“, erläuterte mein Gastgeber. „Hi, willkommen in Japan.“ begrüßte mich der Chinese und ich freute, dass ich noch jemanden hatte der mit mir reden konnte. „Hi.“, ich war immer noch nervös. „Was würdest du den gern heute Mittag essen? Etwas Chinesisches oder Deutsches oder vielleicht doch etwas Japanisches?“ Er war ja so nett und zuvor kommend. „Überrasche mich.“, lachte ich auf und sah dann zu dem graublau Haarigen, der mit geschlossenen Augen wieder an der Wand lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt. Als Ray meinen Blick bemerkte, lachte er. „Das ist Kai. Denk dir nichts wegen seiner kühlen Art, er ist immer so.“, erklärte mir der Chinese. Ich nickte verständnisvoll. Für einen kurzen Augenblick funkelten Kais Augen bedrohlich Ray an. Dies war das erste mal, das mir seine Augenfarbe aufgefallen war. Ein dunkles rot, wie ein Rubin. Schnell wandte ich meinen Blick ab und sah mich suchend nach meinem Gastgeber um. Da kam er auch schon wieder zur Küchentür herein. „So Mia, dein Zimmer ist soweit hergerichtet, wenn du mir bitte folgen würdest.“, mit den Worten führte er mich die Treppe hoch und am Ende des Ganges blieb er vor der rechten Tür stehen. „Das ist also dein neues Zuhause.“ Er öffnete die Tür und ich konnte nur noch staunen. Das Zimmer war nicht sehr groß, dafür aber umso gemütlicher, obwohl es noch nicht ganz ausgestattet war, so wie Tysons Opa meinte. Auf der rechten Seite befand sich eine Nische, in der das Bett stand, Links stand ein Schreibtisch vor einem großem Fenster, und eine Tür führte hinaus auf den Balkon. Hinter der Tür versteckte sich ein Einbauschrank. Die Möbel waren in einem dunklen Holz gehalten, auch der Boden hatte den gleichen Farbton. Die Wände waren dunkel grün gestrichen. Ebenfalls in Grüntönen waren die Vorhänge an Balkontür und Fenster, sowie die Bettwäsche. „Es ist… traumhaft.“, brachte ich nach endlosen Minuten des Staunen hervor. „Falls irgendwas sein sollte. Ray hat gleich das Zimmer nebenan und Kai das Zimmer gegenüber.“ „Danke!“ hauchte ich nur noch. Dann wurde ich allein gelassen, um mich erst einmal einzuleben. Schnell waren meine wenigen Habseligkeiten im Schrank verstaut, und auch mein Violinenkoffer hatte einen Platz auf dem Schreibtisch gefunden. Erschöpft lies ich mich auf das Bett fallen und schloss für einen Moment die Augen, als auch schon ein „Mia, darf ich reinkommen?“ von der Tür kam. Lachend sprang ich auf und öffnete die Tür. Ray stand davor. „Großvater hat dir bestimmt nicht das Bad gezeigt oder?“, fragte er breit grinsend. „Nein.“ nuschelte ich. Da zog mich Ray auch schon wieder bis vor an die Treppe und dann rechts zur Tür. „Also, ich würde sagen du machst dich jetzt erst mal frisch und ich fange an zu kochen, komm dann einfach wieder in die Küche, ja?“ und schon hatte er mich wieder allein gelassen.

Schnell lief ich in mein Zimmer um mir ein paar Wechselklamotten zu holen und vor allem meinen Waschbeutel. Dann ging ich wieder ins Bad. Die warmen Wassertropfen, die auf meine Haut prasselten, weckten wieder meine Lebensgeister. Langsam entspannte ich mich.

Aller Anfang ist schwer

Gerade, als ich aus der Dusche stieg, rief unten jemand zum Essen. Schnell schlüpfte ich in eine dunkle Jeans und ein schwarzes Shirt, steckte meine nassen Haare mit einer Klammer hoch, so das mir die schwarzen Locken wirr auf den Rücken fielen. Ein rötlicher Schimmer lag auf meinen sonst so blassen Gesicht. Kurz betrachtete ich mich noch im Spiegel, lachte mir selber zu und sprang grinsend die Treppe hinunter in die Küche. >Ja, so kannst du dich echt blicken lassen, Mia. Du siehst diesmal sogar hübsch aus.< dachte ich bei mir und betrat die Küche. „Na sieh einer an. Aschenputtel ist auch schon da.“ spöttelte Kai auf Deutsch. Das Lachen auf meinem Gesicht erstarb. Mir war auf einmal der Appetit vergangen. Nachdem Ray jedem eine Schüssel voll Nudelsuppe vor die Nase gestellt hatte, legte er mir die Hand auf die Schulter. „Nimm es Kai bitte nicht übel, er ist halt so.“, mit diesen Worten schob er mir die Nudelsuppe noch ein Stück näher. Ich nahm die Stäbchen in die Hand und starrte Gedankenverloren in die Schüssel. „Brauchst du eine Gabel?“, fragte Ray vorsichtig. Kopfschüttelnd stand ich auf. „Nein danke, Ray. Ich bin mir sicher, du hast dir viel Mühe mit dem Essen gemacht, aber mir ist der Appetit vergangen.“, schon verließ ich die Küche und wollte hinauf in mein Zimmer gehen. Gerade als ich die Treppe erreichte, wurde in der Küche hitzig auf Japanisch diskutiert, zumindest hörte es sich so an. „KAI?!“, rief jemand entsetzt und schon stürmte dieser aus der Tür. Er steuerte direkt auf mich zu, packte mich fest am Handgelenk und zerrte mich wieder in die Küche, wo er mich auf meinen Platz drückt. „Du wirst das jetzt essen. Ich lass nicht zu, das hier Essen verschwendet wird, nur weil du einen auf Prinzessin machen musst.“, zischte er mich an und sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. >Wie konnte ich den nur süß finden?< fragte ich mich und schüttelte den Kopf gedankenversunken. Da schlug Kai wütend mit der flachen Hand auf den Tisch und riss mich somit wieder aus meinen Gedanken. Ray, Tyson und Max starrten uns mit offenem Mund an. Lustlos stocherte ich darauf hin im Essen herum, zu absolut keinem einzigem Bissen imstande. Schweigen herrschte am Tisch, nur ab und zu wurde etwas gesagt, was ich ja sowieso nicht verstand. Erst als ein Stuhl über den Boden scharrte, sah ich erschrocken auf. Alle außer Kai waren gegangen. Sein Blick lag kalt auf mir. Ein frösteln durchzog mich und ich senkte wieder den Kopf. „Warum isst du nicht?“, fragte er und seine Stimme klang nicht mehr ganz so kalt. „Ich hab keinen Hunger.“, gab ich schulterzuckend zur Antwort. Seufzend erhob er sich, kam um den Tisch herum. „Und warum bist du hier, Mia?“, fragte er und setzte sich neben mich. „Geht dich nichts an.“, konterte ich trotzig. „Es geht uns alle was an, wenn du hier lebst. Tysons Opa hat etwas von Exil gesagt.“, sprach er. Ich vergrub mein Gesicht kurz in den Händen. Dann schaute ich ihm in die rubinroten Augen. Ich wusste genau, was er in meinen Augen sah. Angst. Trauer. Einsamkeit. Hilflosigkeit. Dann brach es aus mir heraus: „Meine Mam war in der Deutschen Regierung tätig, bis sie höchstwahrscheinlich ermordet worden ist und ich wurde fort gebracht, da man glaubt, ich wüsste etwas von ihrer Arbeit. Das ich jetzt hier sitze, hab ich nur so einem Verrückten zu verdanken, der meine Gastoma getötet hat.“ bei den letzten Worten brach mir die Stimme. Kai sagte daraufhin keine Wort, aber seine Augen blitzten verständnisvoll. „Soll ich dir das Essen nochmal aufwärmen?“, fragte er. Ich schüttelte den Kopf und er räumte den Tisch ab. Meinen Gedanken nachhängend saß ich am Küchentisch, als ein leises „Tut mir leid wegen vorhin.“ an mein Ohr drang. Als ich aufschaute, verließ Kai gerade die Küche, ich sah nur noch seinen Schal um die Ecke verschwinden. Dann vergrub ich mein Gesicht wieder in den Händen und fing hemmungslos an zu weinen.

Ich lies meinen ersten Tag hier in Japan noch einmal Review passieren. Ich hatte also meine neue Gastfamilie kennengelernt, die wie es mir scheint, eh aus der ganzen Welt zusammengewürfelt war. Dann war da Ray, der so selbstlos und hilfsbereit war, Tyson und Max, mit denen ich kein einziges Wort wechseln konnte, da ich nicht japanisch und die beiden nicht deutsch konnten. Ach ja und Kai. Das große Mysterium. Ihn verstand ich am aller wenigsten. Nicht das es auf Sprachproblemen basierte, nein, sein ganzes Verhalten brachte mich durcheinander. Seine kühle Art und die Abgeschiedenheit zu den Anderen. Aber sobald er mit mir allein war, war er wie ausgetauscht. Er war fast nett gewesen. Seufzend stand ich auf und ging in mein Zimmer. Meine Gedanken kreisten um Kai. Ja er faszinierte mich immer mehr, aber es schlichen sich auch andere Gedanken in meinen Kopf. >Du musst japanisch lernen.< oder >Such dir einen Job, du kannst hier nicht für immer wohnen und es ist unhöflich sich durch zu schnorren.< , >Vergiss nicht, dich in der Schule anzumelden.< Dabei starrte ich die ganze Zeit die Decke an und sah immer wieder SEIN Gesicht vor mir. Irgendwann driftete ich ab ins Land der Träume, welches mich schon sehnsüchtig erwartete.

Es dämmerte, als es leise an meine Tür klopfte. Als keine Antwort kam, wurde die Tür vorsichtig geöffnet. Zaghaft steckte der junge Mann den Kopf zur Tür hinein und lächelte, als er mich auf dem Bett liegen sah. „Schneewittchen hätte wohl besser zu dir gepasst als Aschenputtel.“ murmelte er leise als er an mein Bett trat und mich betrachtete, wie ich friedlich schlief. Die schwarzen Locken rahmte mein schmales blasses Gesicht ein. Eine lockige Strähne fiel mir aber ins Gesicht, welche der Jugendliche vorsichtig zur Seite strich. Dichte Wimpern zierten meine Augen und die Lippen waren voll und von einem natürlichem dunkelrot. Ein leises Lachen entrann seiner Kehle, als ich die Nase kraus zog. „Kleine Mia.“, hauchte er „Ich hoffe du träumst was schönes.“ Dann verließ er das Zimmer wieder auf leisen Sohlen.

In der Küche wurde der Jugendliche schon erwartet. „Wo ist Mia?“ fragte Tyson. „Die schläft!“, kam die kalte Antwort von Kai, der sich auch schon mit geschlossenen Augen auf seinen Platz fallen lies. „Ist sie krank?“, Max wirkte besorgt, woraufhin der Halbrusse nur den Kopf schüttelte. „Nein. Sie muss sich erst noch an die Zeitverschiebung gewöhnen.“ murrte der Leader. „Ray, würdest du nachher noch ein paar belegte Brote machen, damit Mia was essen kann, falls sie aufwacht?“, wandte er sich daraufhin an den Chinesen, der in der Küche werkelte. „Aber sicher doch.“ lachte dieser und lies sich nicht von seiner Arbeit abbringen. Schon bald hörte man aus der Küche nur noch das Klappern des Besteckes auf den Tellern und immer wieder mal ein „Boah, Ray, das Essen schmeckt wieder mal fabelhaft.“ von Tyson. Was dann mit einem Lachen kommentiert wurde. Nach dem Essen, hing dann jeder seinen Gedanken nach. Kai war hinaus gegangen um noch ein bisschen „frische Luft zu schnappen“, wie er es nannte, doch eigentlich wollte er nur allein sein.

Die Mondsichel, die am Nachthimmel hing, warf ein fahles Licht auf die schlafende Welt. Wie üblich war Kai an seinen Lieblingsplatz gegangen, das Flussufer. Der Mond spiegelte sich im Wasser und Kai lag im Gras und schaute in den Sternenhimmel. Ihm behagte der Gedanke nicht, das ich allein mit Tyson daheim war, den Max war noch zu seinem Vater gegangen und würde auch diese Nacht dort übernachten und Ray war auch noch mal raus gegangen. „Verdammt!“, brüllte er auf den Fluss hinaus, bevor er aufsprang und im Eilschritt wieder zum Dojo lief. Fast erleichtert atmete der Halbrusse auf, als er Tyson im Wohnzimmer auf dem Sofa schnarchend vorfand. Ungläubig stieg er die Treppe zu den Zimmern hoch. >Vielleicht sollte ich noch mal nach Mia sehen.< es war wie eine Eingebung, der er folge zu leisten hatte. Gerade als er seine Hand auf meine Türklinke gelegt hatte, nahm er das Schluchzen aus dem Zimmer war. Vorsichtig klopfte er an und trat gleichzeitig ein. Wie schon einige Stunden zuvor, fand er mich schlafend auf dem Bett, doch diesmal hatte ich mich zu einer Kugel zusammengekauert und mein Körper bebte. „Oh Gott, Mia, was ist los?“, fragte Kai, doch bekam er keine Antwort. Er setzte sich auf die Bettkante und strich mir sacht über den Rücken. Ganz langsam, beruhigte sich meine Atmung und das Beben meines Körpers hörte auch auf. „Alles wird gut.“, flüsterte Kai tonlos. Er wollte nicht nur mich beruhigen, sondern auch sich Mut zusprechen. Nach endlosen Minuten erhob sich Kai wieder. Mein gleichmäßiger Atem hatten ihm verraten, das ich wieder tief und höchstwahrscheinlich Traumlos schlief. >Ach Mia!< , seufzte er gedanklich, als er die Zimmertür hinter sich leise ins Schloss zog. >Du bist so anders. In deiner Nähe fühle ich mich zum ersten mal …. frei….< genau das war es, was Kai empfand. Vor seinen Teamkameraden war er der Unnahbare, der eine kühle Fassade errichtet hatte, hinter der ein sensibler Junge mit Gefühlen verborgen war. Dann verschwand auch er in seinem Zimmer um sich zur Nachtruhe zu begeben.

Am nächsten Morgen erwachte ich recht früh. Sonnenstrahlen drangen durch einen Spalt im Vorhang in mein Zimmer und Vögel zwitscherten im Garten. Ich erinnerte mich noch schwach an meinen Traum:

Einsam stand ich mitten auf einem großen überfülltem Platz. Um mich herum waren überall Menschen, doch wenn ich sie ansprach, verblassten sie vor mir und verschwanden. Hilflos wanderte ich umher und die Menschen wurden immer weniger, bis ich schließlich ganz alleine war. Tränen rannen mir übers Gesicht und das Schluchzen, das meiner Kehle entrann, brach sich an unsichtbaren Wänden wieder. Da hörte ich eine mir bekannte Frauenstimme. „Liebling, du bist nicht allein.“ Als ich mich jedoch zu der Stimme umgedreht hatte, fand ich dort nicht meine Mutter, auch nicht meine Gran, nein, es standen dort eine Handvoll Menschen. Fünf der Gesichter stachen mir sofort ins Auge. Tysons Opa lächelte mich warm an und da waren auch Tyson, Max und Ray. Ein kleines bisschen Abseits stand Kai, auch er lächelte mich an und winkte mir, zu ihnen zu kommen. Zögernd machte ich einen Schritt auf sie zu, doch sie verblassten nicht. Einen Schritt nach dem anderen machte ich nun auf sie zu, bis ich Kai in die Arme fiel. Heiße Tränen liefen mir immer noch über die Wange und ich wusste, ich war nicht allein. Auch die anderen, mir unbekannten Personen, verschwanden nicht, sie nahmen mich alle in ihre Mitte. „Du gehörst doch zu uns.“, das war Max und er schlug mir kameradschaftlich auf die Schulter. Gemeinsam waren wir dann nach Hause gegangen und ich hielt Kais Hand.

>Vielleicht hatte ich gestern einfach keinen guten Start, aber hier bin ich nicht allein.< dachte ich bei mir und streckte mich genüsslich. Keine zehn Minuten später betrat ich die Küche und fand nur einen Zettel auf dem Küchentisch. „Morgen Mia, du hast so tief geschlafen, da wollten wir dich nicht wecken. Sind am Flussufer trainieren. Kai.“ Vom Zettel aufblickend schaute ich zur Uhr. >Will der mich verarschen? Es ist noch nicht mal halb 7!< Schmollend drehte ich mich um, als ich auch schon mit Kai zusammen stieß. „Oh!“, brachte ich gerade noch geschockt heraus, bevor Kai mich am Arm packend auffing, sonst hätte ich mich auf den Hosenboden gesetzt. „Morgen. Auch schon wach?“, fragte er spöttisch, schenkte mir aber ein kleines Lächeln. „Sieht so aus.“ murmelte ich und lief rot an, da ich wieder an meinen Traum dachte. „Wir wollten gerade los, willst du mit?“, fragte Ray plötzlich von der Tür. „Gern, aber könnt ich vorher noch was essen? Ich hab Bärenhunger.“ Ray lachte und auch Kai schmunzelte. „Wir haben genug zu Essen dabei, du kannst am Fluss frühstücken.“ Meinte Kai und zog mich an der Hand aus dem Haus. Wieder färbten sich meine Wangen rosa, denn er lies meine Hand nicht los, bis wir am Fluss ankamen, dort breitete er höchstpersönlich eine Decke im noch feuchtem Gras aus. Während ich mich setzte, im Picknickkorb stöberte, was Ray denn alles eingepackt hatte, holten die Jungs ihre Blades hervor. Die Worte „Let it rip!“ ließen mich aufschauen. Fasziniert schaute ich zu, wie die vier Kreisel immer wieder aufeinander prallten, mein Hunger war vergessen. Natürlich hatte ich schon von Blades gehört, aber heute sah ich sie zum ersten Mal. Nachdem Kai nach endloser Zeit endlich als Sieger aus dem Match hervor ging, jubelte ich innerlich. Dann kamen die vier Jungs zu mir und wir aßen alle zusammen belegte Brötchen. „Wie genau funktioniert ein Blade?“, fragte ich und sah Ray und Kai an. „Da fragst du am besten Kenny, der kennt sich mit den einzelnen Komponenten besser aus, die in unseren Blades stecken.“ lachte Ray. „Der kommt übrigens grad, und Hilary hat er wie immer im Schlepptau.“ grummelte Kai. „Klingst ja nicht begeistert.“ lachte ich, was mir einen bösen Blick von Kai einhandelte. „Sorry!“ nuschelte ich daraufhin nur. Als die beiden sich dann zu uns gesellt hatten, übernahm Ray die Vorstellung. Hilary warf mir einen misstrauischen Blick zu, als Ray uns miteinander bekannt machte. Kenny hingegen war Feuer und Flamme, als er erfuhr das ich aus Deutschland komme. Während die vier Blader sich wieder ihrem Training widmeten, löcherte ich Kenny mit Fragen. Geduldig erklärte er mir alles, was ich wissen wollte, und wenn er mal nicht weiter wusste, übernahm Dizzy für ihn. „Und du kannst wirklich kein japanisch?“ fragte Kenny schon mindestens zum zehnten mal. „Nein.“ antwortete ich ihm nun auch schon zum xten-mal. „Hm.“ machte er nur und tippte auf seinem Laptop herum. „Wir könnten es dir beibringen. So schwer ist das nicht.“, sprach Dizzy und somit war die Sache geklärt. Den restlichen Tag verbrachten wir noch am Flussufer. Während Mittags die Sonne so vom Himmel brannte, das die Blader eine Pause einlegten, genoss ich die Sonnenstrahlen in vollen Zügen. „Es ist so heiß!“, meckerte Hilary die Jungs voll und betrachtete mich neidisch. Mit geschlossenen Augen lag ich im Gras, hatte die Hose so weit wie möglich hochgekrempelt und summte eine Melodie. Alles um mich herum war vergessen, bis mich jemand an den Schultern rüttelte. „Hey Mia! MIA!“, drang eine Stimme an mein Ohr. Erschrocken riss ich die Augen auf. Die Sonne war gerade dabei unterzugehen und inzwischen war es auch kühler geworden. Rays Gesicht war über meinem. „Na, gut geschlafen?“, fragte er lachend. „Danke, ja.“ , murmelte ich und wir gingen alle gemeinsam zurück zum Dojo.

Verdammt, Wechelsstaben verbuchtelt!

„Mia, jetzt wach schon auf, wir kommen zu spät!“, drang eine ungeduldige Stimme an mein Ohr. Müde rieb ich mir die Augen. „Was n los?“, brachte ich nur gähnend hervor. „Schule.“, brummte Kai und wie der Blitz sprang ich aus dem Bett und ins Bad. Ich hatte es total vergessen, das Kai und Ray mich mit zur Schule nehmen wollten, damit ich mich anmelden konnte. >Gesicht putzen, Zähne waschen, Klamotten schnappen und Schultasche anziehen<, ging ich meinen Plan durch, damit ich auch absolut nichts vergaß. Vor dem Spiegel hielt ich kurz inne, legte den Kopf schräg und betrachtete das Spiegelbild der Uhr. >Sechs Uhr!< wütend stapfte ich wieder in mein Zimmer, wo sich Kai und Ray vor lachen kugelten. „Das ist NICHT witzig!“, fauchte ich die beiden an. Kai wischte sich eine Lachträne aus den Augenwinkeln. „Doch, du hättest mal dein Gesicht sehen sollen.“, lachte er. Leicht musste ich schmunzeln, denn ich hatte Kai noch nie so ausgelassen lachen sehen. In Ruhe machte ich mich nun für die Schule fertig und saß dann bei Ray in der Küche. „Wo ist Kai denn jetzt hin?“, fragte ich neugierig. „Er weckt die anderen, bei ihnen fängt die Schule erst später an.“, erklärte mir Ray. „Seit ihr denn nicht alle auf der selben Schule?“, löcherte ich ihn weiter. Lachend schüttelte er den Kopf. „Nein, wir sind schon in der Oberstufe, die anderen vier sind noch in der Unterstufe.“ „Aha und ich soll also auch in die Oberstufe.“, stellte ich nüchtern fest. „Wir können dir wenigstens weiterhelfen, wenn es irgendwelche Probleme gibt. In der Unterstufe hättest du nur Kenny und der wird die ganze Zeit von Tyson belagert.“, sprach Kai, als er die Küche betrat. Nachdem Kai seinen Tasse Kaffee getrunken hatte, brachen wir auch schon auf. Da der Weg nicht sehr weit war, liefen wir zur Schule. Unterwegs schlossen sich ein paar Jugendliche uns an und gemeinsam traten wir durch das schmiedeeiserne Tor, welches auf das Schulgelände führte. Höflich verabschiedeten sich die beiden Jungs, die mich flankierten, von den anderen und liefen mit mir direkt aufs Schulgebäude zu. „Kann ich nicht morgen…“, weiter kam ich nicht, da Ray und Kai mich an den Armen gepackt hatten und mich schon die Treppen hoch schleiften. „Du hast es versprochen.“, grummelte Kai. „Ich versteh kein einziges Wort japanisch, es bringt also nichts, wenn ich im Unterricht sitz.“, argumentierte ich weiter. Doch weder Argumente noch Quängeln half. Schließlich standen wir vor dem Büro des Direktors. „Ray!“, flehte ich, doch da hatte Kai schon geklopft und wir wurden hinein gebeten. Ray öffnete die Tür und trat als erster ein, dann wurde ich von Kai hineingeschoben und er schloss auch die Tür hinter sich. „Ah.“, war das einzige was ich von dem Direktor verstand, aber er hatte sich sowieso an meine Begleiter gewandt. Erst redete er lange auf die beiden ein, wo ich nur das ein oder andere mal meinen Namen fallen hörte, dann wandte er sich an mich. „Es freut mich, dich an meiner Schule begrüßen zu dürfen Mia.“, begrüßte er mich freundlich und reichte mir die Hand. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, diese Schule besuchen zu dürfen, Herr Direktor.“ und ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Dann bat er uns alle Platz zu nehmen. „Dein Stundenplan, Mia, wird an dem von Ray und Kai orientiert sein. So das mindestens immer einer der Beiden bei dir ist.“, dabei zwinkerte er mir verschwörerisch zu. Dann fragte er mich noch, welche Kurse ich belegen möchte. Als ich die Liste überflogen hatte, entschied ich mich für Musik und Selbstverteidigung. Als das dann soweit auch geklärt war, durften wir in unser Klassenzimmer.

Der Lehrer stellte mich kurz der Klasse vor, erwähnte das ich kein japanisch konnte, es also zwecklos wäre, sich mit mir zu unterhalten und dann durfte ich mich neben Kai setzen. Die ersten zwei Stunden hatten wir Mathe, und nachdem Kai mir die Textaufgaben auf Deutsch übersetzt hatte, fing ich auch schon an zu rechnen. Als der Lehrer dann eine weitere Aufgabe an die Tafel geschrieben hatte und erwartungsvoll in die Klasse sah, meldete ich mich als einzige. Er reichte mir die Kreide und ich ging vor zur Tafel um den Lösungsweg anzuschreiben. Der Lehrer klatschte begeistert, denn meine Rechnung war richtig. Nach Mathe hatten wir eine kleine Frühstückspause in der ich von der ganzen Klasse umringt war. Erleichtert atmete ich auf, als es zur nächsten Stunde klingelte. Geschichte ging an mir vorbei, ohne das ich auch nur wusste worum es ging, denn die Lehrerin hatte mich in die erste Reihe gesetzt, weit weg von Ray. Kai hatte währenddessen Wirtschaftskunde. Gelangweilt saß ich im Unterricht, da sich keiner die Mühe machte, mir etwas zu erklären. Erst, als Ray mich im Musiksaal ablieferte, mich aufmunternd drückte und sagte, er würde mich nach der Stunde wieder abholen, regte sich etwas in mir. Es waren höchstens eine Handvoll Schüler im Saal verteilt und der Lehrer wirkte erfreut, mich zu sehen. „Du musst Mia sein.“, begrüßte er mich. „Was spielst du denn für ein Instrument, oder singst du lieber?“, seine Frage überrumpelte mich förmlich. „Violine. Ich spiel Violine.“, flüsterte ich eingeschüchtert. „Also gut.“, dabei wandte er sich an die anderen Schüler, stellte mich ihnen auch vor. Dann kramte er in einem Schrank herum, bis er gefunden hatte, wonach er gesucht hatte. Stolz überreichte er mir einen Holzkoffer, dessen Schlösser ich aufschnappen lies. Geschockt hielt ich die Luft an. „Stimmt etwas nicht?“, fragte mich Herr Saotome besorgt. Vorsichtig strich ich mit meinen Fingerspitzen über das Holz des Instrumentes. „Ich hätte nicht geglaubt, jemals eine echte Stradivari in den Händen zu halten.“, flüsterte ich ehrfürchtig, während ich die Violine heraus nahm und anlegte. Noch bevor Herr Saotome fragen konnte, was ich spielen wollte, flüsterte ich: „Ich spiele La Corda.“ Dann setzte ich den Bogen an und die ersten Töne traten zaghaft in den Raum. Die Augen geschlossen stand ich vor meiner Klasse und spielte. Als der letzte Ton verklungen war, öffnete ich die Augen und sah, wie sich Herr Saotome eine Träne wegwischte. „Wundervoll!“, tönte er und auch die anderen applaudierten heftig. „Wir werden ein Meisterwerk an Musikgeschichte schreiben und es am Jahresende aufführen.“ erklärte er erst der Klasse, dann mir. Wir waren alle begeistert. Vorsichtig verstaute ich die Stradivari am Ende der Stunde wieder in ihrem Koffer und dann stand auch schon Ray in der Tür um mich nach Hause zu begleiten. „War dein erster Schultag hier jetzt so schlimm?“, fragte er mich leicht grinsend. Erst warf ich ihm einen bösen Blick zu. „Dafür, das ich absolut kein Wort in Geschichte, Physik und Technologie verstanden hab, war der Musikunterricht einfach himmlisch.“, gestand ich ihm. „Zum ersten mal in meinem Leben hielt ich eine Stradivari in der Hand und … ach Ray, warum kann ich nicht nur Musikunterricht an der Schule haben?“ fragte ich ihn enttäuscht. Da lachte Ray laut auf. „Glaub mir, dann hätte ich mich nur für den Kochkurs eingetragen.“ Lachend verließen wir die Schule. Draußen blickte ich mich suchend um: „Wo ist eigentlich Kai?“ Rays Mine verfinsterte sich. „Der ist mit Sayuri heimgegangen.“ Enttäuscht lies ich den Kopf hängen. Immer wieder dachte ich über die Worte nach. > mit Sayuri heimgegangen… mit Sayuri heimgegangen…< „Ray, wie meinst du das mit HEIMGEGANGEN?“, fragte ich schon fast ein bisschen panisch. „Haben sie nur den gleichen Heimweg oder ist er mit zu IHR gegangen?“ meine Stimme überschlug sich. „Er ist… bei ihr.“, nuschelte der Chinese. In meinem Magen zog sich etwas krampfhaft zusammen und ich nickte nur.

Wieder im Dojo, fragte mich auch Großvater, wie mein erster Tag an der Schule war. „Es wird leichter, wenn ich endlich verstehe, was die Lehrer sagen.“ murmelte ich und verschwand in meinem Zimmer. Bald war von unten munteres Stimmengewirr zu hören und ich wusste, das Tyson und die anderen nun ebenfalls von der Schule zurück waren. Etwas geknickt schlich ich die Treppe hinunter und gesellte mich zu ihnen auf die Veranda. Kenny setzte sich auch gleich mit Dizzy neben mich und öffnete ein Programm. „Wir haben die ganze Nacht daran gearbeitet.“, fing er ohne Umschweif an zu erzählen. „Es ist ein Programm, an dem du japanisch üben kannst und ich kann dir auch bei der Aussprache helfen.“, fügte Dizzy gleich hinzu. „Danke. Das ist so lieb von euch.“ nuschelte ich. Dann drückte mir Kenny auch schon Dizzy auf den Schoß und sie fing an. „Wir fangen mit allgemeinen Dingen an. Wie sich vorstellen.“ Und schon war ich in das „Lernprogramm“ vertieft. „Du bist ja ein Naturtalent.“, lobte mich Dizzy nach 4 Stunden. Ich lächelte leicht. „Liegt vielleicht daran, das es mir schon immer leicht fiel, andere Sprachen zu lernen.“ flüsterte ich leise. „Dann dürfte das hier für dich ein Kinderspiel werden.“, lachte Kenny.

Als es Abend wurde, hatte sich Kenny mit Dizzy verabschiedet. Ray war in der Küche und kochte, während Tyson bei ihm saß und ihn wahrscheinlich voll quängelte, dass er Hunger habe. Max saß bei mir auf der Veranda. „Es ist ein herrlicher Abend, nicht wahr?“, fragte er mich und ich war froh, das ich es verstand „Ja, das stimmt.“ Leicht lächelte ich ihn von der Seite an. „Auf was für Fächer stehst du denn so?“, fragte Max und ihm war es schon fast peinlich, mich so auszufragen. Irritiert blickte ich ihn an, dann wandte ich mich schnippisch an ihn: „Ich glaube kaum, das es dich etwas angeht, wen ich mit ins Bett nehme.“ Mit diesen Worten stand ich auf und ging in die Küche. Max sah mir nur verwirrt hinterher. Dann rappelte er sich ebenfalls auf und eilte mir hinterher. „Mia, warte mal, ich glaub da liegt ein Missverständnis vor!“. Wütend funkelte ich ihn an. „Wenn du mich fragst, auf was für STECHER ich stehe, dann wird es da wohl kein Missverständnis geben.“, fauchte ich ihn an. Ray und Tyson mussten sich ein Lachen verkneifen. Knallrot stand Max vor mir. „Aber ich wollte doch nur wissen, ob du Mathe oder Geschichte oder so magst.“ nuschelte er. Mein Gesicht wurde kreidebleich. „Oh Gott… Max…, das tut mir leid. … Ich dachte wirklich … oh Gott….“, stotterte ich. „Na kommt, ist doch nur halb so schlimm.“, lachte Tyson. Als auch Max in das Gelächter von Tyson und Ray mit ein fiel, fiel mir ein Stein vom Herzen und ich lachte mit. An sich wurde es noch ein recht vergnüglicher Abend, denn Tyson und Max erzählten mir lustige Geschichten und wenn ich dann fragend in die Runde sah, übersetzte mir Ray, was ich nicht verstanden hatte. „Dann kann der morgige Schultag ja kommen.“, gähnte ich und verabschiedete mich ins Bett.

Der nächste Tag begann um einiges angenehmer als der vorherige. Mein Wecker klingelte und ich schlurfte ins Bad, wusch mich und flocht meine Haare zu einem dicken Zopf, danach zog ich mir eine dunkle Jeans und ein helles Shirt an, welches meine Weiblichkeit etwas betonte und ging hinunter zum Frühstücken. „Guten Morgen. Müsli?“, fragte Ray, der sich gerade eine Schüssel aus dem Schrank fischte. „Gern!“ gähnend setzte ich mich an den Tisch. „Ist Kai schon wach?“, fragte ich und drehte mich zu dem Chinesen um. „Der ist heut Nacht nicht heimgekommen.“, brummte er in seinen nicht vorhandenen Bart. „Oh.“, diese Nachricht musste ich erst einmal verdauen. Als Ray mir dann das Müsli vor die Nase setzte grinste er breit. „Was?“, fragte ich irritiert. „Dir ist nicht aufgefallen, das wir nur japanisch gesprochen haben?“, fragte er belustigt. „Ne, ist mir nicht aufgefallen.“ gab ich lachend zurück und schob mir einen Löffel Müsli in den Mund. Als es Zeit war, machten Ray und ich uns auf den Weg. „Schule jetzt kannst du was erleben. Jetzt komme ich!“, rief ich und drehte mich lachend zu dem Chinesen um. Auch er grinste. Vor dem Schulgebäude wartete Kai. Ray musterte ihn kritisch. „Morgen.“, begrüßte uns der graublau Haarige. „Morgen.“ grüßten Ray und ich auf japanisch, was den Team Kapitän kurz aufsehen lies. „Das war japanisch, Mia.“ hauchte er voller Stolz. „Brauchst dir nichts drauf einbilden, das kann ich dank Dizzy und den anderen.“, antwortete ich ihm schnippisch und hängte mich bei Ray ein, mit dem ich jetzt Chemie hatte. Kai ließen wir einfach stehen. Verdutzt sah er uns hinterher. Dann zuckte er kurz mit den Schultern, vergrub seine Hände in den Hosentaschen und machte sich auf den Weg zu Wirtschaft. Danach hatten wir alle drei gemeinsam Geschichte. Diesmal saß ich neben Ray, auf dessen anderer Seite Kai saß. „..als der chinesische Kaiser nachts durch …“ weiter kam Frau Haruna nicht, denn ich hob meine Hand. „Ja bitte Mia?“ rief sich mich auf. „Warum reitet der chinesische Kaiser NACKT?“, fragte ich irritiert, was mir einen strafenden Blick der Lehrerin und die Lacher der Klasse einbrachten. „Willst du mich veräppeln?“, fragte sie wütend. „Frau Haruna, Mia lernt gerade die japanische Sprache, seien sie ihr nicht böse, wenn sie noch einiges verwechselt.“, bat Ray höflich. Sofort glätteten sich die Züge der Lehrerin. „Wenn das so ist.“ und sie erzählte weiter, was der chinesische Kaiser noch so alles tat. „Du bist echt unmöglich.“, flüsterte mir Ray zu. „Was denn. Ich hab halt verstanden das er nackt reitet.“, gestand ich tonlos und beide fingen wir an zu grinsen. In diesem Augenblick fühlte sich Kai wie das fünfte Rad am Wagen. Sein Blick wurde leer und er lies den restlichen Unterricht an sich vorüber ziehen. „Kai?“, wurde er aus seinen Gedanken gerissen. „Hm!“, brummte er. „Kannst du Mia nachher vom Musikunterricht abholen. Ich hab da selber noch Unterricht.“, fragte Ray. „Wenns sein muss.“ „Ja muss es.“, zischte der Chinese wütend. Ich freute mich schon sehr auf den Musikunterricht, denn für heute waren drei Stunden angesetzt. Ray brachte mich wieder zum Musiksaal und dort wartete auch schon Herr Saotome auf mich. Die Stradivari lag auf dem Schreibtisch des Lehrers. „Heute möchte ich mit euch etwas ausprobieren. Sean geh doch bitte schon mal ans Schlagzeug, Freiwillige vor fürs Keyboard.“, bat er nun und ein Mädchen streckte die Hand in die Höhe. „Yuki, das ist sehr mutig von dir.“, flötete Herr Saotome. „Mia, du wirst Violine spielen.“ Als ich nach der Stradivari greifen wollte, hielt mich mein Lehrer zurück. „Heute nicht, Mia.“, lächelte er mich an und überreichte mir eine Elektro-Violine. Auch die restlichen Schüler wurden verteilt. Ein weiterer Junge wurde an die Elektro-Gitarre gestellt und zwei Mädchen, eine hieß Hinata und hatte mit mir Geschichte, wurden ans Mischpult gestellt. Dann verteilte Herr Saotome Notenblätter. „Thunderstruck von AC/DC?“, fragte Sean ungläubig. Danach übte jeder erst einmal auf seinem Instrument und am Ende des heutigen Tages spielten wir alle gemeinsam. Erst fing das Lied mit ein bisschen Violine an, dann setzten die anderen Instrumente langsam ein und am Ende war es einfach nur noch geballte Musikenergie, die durch das Schulhaus klang. „Genial!“ „Hervorragend!“ „Unglaublich!“, riefen wir durcheinander und freuten und wie kleine Kinder. Danach spielten wir es noch einmal. Der Musikunterricht war zu Ende und Kai stand im Türrahmen und schaute uns zu. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Als wir endeten, applaudierte er und mein Lehrer ging sofort auf ihn zu um nach seiner Meinung zu fragen. „Es ist … Neuartig.“ versuchte er seinen Eindruck zu erklären. „Herr Saotome?“, unterbrach ihn Yuki, bevor er Kai noch mehr löchern konnte. „Was gibt es denn?“, überfordert sah der Lehrer uns an, da wir alle hinter unsere Keyboarderin getreten waren. „Dürften wir morgen öffentlich auftreten? Damit wir wissen, wie die Leute auf das reagieren, was wir ihnen zu bieten haben?“ fragten wir im Chor. „Bevor ihr jetzt sauer auf mich seit, weil ich nein sage, hört mir erst einmal zu. Ich werde versuchen, einen Musikabend an der Schule zu organisieren, an dem ihr auftreten könnt. Davor müssen wir aber noch sehr viel üben. Es wäre unklug, jetzt schon aufzutreten, wenn ihr nur ein Lied beherrscht.“ Wir sahen es schließlich ein und verabschiedeten uns höflich.

„Ich wusste gar nicht, das du Violine spielst.“, sprach Kai, als wir auf dem Heimweg waren. „Du weißt einiges nicht.“, zischte ich erbost. „Was hast du Mia?“, fragte er stutzig. „Ach geh doch wieder zu deiner Sayuri.“, grummelte ich. „Du bist doch wohl nicht etwa eifersüchtig?“, lachte er hell auf. Daraufhin sagte ich nichts mehr. Den restlichen Weg lachte er leise vor sich hin. Im Dojo wartete schon Kenny auf mich. „Und wie war die Schule heute?“, fragte er. „Besser und schlechter.“, nuschelte ich und wurde rot. „Was ist denn passiert?“, fragte Max. „Mia hat zwei Wörter verwechselt.“ spottete Kai. „Was hast du denn dieses Mal verwechselt?“, fragte Dizzy. „Nacht und nackt.“, hauchte ich tonlos und alle lachten. Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, lernte ich wieder mit Dizzy japanisch.

Mitternachtsball

Inzwischen sind einige Wochen vergangen. Langsam hatte ich mich auch in Japan eingelebt und hatte in der Schule neue Freunde kennengelernt. Da war neben meiner Musikklasse auch noch ein richtig süßer Typ in meinem Verteidigungskurs. Seine eisblauen Augen hatten mich vom ersten Moment an in seinen Bann gezogen.

Mein Bauch kribbelte, als ich am Morgen aufwachte und mir bewusst wurde, das ich heute wieder Selbstverteidigung hatte. Vergnügt sprang ich die Treppe hinunter. „Morgen!“, begrüßte ich Ray, der schon beim Frühstück saß. „Morgen.“ grüßte er mich zurück. Blicken sah ich mich um. „Ist Kai wieder bei Sayuri?“ Die Frage klang unschuldig, aber bei Ray war es einfach die falsche Frage. „Wo denn sonst?“, stellte er die Gegenfrage. Ich lies mich neben Ray auf den Stuhl fallen und legte ihm mitfühlend die Hand auf die Schulter. „Momentan ist es einfach nicht leicht mit ihm. Hab Verständnis, das legt sich alles wieder. Außerdem werd ich dich solang nerven.“, versuchte ich ihn aufzumuntern, was Ray sogar ein kurzes Lächeln auf die Lippen zauberte. „Na dann komm, wir müssen zur Schule.“, seufzte er theatralisch. Übermütig hüpfte ich umher. „Du freust dich ja richtig in die Schule zu kommen, hab ich was verpasst oder liegt es einfach daran, das heute Freitag ist?“, neugierig war Ray ja schon, aber er war auch mein bester Freund, darum erzählte ich es ihm. „Weißt du, bei mir im Selbstverteidigungskurs, da ist so ein richtig süßer Typ. Du kennst ihn hundert Pro vom sehen her. Feuerrotes Haar, blaue Augen.“, mehr musste ich nicht sagen. „Tala. Tala Ivanov.“, murmelte Ray. Mein Gesicht erhellte sich. „Tala.“, flüsterte ich ehrfürchtig. Ray sah mich von der Seite her an. „Du magst ihn oder?“, grinste er spitzbübisch. Lachend nickte ich. Dann kam auch schon das Schulgebäude in Sicht und unsere Miene verfinsterte sich. Kai stand wie üblich ans Tor gelehnt, doch diesmal stand ein Mädchen neben ihm. Kurz musterte ich sie. Hellbraunes, schulterlanges Haar und Augen in dem selben Farbton. Die Oberweite war üppig, aber kleiner als meine, stellte ich erleichtert fest. Ansonsten war sie eher ein normal gebauter Typ. „Morgen.“, grüßte Kai. „Tag.“, nuschelte ich und Ray nickte ihm nur zur Begrüßung zu. Mein Herz setzte aus, als Kai wie immer mit uns mit ging, aber diesmal die Hand des Mädchens packte und sie mit schleifte. „Möchtest du uns nicht mal miteinander bekannt machen?“, fragte ich etwas schnippisch. Kurz zog Kai eine Augenbraue in die Höhe, wedelte mit der freien Hand von Einem zum Anderem. „Mia, Sayuri, Ray.“, machte er uns also miteinander bekannt. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen streckte ich Sayuri die Hand hin, die sie nur abfällig ansah, den Kopf drehte und an mir vorbeimarschierte. >Eingebildete Gans.<, grummelte ich im Innern. „Hat mich auch gefreut dich kennenzulernen!“, brüllte ich ihr hinterher. Kai eilte ihr hinterher und sprach wild auf sie ein, dabei warf er mir mehrmals einen kalten, hasserfüllten Blick zu. „Was hab ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?“, fragend sah ich Ray an. „Ich weiß es nicht, aber wie hast du vorhin gesagt. `Hab Verständnis.´ Am besten wir lassen ihn einfach mal in Ruhe. Vielleicht kriegt er sich ja wieder ein.“, so machten Ray und ich uns auf den Weg zum Unterricht. Sozialkunde, Mathe und Chemie gingen schnell vorbei, dann saß ich mit Ray und Yuki im Speisesaal und wanken Sean und Mariah, die grade nach einem freien Tisch Ausschau hielten. Mariah, so erfuhr ich, war mit Ray zusammen im Kochkurs und die Beiden kannten sich schon von Klein auf. Außerdem bladet sie auch. Sie hatte rosafarbenes Haar und bernsteinfarbene Augen, die auch Ray besaß. Und anscheinend mochten die beiden sich richtig gern. Wir lachten grade über einen Witz von Sean, als Kai auf uns zu kam. Hinter ihm kam Sayuri. „Ach nein, nicht die schon wieder.“, motzte Mariah. Fragend wurde sie von uns anderen angestarrt. „Die benimmt sich wie eine Prinzessin.“, murmelte sie noch, bevor Sayuri unseren Tisch erreicht hatte. Die gute Laune war verflogen. Kai hatte sich bereits auf einen Stuhl fallen lassen und Sayuri wollte sich soeben auf den noch letzten freien Stuhl zwischen Kai und mir setzen, als ich jemanden erspähte. „Hey Tala!“, rief ich erfreut. Der Angesprochene sah sich um und heftig winkte ich ihm. „Ich hab dir einen Platz freigehalten, kommst du?“, dabei lächelte ich sehr charmant und der Rothaarige trat zu uns an den Tisch. Schnell zog ich den Stuhl neben mir heraus und deutete ihm Platz zu nehmen, was er auch gleich tat. „Kai.“, grüßte er kurz, dann schweifte sein Blick die restliche Runde. „Ray, Mariah.“, grüßte er auch noch die anderen ihm bekannten Gesichter. Kai hingegen sah sauer zu mir. Schnell waren alle miteinander bekannt gemacht und Sayuri zog beleidigt ab. „Wir müssen reden.“, zischte Kai mir hinter Talas Rücken zu. Desinteressiert zeigte ich ihm, das es mir egal war, dann himmelte ich wieder Tala an. „Hättest du Lust heute mit mir ein Capoeira Team zu bilden.“, wandte sich Tala an mich und ich nickte begeistert. „Gerne.“, hauchte ich und ein leichter rötlicher Schimmer zog sich über meine Wangen, was Tala zum schmunzeln brachte. Die Mittagspause war vorbei, und gemeinsam ging ich mit Tala aus der Cafeteria. Der Rothaarige hatte mir einen Arm um die Schultern gelegt und es sah sehr vertraut aus, was Kai einen Stich im Herzen versetzte. >Warum muss sie ausgerechnet mit IHM rummachen?< seine Gedanken fuhren Achterbahn.

Derweil war ich mit Tala bei den Umkleiden angekommen. Kurz verabschiedeten wir uns, nur um uns gleich darauf wieder in der Sporthalle zu sehen. „So, heute werden wir uns Capoeira näher ansehen.“, eröffnete uns der Sportlehrer. „Zuerst sehen wir uns einen kleinen Film an, und dann teilt euch bitte in Zweiergruppen auf.“, mit diesen Worten, startete er den Film. Fasziniert schaute ich auf den Bildschirm. „Das ist ja wie Tanzen.“, flüsterte ich begeistert. Nach dem Film, zog mich Tala gleich von den anderen fort. Enttäuscht blickten mir ein paar andere Jungs hinterher. Beschützend legte Tala mir wieder mal seinen Arm um die Schultern. Der Sportlehrer hatte sich einen einzelnen Schüler herausgepickt und machte die Bewegungsabläufe vor. Dann übten wir und er legte dazu eine CD ein. „Capoeira stammt ursprünglich aus …. blablabla …. weil es den Leibeigenen verboten war …. blablabla …. darum ließen sie es wie einen Tanz aussehen.“, predigte uns der Lehrer vor, doch ich war zu sehr wegen Talas Gegenwart abgelenkt. Als die Bewegungsabläufe saßen, standen Tala und ich uns gegenüber. Es war ein Kampf in Slowmotion und hätte tatsächlich auch ein Tanz sein können. Die Musik hatte uns ergriffen, die Bewegungen waren aufeinander abgestimmt und als der letzte Ton im Raum verklang, standen Tala und ich dicht voreinander. Seine Augen blickten in meine, ich spürte seinen heißen Atem auf meinem Gesicht und mein Herz raste vor Aufregung. Zum zweiten Mal heute, legte sich ein roter Schimmer auf meine Wangen, was Tala zum lächeln brachte. „Du siehst süß aus, wenn du rot wirst.“, flüsterte er mir leise ins Ohr, dann brachte er ein bisschen Abstand zwischen uns. Die Schulglocke läutete und erleichtert ging ich zur Umkleide. Mein Herz raste immer noch und mein Magen war voller Schmetterlinge. >Er findet es süß wenn ich rot werde.<, überlegte ich und ein freudiger Schauer glitt meinen Rücken hinab. Langsam zog ich mich um und verließ, in Gedanken versunken, die Sporthalle. Draußen wartete Ray auf mich und mein Herz machte einen Salto, als ich Tala neben ihm stehen sah. „Wartet ihr etwa auf mich?“, fragte ich und schlenderte ihnen entgegen. „Eigentlich warten wir auf den Weihnachtsmann.“, gluckste Tala. „Hm, soweit ich weiß, kommt der erst in ein paar Monaten und wenn ihr hier solange warten und Wurzeln schlagen wollt, bitte. Aber ich geh jetzt nach Hause.“ Die beiden hackten sich bei mir ein, als ich bei ihnen war, Tala hatte mir sogar die Schultasche abgenommen, dann gingen wir gemeinsam zum Dojo. „Du bleibst doch zum Essen?“, fragte Ray. „Wenn ich euch keine Umstände mach, gerne.“, nahm der Rothaarige an.

Bei Tyson zu Hause:

Ray war wie immer in der Küche verschwunden, während Tala und ich uns auf die Stufen der Veranda setzten. „Erzähl mir ein bisschen was von dir.“, bat ich ihn. Während Tala zu sprechen anfing, ging sein Blick stur gerade aus. Verbitterung lag in seiner Mimik. Er erzählte mir von Russland und der Abtei, dass er dort auch Kai kennengelernt hatte. Auch, das diese Abtei nun nicht mehr existierte und er jetzt hier in Japan war um neu anzufangen. Nachdenklich sah ich ihn an, als er geendet hatte. „Dann haben wir ja einiges gemeinsam.“, sprach ich meinen Gedanken laut aus. Fragend sah mich der Russe an, so war es nun wohl an mir, ihm von meiner Vergangenheit zu berichten. „ …. Jetzt bin ich, genau wie du, in Japan, um hier ein neues Leben anzufangen.“, endete ich mit meiner Erzählung. Die Erinnerungen an die Vergangenheit hatten mir Tränen in die Augenwinkel getrieben. Tala bemerkte sie, und wischte sie mir vorsichtig fort. Genau in diesem Moment kam Kai zum Tor herein und sah uns eng beieinander sitzend auf den Stufen. Wutschnaubend stieg er die Treppe zwischen uns hoch und trieb uns auseinander. Doch in diesem Moment störte es mich nicht, ich war zu glücklich, das Tala bei mir war. „Ich möchte dir was zeigen.“, sprach ich und zerrte den Russen schon ins Haus und die Treppe hoch in mein Zimmer. Staunend blickte sich der Rothaarige um. „Wunderschön hast du´s hier.“, hauchte er. Ich stand am Schreibtisch und lies einen kleinen Koffer aufschnappen. Auf rotem Samt gebettet lag eine Violine aus schwarzem Holz. „Spielst du für mich?“, fragte Tala und seine Stimme war warm. „Wenn du möchtest.“, lachte ich und setzte schon den Bogen an. Wie schon in meiner ersten Musikstunde, spielte ich `La Corda´. Tala lauschte begeistert und auch die Bladebreakers hörten verwundert zu. „Wer spielt denn da?“, fragte Tyson ganz dämlich. „Wer wohl.“, zischte Max, der ungestört lauschen wollte. Kai, der in seinem Zimmer auf dem Bett lag und die Decke anstarrte, hatte sich aufgesetzt. „Mia.“, flüsterte er leise und schaute nachdenklich aus dem Zimmer. Da wurde Kai von einem schrillen Klingeln aus seinen Gedanken gerissen. Genervt verdrehte er die Augen, als er den Namen auf seinem Handydisplay las, nahm aber dann doch das Gespräch an. „Hey Kleine, was gibt’s?“, fragte er etwas säuerlich. „Ich wollte nur mal deine Stimme hören, du fehlst mir.“, säuselte eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung. „Es ist noch nicht mal eine Stunde her, das wir uns in der Schule gesehen haben, Sayuri.“, langsam aber sicher wurde Kai wütend. „Aber ich vermiss dich so, kommst du heut Abend wieder zu mir?“, schon klang die Stimme weinerlich. „Heute nicht.“, grummelte Kai und legte einfach auf. Keine zwei Minuten später klingelte sein Handy wieder, diesmal lies er es einfach klingeln. >Langsam aber sicher geht mir die Frau auf die Nerven.< Mit dem Gedanken stand er auf und ging in die Küche, denn bald war es Zeit fürs Abendessen.

Ray musterte den aufgebrachten Kai. „Was ist los, Alter?“, fragte er und erntete erst einmal einen wütenden Blick. „Warum sind Frauen so… so… Monster?“, fragte er und blickte ins Leere. „Wen meinst du denn, Mia oder Sayuri?“, hakte Ray nach. „Sayuri.“, grummelte der graublau Haarige. „WARUM ist sie denn deiner Meinung nach ein Monster?“, versuchter der Chinese das Gespräch am laufen zu halten. „Sie nervt nur noch, ständig will sie das ich bei ihr bin und sie kann nie die Klappe halten. Außerdem machen mir ihre Launen langsam zu schaffen.“, fing Kai an. Ray nickte verständnisvoll. Seufzend vergrub Kai sein Gesicht in seinen Händen. „Da ich Sayuri nicht wirklich kenne, kann ich dir dabei nicht weiterhelfen. Aber ich hab es dir schon damals gesagt, das Sayuri einen falschen Eindruck auf mich macht. Aber du wolltest nicht hören.“, warf ihm nun Ray vor. >Er hat ja Recht.<, sagte eine leise Stimme in Kais Kopf. „Was soll ich denn jetzt machen, Ray, ich liebe sie. Aber ich halt sie einfach nicht mehr aus.“, jammerte der sonst so kalte Kai. „Als erstes holst du mal die anderen zum Essen und nach dem Essen wird dir ein kleiner Kampf bestimmt gut tun, so das du mal auf andere Gedanken kommst.“, gab Ray die Anweisung und mit schlurfenden Schritten ging er uns holen. Vor meiner Zimmertür blieb er stehen. Von der anderen Seite hörte er Gekicher. Ohne anzuklopfen, trat er ein. Das Bild, welches sich Kai bot, lies ihn rot werden. „Tschuldigung. Essen ist fertig.“, nuschelte er stammelnd und verließ wieder das Zimmer. Verwundert blickte ich Kai nach, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, brachen Tala und ich in schallendes Gelächter aus. „Gott, der glaubt jetzt bestimmt das wir unanständig waren.“ brachte Tala zwischen ein paar Lachsalven heraus. Dann lies er meine Arme los, die er in die Kissen gedrückt hatte und kletterte umständlich von mir herunter. Die Hand ausgestreckt, half er mir von meinem Bett. Immer noch lachend gingen wir in die Küche hinunter, wo Ray uns mit einem köstlichen Nudelauflauf verwöhnte. Kai sah uns argwöhnisch an, blieb aber stumm wie immer. Hilary war heute auch wieder da, inzwischen kam ich mit ihr auch einigermaßen aus, auch wenn sie mich immer schräg von der Seite angesehen hatte. Es spuckte immer noch der Gedanke in ihrem Kopf, das ich das Bladeteam nur ausspionieren will, herum. Darum blieb sie einfach vorsichtig. „Geht ihr eigentlich auch auf den Mitternachtsball?“, fragte Tala in die Stille hinein. „Was für einen Ball?“, fragten Hilary und ich wie aus einem Mund. „Der Mitternachtsball der BBA.“, erläuterte Tala nun. Fragend sahen ihn nun auch die Bladebreaker an. „Ich hab nichts von einem Ball der BBA gehört.“, motzte Tyson rum. „Tyson, letzte Woche kam doch die Einladung, ich hab Mr. Dickenson schon gesagt das wir alle kommen.“ seufzte Max. „WIR GEHEN AUF EINEN BALL!“, kreischten Hilary und ich um die Wette, das sich die Jungs die Ohren zuhielten. „Wir müssen noch Kleider kaufen gehen und Schuhe.“, begeisterte sich Hilary und griff nach meinen Händen. „Ein Hellblaues Kleid würde dir bestimmt gut stehen.“, unterstützte ich Hilary, so ging es eine ganze Weile weiter. „Könntet ihr Sayuri mitnehmen?“, unterbrach Kai unsere Pläne. „Wenns sein muss.“, gab ich giftig zurück. Hilary sah Kai und mich fast hilflos an. „Wie wäre es, wenn wir morgen shoppen gehen?“, versuchte sie die Spannungen aufzuheben. „Meinetwegen, dann hab ich´s hinter mir.“, maulte ich und ein leichtes Lächeln huschte über Kais Gesicht. „Danke.“, hauchte er. Leicht nickte ich ihm zu. Dann wandte ich mich wieder Tala zu. Dieser hatte meine Hand genommen und strich vorsichtig mit dem Daumen über meinen Handrücken. „Kauf dir was Schönes, Kleine.“, sagte er, drückte mir etwas in die Hand und gab mir einen Kuss auf die Wange. Dann stand Tala auf, bedankte sich fürs Essen und ging heim. „Was hat er dir gegeben?“, wurde ich neugierig bestürmt. Vorsichtig öffnete ich die Hand und ein Bündel Geldscheine fiel auf den Tisch. „Wow, da hat wohl jemand einen Verehrer.“, brummte Kenny, der soeben zur Tür herein gekommen war. „Das reicht ja für mindestens 3 Kleider.“, hauchte ich verlegen. Kai versank wieder in Gedanken. >Soll ich Sayuri auch Geld für ein Kleid geben? Vielleicht fühlt sie sich aber dann auch gekränkt wenn ich ihr Geld gebe.< Gedanklich war er in einer Zwickmühle.

Es war also Samstag Morgen, als Hilary vor unserer Tür stand. Freudig öffnete ich ihr die Tür. „Willst du mit frühstücken?“, bat ich sie herein. „Danke ich hab schon gefrühstückt. Aber gegen eine Tasse Kaffee hab ich trotzdem nichts.“, lachte Hilary, als sie mir in die Küche folgte. Kai war der einzige, der nicht da war. „Wo ist Kai?“, fragte Hilary. „Sayuri abholen!“, meine Stimmung wurde getrübt. „Ach ja, er wollte ja, das wir sie mitnehmen. Wie ist sie denn so?“, fragte das Mädchen. „Am Besten, du bildest dir selbst deine Meinung. Die Beiden müssten nämlich jeden Moment kommen.“, gerade als ich die Worte zu Ende gesprochen hatte, betrat Kai mit seiner Freundin die Küche. „Morgen.“; ging es erst einmal durch die Runde, dann verabschiedeten wir Mädels uns fürs Erste. Zu dritt schlenderten wir los Richtung Einkaufspassage. Während des ganzen Weges unterhielten Hilary und ich uns prächtig, nur Sayuri wollte nicht an unserem Gespräch teil haben.

Wir bummelten nun schon eine ganze Weile durch die Läden, aber was passendes hatten wir noch nicht gefunden. Da fiel Hilarys Blick auf ein Schaufenster. „Schau mal, Mia. Das ist das perfekte Kleid.“, hauchte sie und zog mich mit zu der großen Glasscheibe. Ihre Augen glänzten, als sie das Kleid weiter betrachtete. „Los rein, mal schauen wies dir so steht.“ Gesagt, getan und schon waren wir im Laden verschwunden, während Sayuri noch draußen stand. Unschlüssig folgte sie uns nach kurzem Zögern. Während Hilary auf die Verkäuferin ein quatschte, wegen des Kleides, sahen Sayuri und ich uns mal ein bisschen um. Da hatte Sayuri auch schon für sich das passende Kleid gefunden, welches sie sofort anprobierte. Es war dunkelgrau und hatte ein leicht helleres Karomuster. Der Rock schwang bei jeder Bewegung elegant um ihre Beine. „Meine Güte Sayuri, du siehst in dem Kleid aus wie eine kleine Prinzessin. Da werden Kai die Augen ausfallen.“, machte ich ihr ein Kompliment. Ein leichter Rotschimmer legte sich über ihr Gesicht. „Es ist wirklich ein schönes Kleid, aber leider liegt es außerhalb meiner Preisklasse.“, flüsterte sie und schaute beschämt weg. Es war das erste Mal, das sie mit mir gesprochen hatte und irgendwie mochte ich sie doch. Während Sayuri sich wieder aus ihrem Kleid schälte, hatte Hilary das erreicht, was sie wollte. Sie hatte das rosa Kleid mit den vielen Rüschen aus dem Schaufenster bekommen, war hinein geschlüpft und drehte sich nun vor dem Spiegel. „Da werden den Jungs die Augen ausfallen, wenn sie euch in den Kleidern sehen.“, lachte ich, als Sayuri wieder neben uns stand. Gerade wollte Kais Freundin ihr Kleid wieder an den Ständer hängen. „Warte mal Sayuri.“, rief ich ihr zu und lächelte sie Freundlich an. „Du nimmst das Kleid, keine Widerrede.“, sagte ich und drückte ihr ein paar der Geldschein in die Hand, die Tala mir gegeben hatte. Auch Hilary drückte ich Einige in die Hand. „Damit ihr euch auch noch Schuhe holen könnt.“, lachte ich und verschwand zwischen den ganzen Abendkleidern.

„Mia, kommst du endlich, wir wollen zahlen!“, rief Hilary schon ungeduldig. Seufzend ging ich zu den beiden Mädeln, die schon an der Kasse standen. „Hast du denn kein Kleid gefunden?“, fragte Sayuri verblüfft. Verneinend schüttelte ich den Kopf. „Das war aber das letzte Modegeschäft!“, rief Hilary entsetzt. „Nein, die Gasse hinter dem Buchladen, da gibt es noch einen Secondhandshop.“, flüsterte Sayuri. „Na dann.“, versuchte ich enthusiastisch zu klingen, hatte aber eigentlich schon die Hoffnung aufgegeben, als ich den Laden erblickte. Vollgestopft bis unter die Decke, mit Kleidern, Geräten, Büchern und was einem sonst noch so einfiel. „Kann ich den Damen behilflich sein?“, fragte eine richtig alte Frau. „Wir suchen ein Ballkleid.“, erklärte Sayuri. „Dann seit ihr hier aber verkehrt. Das große Modehaus an der Ecke hat schöne Ballkleider.“, sprach die runzlige, kleine Frau. „Da waren wir schon und haben nichts passendes für unsere Freundin gefunden.“, half Hilary nun mit. Dabei schoben die beiden mich ein Stück nach vorne. „Meine Güte!“; rief die Frau, schlug sich die Hand auf den Mund und verschwand durch eine Tür zwischen den Klamottenbergen. „Wahr wohl Fehlanzeige, Mädels.“, seufzte ich und drehte mich schon zum gehen um, als die Verkäuferin mit einem genauso alten Mann wieder kam. „Warte!“, rief der Mann und ich drehte mich langsam wieder zu den anderen um. Auch er starrte mich an, als hätte er soeben einen Geist gesehen. „Komm mit Mädchen, ich glaube, ich habe das richtige Kleid für dich.“, flüsterte er andächtig. Wortlos folgte ich ihm. Er führte mich in einen kleinen Raum hinter dem Tresen. Dort hing auf einer Schaufensterpuppe ein Kleid, welches wunderschön und zugleich unwirklich aussah. Mit Tränen in den Augen überreichte mir der alte Herr das Kleid. „Da hinten ist eine Umkleide, ich bitte dich, zieh es einmal an.“ Seinem Wunsch nachkommend, probierte ich das Kleid an, welches wundersamer Weise wie angegossen passte. Vor dem Spiegel in der Umkleide bestaunte ich mich. Das schwarze Kleid, welches Schulterfrei war, betonte meine weiblichen Rundungen. Am Dekollté waren Stoffrosen angenäht, welche im Licht fein glitzerten, so als ob Silberstaub auf ihnen lag. Das ganze Kleid glitzerte leicht. Der Rock schwang großzügig hin und her als ich mich bewegte. Schweren Herzens riss ich mich von meinem Spiegelbild los und trat aus der Umkleide. Vier Augenpaare starrten mich an. Vier Menschen hielten die Luft an. „Wow.“, war alles was Sayuri herausbrachte. „Das Kleid ist wunderschön. Aber ich schätze, das sie es nicht verkaufen werden, oder?“, fragte ich vorsichtig an. Die Frau schüttelte den Kopf. >War ja klar.<, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. „Danke, das ich es tragen durfte.“, flüsterte ich. „Bitte warte einen Moment.“, bat die Dame und fing an in Schubladen zu gruschteln. Triumphierend hielt sie ein Bild hoch. „Da ist sie ja.“, lachte sie, kam zu mir und reichte mir das Bild. Wie gebannt starrte ich das Foto an. „Aber das… das ist unmöglich“, flüsterte ich tonlos. Auf dem Bild war ein junges Mädchen, genau in dem Kleid, welches ich noch an hatte, abgelichtet. Sie spielte auf einer Violine aus schwarzem Holz. Allerdings hatte das Mädchen blonde Haare. „Das ist meine Tochter gewesen. Sie war eine begnadete Geigerin.“, erzählt die Verkäuferin. „Genau so eine…. eine Violine habe ich daheim….“, stotterte ich. Da lächelte die Dame. „Ich möchte dir das Kleid schenken, im Gegenzug würde ich mich freuen, wenn du uns auf unsere alten Tage noch was auf deiner Violine vorspielen würdest.“, machte der Verkäufer den Vorschlag. „Das würden sie für mich tun?“, fragte ich und war gerührt von so viel Freundlichkeit. Das Ehepaar nickte und lächelte mich freudig an, das ich ihnen spontan um den Hals fiel. Nachdem ich mich wieder aus dem Kleid geschält hatte, es vorsichtig in einem Karton verstaut wurde, überreichte mir die Frau noch ein kleines samtenes Kästchen. Ehrfürchtig öffnete ich es und darin lag eine Kette mit einem Schmetterlingsanhänger. „Das war der Glücksbringer unserer Tochter, möge er auch dir immer währendes Glück schenken.“ Höflich verneigte ich mich, dankte nochmals herzlich für das Kleid und auch die Kette, versprach noch in den nächsten Tagen vorbei zu kommen und den beiden etwas vorzuspielen und dann verabschiedeten wir uns.

Der Tag des Mitternachtsballes war gekommen. Während die Jungs es sich noch auf der Veranda gemütlich gemacht hatten, besetzten Sayuri, Hilary und ich schon seit Stunden das Bad. „Wie lang brauchen Mädchen eigentlich um sich fertig zu machen?“, fragte Tyson entrüstet. Aus dem Badezimmerfenster hallte das Radio und Mädchengekichere. Genervt verdrehten die Jungs die Augen. „Allein bräuchte vermutlich jede eine Stunde, aber zu Dritt brauchen sie mindestens fünf Stunden.“, lachte Kenny, der sich immer noch beharrlich weigerte, mit auf den Ball zu gehen. Er hätte ja noch „soviel Arbeit“ vor sich. Das Radio verstummte und die Jungs sahen erleichtert auf. „Sie werden doch wohl nicht schon fertig sein.“ unkte Ray. „Gott sei Dank haben wir uns vor den Mädchen zurecht gemacht. Sonst würden wir wahrscheinlich noch zu spät kommen.“, lachte Tala und ging ins Haus. Auch die anderen Jungs folgten ihm um uns Mädchen in Empfang zu nehmen. Zu aller erst kam Hilary die Treppe hinunter. Das Rosa betonte ihre gebräunte Haut noch um eine Nuance und ihre Haare fielen in sanften Wellen auf ihren Rücken. „Ah´s!“ ertönten und Gemurmel. Als Nächstes folgte Sayuri in ihrem dunkelgrauem Kleid. Zwei Haarsträhnen waren geflochten und am Hinterkopf zusammengebunden während die restlichen Haare offen unter den geflochtenen Zöpfen lagen. Sie wurde mit „Oh´s!“ und Getuschel in Empfang genommen. Mein Herz raste wild, als ich an den Treppenabsatz trat. Meine Hand glitt langsam am Geländer entlang während ich mir vorkam, als würde ich die Treppe hinunter schweben. Alle Augen waren auf mich gerichtet, aber absolut kein Mucks war zu hören. Schwer schluckte ich, da ich nicht wusste, ob es ihnen jetzt die Sprache verschlagen hatte, da ich bezaubernd oder hässlich aussah. Meine Haare waren zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, der sich in wilden Locken verlor. Zwei geglättete Strähnen umrahmten mein Gesicht und die Kette, die ich von dem netten Ehepaar geschenkt bekommen hatte, glitzerte mit dem Kleid um die Wette. Tala blinzelte mich ungläubig an. „Zwickt mich mal einer.“, hauchte Max, der auch sofort aufschrie, da Kai dieser Aufforderung nachgekommen war. Tala trat an die Treppe, reichte mir seinen Arm, in den ich mich einhakte und geleitete mich hinaus. „Du bist wunderschön.“, hauchte er mir ins Ohr. „Das verdank ich nur dir.“, flüsterte ich leise zurück und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Die BBA hatte bereits eine Limousine vorfahren lassen, die uns abholte.

Dann waren wir in dem Hotel, in dem der Ball stattfand. Am Eingang, wurden wir von Mr. Dickenson persönlich begrüßt. Bewundernd musterte er uns alle in der Abendgarderobe. „Es freut mich, das ihr so zahlreich meiner Einladung gefolgt seit.“ Dann öffnete er die große Flügeltür und wir traten in den Ballsaal ein. Einige Paare wirbelten schon auf der Tanzfläche, andere saßen an Tischgrüppchen zusammen. „RAY!“, ertönte es und eine elegante Mariah tänzelte auf unsere Gruppe zu. Max erblickte jemand anderen und entschuldigte sich und verschwand in der Menge. „Wollen wir uns erst einmal was zu trinken holen?“, fragte Tyson und zustimmend folgten wir ihm an eine Bar. Der Barkeeper stellte bereits Sektgläser auf den Tresen, als wir uns ihm näherten. Tala reichte mir ein Glas und stieß mit mir an. „Auf einen wunderschönen Abend mit einer wundervollen Begleitung.“, flötete ich und er stimmte mir nur zu. Kai sah alles andere als glücklich aus. Wahrscheinlich wünschte er sich einfach nur wieder nach Hause, wo er seine Ruhe hatte. Während ich auch mit den anderen auf einen schönen Abend anstieß, beobachtete ich, wie Sayuri vergeblich versuchte, Kai zum tanzen aufzufordern. >Die Arme.< dachte ich, als Tala mir den Arm bot und mich zur Tanzfläche führte. Mehrere Paare machten uns den Weg frei, blickten neidisch hinter uns her. Vorsichtig legte er mir seine Hand auf den Rücken, griff mit seiner freien Hand nach meiner und führte mich im Takt der ruhigen Musik über den Boden. „Du bist eine Schönheit in den Augen der Nacht, wie ein verwunschenes Sternenkind.“, hauchte er mir ins Ohr und wirbelte weiter mit mir zwischen den anderen Paaren hindurch. Verlegen blickte ich ihm in die Augen und dann streifte ich ganz sacht seine Lippen mit meinen.

Als ich mich umblickte, sah ich Ray mit Mariah tanzen, Tyson und Hilary saßen an der Bar und stießen an. Sayuri saß bei Kai an einem der kleinen Tischchen und wirkte betrübt. Auch Kai sah verdrießlich aus. „Können wir kurz etwas trinken?“, fragte ich und klimperte Tala an. Mit einem Lächeln geleitete er mich an den Tisch, an dem Sayuri und Kai saßen. „Na ihr beiden. Warum tanzt ihr denn nicht?“, fragte ich etwas außer Puste. „Keine Lust.“, nuschelte Kai in seinen nicht vorhandenen Bart. „Ach komm schon, wenigstens einen Tanz musst du deiner Freundin schenken.“, lächelte ich ihn an und boxte kameradschaftlich in seine Schulter. Unverständliches Gebrumme doch dann erhob sich Kai seufzend, reichte Sayuri die Hand und führte sie auf die halbvolle Tanzfläche. Strahlend sah mich Sayuri an, während sie mit Kai ein Lied nach dem Anderem durch tanzte. Tala kam mit zwei Gläsern Schampus wieder an den Tisch. „Wo hast du denn Kai und seine Freundin gelassen?“, fragte er und sah sich um. Mit einem gewinnendem Lächeln zeigte ich auf die Tanzfläche, wo Sayuri gerade in Kais Armen lag. „Die beiden sind ein süßes Paar.“, flüsterte ich und wischte mir verstohlen eine Träne weg. „Wir zwei sind aber mindestens genauso süß.“, drang Talas Stimme an mein Ohr. Lächelnd drehte ich mich zu ihm um und wurde von seinen Lippen in Empfang genommen. In diesem Moment war ich der glücklichste Mensch auf der ganzen weiten Welt. Der Abend schritt schnell voran und langsam leerte sich der Ballsaal.

Wenn die Zeit stehen bleibt

Der DJ kündigte gerade das letzte Lied des Balles an. „Das letzte Lied heute Nacht heißt: Totale Finsternis. Viel Spaß beim letzten Tanz und eine Gute Nacht.“, damit verabschiedete er sich auch schon. Tala schwebte mit mir über die Tanzfläche und ich genoss diesen Augenblick in vollen Zügen. „Das war einer der schönsten Abende in meinem Leben.“, flüsterte ich, als mein Kopf auf Talas Brust ruhte. Vorsichtig hob er mein Kinn an und seine Lippen pressten sich auf die Meinen. Es war der perfekte Kuss, der perfekte Moment, der perfekte Mann an meiner Seite. Kai lächelte mir zu, als sich unsere Blicke kreuzten, auch er schien überglücklich zu sein, auch wenn sein Abend vielleicht nicht so schön angefangen hatte. Sayuri kuschelte auch an seiner Brust, müde und glücklich. Das Lied verklang und es war Zeit aufzubrechen. Tyson trug Hilary zu der Limousine, die uns wieder nach Hause bringen sollte, sie schlief in seinen Armen tief und fest. Ray war schon vor ein paar Stunden mit Mariah heimgefahren und Max war von Anfang an verschollen geblieben. Tala half mir beim Einsteigen, setzte sich neben mich und hielt die ganze Zeit über meine Hand. Auch Kai und Sayuri waren glücklich aneinander gekuschelt. Tyson hingegen hatte keine so vergnügliche Fahrt, auf seinem Schoß saß Hilary, die an ihn geschmiegt schlief.

Der Wagen riss plötzlich herum, Metall kreischte und Glas splitterte. Kai und Sayuri wurden von ihren Sitzen geschleudert, Hilary war kreischend aufgewacht. Es war, als ob die Welt den Atem angehalten hatte. Der Wagen rutschte immer noch über die Straße, dann blieb er stehen. Vorsichtig rappelte Kai sich auf, wollte zu Sayuri, die am Boden lag, doch als er sich auch nur ein Stück weit vorwärts bewegte, fing die Limousine an zu kippen. „Bleibt alle da, wo ihr seit. Wir hängen über einer Klippe.“, rief Tala, der mich schützend im Arm hielt. „Wir können aber nicht ewig hier so hängen bleiben?!“, rief Kai aufgebracht und sah immer wieder besorgt zu Sayuri hinüber, die sich immer noch nicht regte. „Sayuri, Sayuri kannst du mich hören?“, fragte er besorgt, und versuchte sie an der Hand zu fassen. „Mir wird’s hier jetzt echt zu blöd!“, brüllte Tyson, schob Hilary von seinem Schoß und sprang auf. Der Boden schwankte auf die eine Seite des Abgrundes und dann wieder auf die Straße, immer wieder wippte das Auto hin und her. „Setzt dich wieder hin!“, schrie ich panisch auf. Doch da war es auch schon zu spät. Das Auto neigte sich nun ganz über den Abgrund und rutschte den Berg hinab. Schreie drangen aus unseren Kehlen, während sich das Auto überschlug, noch mehr Glas splitterte und wir alle durcheinander geworfen wurden. Tala hatte mich fest an seine Brust gedrückt, die Arme schützend um mich gelegt, damit mir nichts passierte. Irgendetwas schlug mir gegen die Rippen, das es verdächtig knackte. Dann blieb das Auto auf dem Dach liegen. „Alles okay bei euch?“, fragte Tala in die Runde. „Glaub schon.“, murmelte Tyson unter Hilary hervor. „Bin weich gelandet“, sprach Hilary und krabbelte von Tyson herunter. „Sayuri ist ohne Bewusstsein, hat aber nur kleiner Wunden, ich bin unverletzte. Wie sieht´s bei euch aus?“, fragte Kai. „Kleinere Prellungen aber soweit dürfte alles okay sein.“, nuschelte ich zwischen Talas Armen hervor. „Wir müssen hier raus.“, gab Kai Anweisungen und wir quälten uns durch eine der zerbrochenen Fenster hindurch, da die Türen sich nicht mehr öffnen ließen, so verbeult wie sie waren. Kai hatte die restlichen Glassplitter entfernt und half, erst uns Mädchen hinaus zu bringen. Hilary und ich krochen als erstes hinaus um dann Sayuri hinaus zu hieven. Danach kam dann Tyson, der sich der bewusstlosen Sayuri annahm. Kai kroch als nächstes aus dem Fenster und reichte Tala die Hand. „Komm schon Alter.“, rief er ins Auto hinein. „Lauf Kai, das Benzin ist ausgelaufen es geht gleich in die Luft!“, rief Tala von drinnen. „Dann komm schon!“, Kai war aufgebracht. „Ich kann nicht, mein Bein ist eingeklemmt. Bring alle in Sicherheit, bevor das Auto in die Luft geht und sag Mia, das ich sie geliebt habe.“, war alles was Kai noch hörte, bevor er von dem Auto zurück wich. „Wo ist Tala?!“ rief ich verzweifelt, als Kai zu uns kam. „Er klemmt fest….“, flüsterte Kai und wandte den Blick ab. Er wollte den Schmerz nicht in meinen Augen sehen. „TALA!“; rief ich und wollte zum Auto springen, doch Kai hielt mich am Arm fest und zog mich an seine Brust. Gerade als meine Sicht von Kais Schal verdeckt wurde, gab es einen großen Knall und eine Druckwelle schleuderte uns ein Stück weit zurück. „Tala?“, keuchte ich lautlos und hatte die Hand zu dem brennenden Autofrack ausgestreckt. „Mia?“, drang die besorgte Stimme Hilarys an mein Ohr. Mit leerem Blick sah ich sie an, bevor ich mich apathisch zu dem Autofrack wandte. Schwankend lief ich auf das Feuer zu. „Tala.“, hauchte ich immer wieder tonlos. Wiedereinmal zog mich Kai an seine Brust. Drückte meinen Kopf in seinen Schal und strich mir sanft über den Rücken. „Tala hatte dich geliebt, Mia, er würde deshalb nicht wollen, das du seine verbrannte Leiche siehst.“, sprach er leise und strich mir weiter sanft über den Rücken, während er mich fort führte. Tyson, der Sayuri trug und Hilary folgten Kai. Von irgendwoher drangen die Sirenen der Feuerwehr und des Notarztes an mein Ohr. Wir mühten uns einen Berg hinauf, in dessen Gebüsch eine Schneise geschlagen war, die von unserer Limousine stammte. Scheinwerfer schwenkten über uns hin weg, dann heftete sich der Lichtkegel auf unsere Gruppe. Seile wurden heruntergelassen und Feuerwehrmänner ließen sich zu uns herab, um mit uns im Schlepptau wieder hinauf zu kriechen. Oben legte mir ein Sanitäter eine Decke um die Schultern, zog eine Spritze auf und setzte sie mir. Ein Polizist befragte soeben meine Freunde, während Sayuri im Krankenwagen behandelt wurde. „ … Wurden gerammt und dann ist das Auto den Abhang hinunter … Ein Freund von uns kam ums Leben … Hat es nicht mehr aus dem Auto geschafft … Explosion.“, erzählte Hilary. Sofort wurden einige Feuerwehrmänner zum Autofrack hinunter geschickt um die Leiche zu bergen. Erschöpft schloss ich die Augen und lehnte meinen Kopf an die Seite des Krankenwagens.

// „Mia. Mia du musst aufwachen.“, sprach eine sehr bekannt Stimme zu mir. „T..Tala?“, verwirrt blickte ich mich um. Da stand er im Nebel und lächelte mich an. Schüchtern trat ich einen Schritt auf ihn zu. „Nicht Mia. Du darfst nicht hier her kommen!“, warnte er mich eindringlich. „Aber… warum denn nicht?“, enttäuscht sah ich zu, wie Tala sich einen Schritt von mir entfernte. „Du bist noch nicht bereit.“, seine Stimme wurde traurig. „Wofür bin ich nicht bereit?“, meine Augen füllten sich mit Tränen. „Nicht weinen Mia, Tränen stehen dir nicht.“, lächelte Tala mich an, trat auf mich zu und strich mir sacht über die Wange. Kurz schloss ich die Augen und genoss die sachte Berührung. „Seh ich dich wieder?“, meine Stimme zitterte leicht. „Ich werde auf dich warten, aber jetzt musst du zu den anderen zurück, aber vergiss niemals, das ich immer bei dir bin. Immer!“, der Nebel wurde immer dichter, bis ich Tala nicht mehr sehen und hören konnte. „Tala, bitte geh nicht!“, flehte ich die weiße Brühe vor meinen Augen an, erhielt aber keine Antwort mehr. „Tala!“, verzweifelt rief ich nach ihm und irrte orientierungslos durch die Schwaden.//

„Mia! Mia wach auf!“, unsanft wurde ich an den Schultern gerüttelt. Ein zwei Mal blinzelte ich und starrte in das entsetzte Gesicht Rays. „Es war nur ein Traum, hörst du.“, sprach er leise und musterte mich kritisch. „Ich mach dir erst einmal einen Tee und du versuchst dich zu beruhigen.“ aufmunternd lächelte der Chinese mich an. „Rufst du bitte Tala an und sagst ihm, dass ich heute nicht komme.“, bat ich ihn noch, als er gerade aus dem Zimmer ging. Seine Augen wirkten traurig doch er nickte. „Danke Ray.“, hauchte ich ihm hinterher und ließ mich erschöpft in die Kissen meines Bettes zurück sinken.

Zur gleichen Zeit unten in der Küche:

Max und Kenny saßen am Küchentisch und versuchten das Gehörte zu verdauen. „Also ist Tala….“, Kenny konnte es einfach nicht aussprechen. „Ja.“, antwortete Hilary monoton. „Mir tut Mia so leid, immerhin waren die beiden ja fast zusammen.“, betrübt schaute Max in seinen Teebecher. Tyson saß schweigsam auf seinem Platz und stocherte lustlos in seinem Teller herum. Da trat Ray in die Küche. „Wie geht es ihr?“, fragten die vier wie aus einem Mund. Der Chinese schüttelte den Kopf. „Sie hat mich gebeten, Tala anzurufen.“, erzählte er, als er das Wasser für den Tee aufsetzte. „Und sie hatte wieder einen Alptraum.“, fügte er hinzu, während er den Wasserkocher anstarrte. „Ist Kai immer noch im Krankenhaus?“, fragte er um die betrübte Stille zu brechen. „Ja, Sayuri liegt immer noch im Koma.“, informierte ihn Hilary. Das Pfeifen des Wasserkochers durchbrach die Stille. Langsam nahm Ray den Kocher und goss das heiße Wasser über den Teebeutel. Das Aroma von Vanille und Waldfrüchten verbreitete sich in der Küche. Die Haustür knallte, als sie ins Schloss geworfen wurde. Schlurfende, schwere Schritte hallten durch den Flur und dann stand Tysons Opa in der Tür. „Gute und schlechte Nachrichten.“, sagte er müde. „Was sind denn die schlechten Nachrichten?“, wollte Hilary wissen. „Sayuris Zustand hat sich drastisch verschlimmert. Innere Verletzungen.“ „Und die Guten, Opa?“, fragte Tyson. „Der Typ, der euren Unfall verursacht hat, wurde geschnappt.“ „Das sind wirklich mal gute Nachrichten.“, raunte Max. „Ach ja, Morgen ist die Beerdigung von Tala.“ mit diesen Worten schlurfte der alte Mann nach draußen um sich wie immer seinen Bonsai-Bäumchen zu widmen. „Am Besten, ich werde hoch zu Mia gehen und mit ihr reden.“, sprach Hilary und nahm den Tee von der Anrichte.

Sacht klopfte es an meine Zimmertür. „Herein.“, bat ich und setzte mich ein wenig im Bett auf. Hilarys Kopf schob sich durch den Spalt, dann betrat sie ganz den Raum. „Hey.“, lächelte sie mich zaghaft an. „Wie fühlst du dich?“, ihr Lächeln war nur gespielt, das sah ich in ihren Augen, denn diese wirkten traurig. „Ich hab das Gefühl, als ob ich irgendwas vergessen hätte.“, gestand ich kleinlaut. Hilary reichte mir den Tee und legte mitfühlend eine Hand auf meine Schulter, als sie sich auf meine Bettkante gesetzt hat. „Mia, du musst jetzt ganz stark sein.“, begann sie und sah mir in die Augen. Tief atmete Hilary nun ein. „Erinnerst du dich noch an den Ball der BBA?“, fragte sie. Zaghaft nickte ich und wusste nicht, was sie mit dieser Frage bezwecken wollte. Doch dann begann sie zu erzählen. „Wir waren auf der Heimfahrt, als ein anderes Auto unsere Limo rammte. Wir stürzten einen Abhang hinab. Das war vor drei Tagen.“, kurz sah sie mich an, aus Angst das ich gleich zusammenbrechen würde. Meine Schläfen pochten schmerzhaft und dann sah ich die Bilder vor meinem geistigen Auge. „Tala war noch im Auto, aber wir konnten ihn nicht mehr retten.“, flüsterte ich tonlos und unterdrückte ein Schluchzen. Hilary nahm mich in den Arm. Sie wusste, sie musste nichts mehr sagen, ich wusste wieder alles. „Sayuri liegt immer noch im Krankenhaus, ihr Zustand hat sich verschlechtert. Außerdem ist morgen Talas Beerdigung. Ansonsten sind alle mit kleinen Wunden und Prellungen davon gekommen.“ brachte sie mich auf den neusten Stand. „Armer Kai.“, murmelte ich an Hilarys Schulter. Diese hielt mich daraufhin eine Armlänge von sich weg. Sah mich an, als wäre ich verrückt geworden und dann fing sie an zu weinen. Genau in diesem Moment blieb für mich die Zeit stehen. Beruhigend strich ich ihr über den Rücken. „Es klingt makaber, aber das Leben geht weiter Hilary.“ raunte ich mit erstickter Stimme. „Kai braucht jetzt unseren Beistand. Für ihn ist es bestimmt nicht leicht.“, murmelte ich vor mich hin, dann befreite ich mich aus Hilarys Umklammerung. „Ist Kai da?“, fragte ich sie. Doch sie schüttelte nur verneinend den Kopf. „Im Krankenhaus bei Sayuri.“, hauchte sie und wischte sich die Tränen weg. Da fiel die Haustür zum zweiten Mal lautstark ins Schloss und jemand polterte die Treppe herauf. „Er ist wieder da.“, sprachen wir es beide gleichzeitig leise aus. „Am besten ich seh mal nach ihm.“, sprach ich und ging zur Tür gegenüber. „Kai, darf ich reinkommen?“, fragte ich. Da wurde die Tür geöffnet. „Was willst du?“; brummte er mich an, lies mich aber in sein Zimmer. „Ich wollte nicht, das du alleine bist.“, sprach ich und trat an Kais Fenster. Verwirrt blickte er auf meinen Rücken. „Es ist doch egal, ob ich alleine bin oder nicht.“, zischte er mich kalt an. Langsam drehte ich mich um. „Nein, ist es nicht. Ich bin jetzt für dich da, so wie du für mich da warst, als die Limousine explodierte.“, meine Stimme war ruhig und strahlte Geborgenheit aus, als ich im die Worte sagte. Erschrocken sah er mich an. „Ja, ich hab es anfangs verdrängt, es für einen Alptraum gehalten, aber es bringt nichts, es zu verleugnen. Tala wird immer bei mir sein, in der Musik und in meinem Herzen.“, entschlossen blickte ich in Kais Augen. Beschämt schlug dieser Seine gen Boden. „Du bist nicht allein mit deinem Schmerz.“, sagte ich und streckte ihm die Hand hin. Vorsichtig blinzelte Kai zu mir, dann ergriff er auch meine Hand. „Danke, Mia.“, flüsterte er leise und ich nahm ihn in den Arm. „Du kannst jeder Zeit zu mir kommen, wenn du reden willst, oder nur Gesellschaft brauchst.“, bot ich ihm an. „Meine Zimmertür ist nicht zu verfehlen, sie ist gleich gegenüber.“ Dies Worte zauberten ein kurzes Lächeln auf Kais Gesichtszüge. „Das Gleiche gilt aber auch für dich.“, hauchte er mir ins Ohr, da wir uns immer noch umarmten. „Kai?“, fragte ich nach langer Zeit leise. „Hm.“, brummte er nur. „Ach … vergiss es.“, überlegte ich es mir nun doch anders. „Was wolltest du denn wissen?“, hakte er nun neugierig geworden nach. „Nich so wichtig.“; murmelte ich und wandte mich aus der Umarmung, woraufhin Kai mein Gesicht mit beiden Händen festhielt und mir in die Augen sah. „Sag es mir!“; forderte er mich auf. „Es… na ja… du wirst mich für verrückt halten…“, stotterte ich daraufhin los. „Sag es mir, bitte!“, forderte er mich nun auf und ich sah in seine rubinroten Augen. „Dürfte ich heute Nacht, eventuell bei dir schlafen?“; fragte ich und lief puterrot an. „War das jetzt so schwer zu fragen?“, stellte er die Gegenfrage ganz sanft und ich nickte nur heftig. Ein leises Lachen entrann seiner Kehle. „Natürlich darfst du hier übernachten.“, flüstere er leise und küsste mich auf die Stirn. Mein Herz begann bei dieser kleinen Geste zu rasen und ich schämte mich dafür.

Gemeinsam gingen wir hinunter zu den anderen. Die schweigend im Wohnzimmer saßen. „Ein bisschen Ablenkung wird euch gut tun.“, äußerte ich mich. „Ein Beyblade Kampf wäre jetzt wirklich das Richtige.“, äußerten sich die Jungs und so machten sich alle hinaus in den Garten. Doch als sie die Blades in den Startern hatten, schauten Tyson, Max und Ray traurig ins Leere. „Macht nicht so ein Gesicht. Jedes Mal, wenn wir bladen, wird Tala bei uns sein.“, rief Kai und startete seinen Blade. >Die Runde ist für dich, alter Freund.<, gedachte Kai an seinen russischen Kameraden. Auch die anderen starteten ihre Blades und langsam kamen die Lebensgeister meiner Freunde wieder zurück. So bladeten die Jungs noch den ganzen restlichen Tag.

Abends lag ich bei Kai im Bett und starrte ins Dunkel. „Kannst du nicht schlafen?“, fragte er leise von der anderen Seite des Bettes. „Nicht wirklich.“, gestand ich kleinlaut und drehte mein Gesicht zu Kai. Leise fing er an zu summen. Es war nur eine kleine Melodie die aus vier Tönen bestand, aber dennoch war sie wunderschön. „Was ist das für eine Melodie?“, fragte ich und gähnte herzhaft. „So singen Phönix und Wolf, wenn sie traurig sind.“, flüsterte er, als er die Melodie für einen kurzen Moment unterbrach. „Talas BitBeast war ein Wolf, oder?“, fragte ich leise und war schon im Land der Träume, bevor ich Kais „Ja.“ noch mitbekam. Kai lag keine zehn Minuten länger wach, als auch ihn der Schlaf übermannte.

Talas Beerdigung

Es war kurz vor Knapp. „Tyson, jetzt beeil dich, sonst kommen wir zu spät auf den Friedhof!“, brüllte Hilary durchs ganze Haus. Sie hatte sich für eine schwarze Hose und eine schwarze Bluse entschieden. Während ich in einem schwarzen Leinenkleid trug und meinen Violinenkoffer in der Hand hielt. Die Jungs trugen alle dunkle Hosen und Hemden, was Kai besonders gut stand. Endlich kam auch Tyson, zwischen seinen Zähnen hielt er ein Sandwich fest, während er sein Hemd zuknöpfte. „Tschuldigung.“, murmelte er, als er an uns vorbei in das wartende Taxi stieg. Dann brausten wir auch schon los.

Von der Beisetzung bekam ich nicht viel mit. Die Worte der Predigers gingen zum einem Ohr hinein, zum Anderem wieder hinaus, ohne das der Sinn dahinter, in meinem Kopf registriert wurde. Kai drückte sanft meine Schulter, als wir ans Grab gingen. Die Urne wurde hinab gelassen in die Erde. Kai hatte mit dem Prediger gesprochen und trat zu mir. „Es ist nur die Hälfte seiner Asche. Die andere Hälfte wird genau jetzt in Moskau, in seiner Heimat, begraben.“, stumm nickte ich. Als der Großteil der Trauergäste gegangen war, trat ich vor das Grab mit dem vielen Blumenschmuck. Zögernd holte ich meine Violine aus ihrem Koffer und setzte den Bogen an. Traurig klang das Lied über den Friedhof und einige drehten sich zu mir um. Das Blätterdach des Baumes, der neben dem Grab stand, lies vereinzelte Sonnenstahlen hindurch. Eine leichte, warme Brise wehte durch mein Haar und für einen Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, Tala würde neben seinem Grab stehen und mir zuwinken. Traurig lächelte ich und spielte nur für ihn. „Ich werd dich nie vergessen, Tala, und jedes Mal, wenn ich dich besuchen komme, spiel ich dir was vor.“, flüsterte ich, bevor ich mich zum gehen wendete. Kai wartete etwas abseits auf mich, reichte mir den Arm und wir gingen nach Hause. Beide summten wir die Melodie, mit der Kai mich ins Land der Träume geschickt hatte.

Zeiten ändern dich

Jeden Tag machte sich Kai auf den Weg ins Krankenhaus, saß im Wartebereich vor der Intensivstation. Jeden Tag kam er betrübt nach Hause und jeden Tag sprachen Kai und ich bis lang in die Nacht hinein. „Was, wenn Sayuri nicht mehr aufwacht?“, fragte er mich, in dieser heutigen Nacht, hilflos, als wir auf seinem Balkon standen. Tröstend legte ich meinen Arm um seine Schultern. „Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben. Du liebst sie doch, oder?“, sprach ich tröstend und blickte wieder hinauf in den Sternenhimmel. Kai brauchte mir nicht zu antworten, ich wusste wie er empfand. Ein kalter Wind fegte durch mein Haar. „Und was ist mit dir Mia?“, durchbrach er plötzlich die Stille. „W..Was soll den mit mir sein?“, fragte ich verwirrt und sah ihn an. „Seit Talas Beerdigung hast du kein einziges Mal mehr auf der Violine gespielt.“, sein Blick war durchdringend. „Davor hab ich hier auch nur selten gespielt.“, sprach ich und starrte wieder in den Nachthimmel. „Früher warst du nicht so verschlossen.“, merkte er leise an. „Da hab ich auch noch nicht meine erste Liebe verloren!“; zischte ich ihn an und stapfte wütend zurück in meine Zimmer. Seufzend sah Kai mir hinterher. Er warf einen letzten Blick hoch zu den Sternen, dann ging auch er ins Bett. Seine Gedanken kreisten um mich, ich wirkte so hilflos, das ich mich ganz in ein Schneckenhaus zurück gezogen hat, was seinem ganz ähnlich war. Auch er hatte um sich herum einen Schutzwall aufgebaut, der ihn kalt und unnahbar scheinen lies.

Am nächsten Morgen ging Kai, wie eben jeden Tag, ins Krankenhaus. Wieder saß er im Wartebereich vor der Intensivstation, da er als Nicht-Angehöriger auch nicht zu Sayuri hinein durfte. Ganz in Gedanken versunken, bemerkte er nicht, wie sich ein noch relativ junges Ehepaar zu ihm setzte. „Kai?“, sprach die Frau leise und legte ihm ihre Hand auf den Arm. Erschrocken blickte der Junge auf. „Tamara? Kyota?“ erkannte er die Beiden. Die beiden Erwachsenen sahen sich an. „Kai, es tut uns leid.“, fing Kyota an zu sprechen. Entsetzt blickte Kai in das Gesicht des Mannes. „Wir werden Sayuri nach Amerika verlegen lassen. Kyota hat dort eine bessere Anstellung bekommen und wir würden unsere Tochter gerne bei uns haben.“, sprach nun Tamara. Automatisch nickte Kai, auch wenn alles in ihm danach schrie, Sayuri nicht herzugeben. „Ich verstehe!“, sprach er und die Kühle seiner Stimme war schneidend. Ohne ein weiteres Wort stand er auf und verließ das Krankenhaus. Auf der Straße fing er an zu rennen. Wohin wusste er nicht, einfach nur fort. Fort von dem Schmerz, der plötzlich sein Herz ergriffen hatte. >Tick, Tick, Tick.< machte es in seinem Kopf und dann war plötzlich Stille. Ruckartig blieb er stehen und sah die Menschen um sich herum. Betrachtete ihr buntes Treiben. Er sah das kleine Mädchen, das weinte, weil es hingefallen war. Vor nicht ganz zwei Minuten hätte er noch genervt die Augen verdreht, doch diesmal spürte er nur eine Leere. Kein Mitleid, keine Verachtung, absolut gar nichts. >Fühlt Mia die selber Leere?<, fragte er sich. Dann steckte er die Hand in die Hosentasche und holte sein Blade heraus. „Fühlst du dich auch manchmal leer, Dranzer?“, fragte er sein BitBeast leise, erhielt aber keine Antwort. Langsam zog es ihn heimwärts ins Dojo, zu seinen Freunden.

Eine bleierne Müdigkeit lag auf Kai, als er die Haustür aufschloss. „Bist du es Kai?“, fragte eine verstört wirkende Hilary. „Wer denn sonst?“, antwortete er genervt und wollte gerade die Treppe hinauf, als Hilary aus dem Wohnzimmer trat. „Hast du Mia heut schon gesehen?“; fragte sie und Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit. Stumm schüttelte der Halbrusse den Kopf, was Hilary ein Schluchzen entlockte. „Warum?“, fragte er desinteressiert. „Bis jetzt hat sie noch keiner gesehen und ihr Violinenkoffer ist auch nicht da.“; brachte Hilary nur noch heraus, bevor sie in Tränen ausbrach. Er wusste, er sollte sich jetzt Sorgen um mich machen, Hilary trösten indem er sagte, das er mich suchen würde, aber sein Inneres sagte ihm nur: >Ist doch egal!< „KAI, JETZT TU DOCH WAS?“, brüllte ihn Hilary hysterisch an. Es war, als hätte sie einen Schalter in seinem Kopf umgelegt. Wortlos stürzte er an der nun verblüfft dreinschauenden Hilary vorbei und rannte Richtung Friedhof. Es war nur eine Intuition, aber er behielt Recht. Dort saß ich unter dem Baum, auf einer aus dem Boden ragenden Wurzel, neben Talas Grab und spielte auf meiner Violine. Ich trug das schwarze Kleid, welches ich auf dem Ball getragen hatte. Als er näher kam, zuckte ich zusammen. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“, äußerte er leise. „Ich wollte sowieso gerade gehen.“, murmelte ich und verstaute die Violine wieder sicher in ihrem Koffer. „Was hast du heut so alles gemacht?“, fragte Kai. „Dies und das.“, gab ich ihm zur Antwort. „Und das wäre?“, hakte er nach. „Ich hatte einem älterem Ehepaar versprochen, das ich ihnen auf der Violine vorspiele, was ich heute getan habe und ich war hier bei Tala.“, gab ich ihm gütiger weiße Auskunft. Dann gingen wir ein Stück schweigend, bevor Kai die Stille durchbrach. „Wie fühlst du dich?“ Kurz warf ich ihm einen Seitenblick zu. „Gut.“, meinte ich sachlich. „Nein, ich fühle mich beschissen und allein.“, sagte ich, als Kai mich mit zweifelndem Blick betrachtete. „In einem Liedtext heißt es: `Mein Schmerz der bleibt, es blutet mir das Herz, mein Schmerz der bleibt, meine Seele die erfriert. Ich werd es nie verstehen. Weißt du denn was sterben heißt? Komm ich zeig es dir. Weißt du denn was Leiden heißt? Komm und folge mir. Kennst du denn die Schande nicht? Weißt du wie es ist, wenn man ohne einen Abschied einfach fortgegangen ist?´“, sprach ich und Kai fühlte sich wieder leer. Ja, er wusste, was es heißt zu leiden, er erlebte es gerade am eigenen Körper. „Dir scheint es aber auch nicht sonderlich gut zu gehen.“, bemerkte ich. „Sayuri wird nach Amerika verlegt, weil ihr Dad dort eine bessere Stelle bekommen hat.“, flüsterte er. Kurz nahm ich seine Hand, drückte sie und lies sie dann wieder los. Dankbar lächelte Kai, auch wenn das Lächeln seine Augen nicht erreichte, sie blieben traurig, aber er wusste, er war nicht allein.

Im Dojo herrschte reges Treiben, als wir zurück kamen. „Mia!“, rief Hilary und Freudentränen liefen ihr übers Gesicht. „Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht, als du heute spurlos verschwunden warst.“, rügte sie mich. Nuschelnd erzählte ich ihr, das ich bei dem Ehepaar des Secondhandshops war und am Friedhof. „Dann hast du bestimmt noch nichts im Magen.“, schmunzelte Ray und schob mich in die Küche, wo bereits fürs Essen gedeckt war. „Eigentlich hab ich keinen Hunger.“, sagte ich, doch da knurrte mein Magen und strafte meine Lüge. Beschämt setzte ich mich an den Küchentisch und lies mir von Ray den Teller füllen. Nachdem dann alle zu Essen und sich am Tisch niedergelassen hatten, berichteten Tyson und Max abwechselnd von den neusten Neuigkeiten. „Mr. Dickenson war vorhin hier.“, fing Max an. „Er hat etwas von einer neuen Beyblade-Weltmeisterschaft gesagt.“, übernahm nun Tyson, während sich Max eine Gabel voll Essen in den Mund schob. „In swei Monaden.“, mampfte er mit vollem Mund. „JUNGS!“; rief Hilary und sah beide mit tödlichem Blick an. „Aba Hilaly!“, beschwerten sich beide und verteilten das halb zerkaute Essen auf dem Tisch was ihnen noch einen Todesblick einbrachte. Beschämt schwiegen beide und aßen auf, bevor sie die gute Neuigkeit noch einmal, diesmal sehr verständlich, vorbrachten. „Dann werden wir ab jetzt wieder streng trainieren.“, gab Kai die Anweisung, als Team-Chef.

Es war der erste Tag, nach Talas Beerdigung, an dem ich wieder zur Schule ging. Die Lehrer hatten Verständnis, wenn ich im Unterricht nicht ganz da war. Kai und Ray hatten das selbe Privileg. Dennoch lenkten die Stunden vom Schmerz ab, weshalb ich mir Mühe gab, aufzupassen. Dann kam die Mittagspause. An dem großen Tisch saßen schon meine Freunde aus dem Musikkurs und unterhielten sich aufgeregt. Ray und Kai hatten sich schon gesetzt, während ich noch dastand. Zwei Stühle waren noch frei. Der eine hatte Tala gehört. Tränen stiegen mir in die Augen und schluchzend rannte ich weg. „Mia?!“, riefen Ray, Yuki und Sean wie aus einem Mund, aber ich wollte nur noch weg. „Lasst sie, sie ist noch nicht drüber hinweg.“, flüsterte Kai und stand schon auf. Gerade noch sah er, wie ich die Cafeteria durch den Hinterausgang verließ, so machte er sich auf den Weg, mich zu trösten. Er wusste auch schon genau wie. Draußen fand er mich schließlich am Zaun kniend, die Finger im Maschendraht verschränkt und weinend. Wortlos setzte er sich mit dem Rücken an den Zaun gelehnt neben mich, zog mich vorsichtig an sich und strich mir sanft übers Haar. „Schon gut.“, flüsterte er mir zaghaft ins Ohr. Die Tränen rannen unaufhaltsam über meine Wangen und ich vergrub mein Gesicht an Kais Brust. „Warum bist du hier?“, fragte ich ihn mit erschöpfter Stimme. „Weil wie beide gerade das gleiche durchmachen. Außerdem mag ich dich.“, gestand er mir. Gleich darauf griff er in seine Hosentasche und holte sein Blade hervor. „Wenns mir schlecht geht, dann hol ich immer Dranzer heraus. Es tut gut, seine starke Gestalt zu sehen, wenn ich mich selber hilflos fühle.“, erzählte er, dann griff er nochmals in seine Hosentasche und holte einen weiteren Blade hervor. „Einer der Feuerwehrmänner, die unten am Autofrack waren, haben mir das gegeben. Es ist Talas Blade und ich bin mir sicher, das er gewollt hätte, das du ihn bekommst.“, mit diesen Worten drückte er mir das Blade in die Hand. Einige Teile waren verformt, durch die Hitze, die in dem Feuer geherrscht haben muss. „Wolborg, heißt sein BitBeast.“, sprach Kai. Fast schon zärtlich strich ich über das geschmolzene Plastik und einzelne Metallteile. „Kann man ihn wieder herrichten?“; fragte ich zweifelnd. „Kenny kann alles.“, lachte Kai.

Wir, das heißt Kai und ich, hatten die letzten Schulstunden geschwänzt und waren gleich im Anschluss an die Mittagspause heim gefahren. Ray wollte seinen Kochkurs nicht schwänzen. Tyson und die anderen waren auch schon daheim, als wir kamen. „Kenny?“, fragte ich vorsichtig. „Was kann ich für dich tun, Mia?“, fragte er ohne von Dizzy aufzusehen. „Kai sagte, du kannst Blades zusammenbauen.“, fing ich langsam an. „Willst du jetzt auch mit dem bladen anfangen?“, fragte Tyson begeistert. „Ich würde es gerne mal probieren, ja.“, gestand ich leise, dann zog ich das Blade, welches Kai mir gegeben hat aus meiner Schultasche. „Bekommst du das wieder hin?“, frage ich und wandte mich wieder an Kenny. „Aber… aber… das ist doch Wolborg!“, stotterte er als er das demolierte Blade sah. „Ja, das ist Wolborg, aber Mia hat nicht gefragt ob du das Blade kennst, sondern ob du es wieder hinbekommst.“, zischte Kai. „Türlich, Türlich!“, nickte Kenny und rief auf Dizzy einige Dateien auf. „Okay, den hab ich noch daheim… müssen wir bei Max´s Vater schauen ob er einen Defring hat…“, murmelte der Computerfreak vor sich hin. Kai hatte mich keine Sekunde aus den Augen gelassen. Immer wieder strich mein Daumen über das verformte Etwas in meiner Hand. >Sie klammert sich daran, wie an ein rettendes Strohhalm.< schoss es ihm durch den Kopf. „Mia,“, riss Kai mich aus meinen Gedanken. „Wenn du bladen willst, musst du auch trainieren. Nicht ganz so hart wie wir, aber auch hart.“ seine Stimme hatte die eines Team-Kapitäns angenommen und ich nickte nur und irgendwie hatte ich, bei seinem Ton, das Bedürfnis zu salutieren.

Während die Bladebreakers unter Hilarys Aufsicht mit dem Training anfingen, folgte ich Kenny um mein Blade wieder auf Vordermann zu bringen. Zuerst kamen wir in das Geschäft, welches Max´s Vater gehört. Dort verkauft er alle möglichen Teile für Blades aber auch schon komplette Blades. Kenny war dort schon mehr als ein Stammkunde, weshalb er auch nicht einen Cent zahlen musste. „Für die Bladebreakers tu ich doch alles.“, lachte der Mann hinter dem Verkaufstresen. Herzlich bedankten wir uns, dann ging es zu Kenny nach Hause. Im Schneidersitz saßen wir auf dem Boden zwischen tausend verschiedener Teile. „Gib mir bitte mal das Blade.“, forderte Kenny mich auf, während Dizzy neben ihm auf dem Boden stand. „Es ist herrlich mal dir bei der Arbeit zuzusehen.“, flötete das weibliche BitBeast aus dem Computer. Kenny setzte gerade einen Schraubenzieher an und versuchte die geschmolzenen Plastikteile auseinander zu hebeln. „Du machst ihn noch kaputt!“; rief ich entsetzt. „Aber Mia, er ist doch schon völlig hinüber.“; protestierte der Computerfreak. Ich konnte nicht mit ansehen, wie Kenny alle Teile noch mehr beschädigte. Einzig und allein bei dem Bitchip arbeitet er vorsichtig. „Wow, Dizzy, sie dir das an!“, rief Kenny und da spitzele ich auch wieder hin, da ich neugierig war. „Er hat einen Magnetkern eingebaut.“, stellte Dizzy sachlich fest. Danach fachsimpelten die beiden noch eine Weile, während ich mir den Bitchip geschnappt hatte und ihn eingehend betrachtete. „Du bist also Wolborg.“, raunte ich dem Bild auf dem Plastikteil zu. Der weiße Wolf mit den grünen Flanken schien mich mit seinen Augen zu mustern. Leicht legte ich den Kopf schräg und das Bild tat es mir nach. Erschrocken lies ich das Plastik fallen. „Was ist denn Mia?“, fragte Kenny überrascht. „D…Das Bild… es hat…. hat sich … bewegt!“, rief ich fassungslos und zeigte dabei auf das kleine Teil am Boden zwischen all den anderen Teilen. „Wolborg scheint dich zu mögen.“, lachte Dizzy. „Aber… wie… woher…?“ stammelte ich. „BitBeasts kommunizieren miteinander. Darum weiß Dizzy das Wolborg dich mag.“, erklärte mir Kenny. „Außerdem wollte er mal sehen, wie du so bist. Tala hat ihm viel von dir erzählt, auch wenn ihr euch nur kurz kanntet.“, sprach Dizzy leise. Schwer schluckte ich. >Tala!< rief mein Gehirn, als ich an die schöne Zeit erinnert wurde, dich ich mit ihm hatte. „Welche Farbe hättest du denn gerne?“, riss mich Kenny aus meiner Traurigkeit. „Rot. Rot und eisblau.“, flüsterte ich. Kenny nickte wissend und Dizzy machte nur „Hm.“ Schnell hatte er das Blade neu zusammengebaut. „So, jetzt ist es genauso wieder aufgebaut, wie zuvor.“, sagte er, als Kenny mir das Blade reichte. „Danke Kenny.“, bedankte ich mich und drückte ihn kurz, dann wandte ich mich an das Blade. „Und du bist wunderschön.“, flüsterte ich tonlos. Leicht glimmte der Bitchip. „Na dann los, lass uns zu den anderen zum Training gehen.“, forderte Kenny mich auf.

Wir kamen im Dojo an und sahen nur noch wie Kai die anderen eine Runde nach der Anderen durch den Garten scheuchte. Als er auf uns aufmerksam wurde, kam er zu uns, während die anderen weiter laufen durften. „Bereit für die erste Blade-Stunde?“, fragte er mich. Kurz nickte ich. Da nahm er mich bei der Hand und zog mich auf die andere Seite des Hauses, unterdessen rief Hilary irgendwas von Extra-Runde, was die anderen aufstöhnen lies. Kai stellte sich hinter mich. „Nicht erschrecken.“, flüsterte er leise und legte dabei seine Hände auf meine. „Um ein Blade zu starten, brauchst du einen Starter. Das Blade wird hineingesteckt und dann zieht man kräftig an der Reißleine.“, erläuterte er mir und führte meine Hände in einem unentwegten Bewegungsablauf. „Umso kräftiger du ziehst, umso mehr Power bekommt dein Blade.“, sprach er weiter und sein Gesicht war sehr nah an meinem. Mein Herz schlug augenblicklich schneller, als ich mir der Nähe bewusst wurde. Eine ganze Weile probierten wir den Bewegungsablauf ohne Starter, dann drückte mir Kai seinen Starter in die Hand, so dass ich nun die Reißleine ziehen musste. So trainierten wir auch eine Weile. „Also gut. Jetzt steck Wolborg rein und dann starte ihn.“, gab Kai die neue Anweisung. „Ich … ich bin noch nicht soweit.“, gestand ich und wandte mich ab. Kai wollte gerade seine Hand nach mir ausstrecken, als ich einfach ins Haus ging. „Mia, ich hab es doch nur gut gemeint.“, flüsterte er mir hinterher. Für einen kurzen Moment hatte er wirklich geglaubt, seine innere Uhr hätte wieder angefangen zu ticken….

Traurig erklang das Lied auf der Violine. Tränen liefen mir übers Gesicht und ich wusste nicht einmal warum. Nie im Leben hätte ich den Blade jetzt starten können, es ging mir alles viel zu schnell, die Erinnerungen an Tala wurden immer heftiger, das es mir das Herz zerriss. Mir tat Kai schon leid, er hatte es ja nur gut gemeint, aber ich war einfach noch nicht bereit den nächsten Schritt zu wagen. All meine Gefühle, die Ängste der Ungewissheit, die Trauer um die Vergangenheit, alles spiegelte sich wieder in der Melodie….

Wenn die Wege sich trennen

Einige Wochen später, kurz vor der Beyblade-Weltmeisterschaft:

Ich hatte absolut kein Zeitgefühl mehr. Wie lang mochte der Unfall nun her sein, oder gar die Beerdigung. Vielleicht waren es zwei oder drei Wochen, vielleicht auch schon ein ganzer Monat oder noch länger. Ab und zu übte ich mit Kai bladen. Wolborg hatte ich inzwischen auch schon gestartet, aber die meiste Zeit über, sperrte ich mich in meinem Zimmer ein. „Sie hat sich so sehr verändert.“, hörte ich Hilary leise von unten sprechen, als ich gerade ins Bad ging. „Vielleicht sollten wir sie zu einem Psychiater bringen.“, murmelte Tyson. Schnell schlug ich die Badtüre hinter mir zu, damit ich das Gerede nicht mehr hören musste. Im Spiegel betrachtete ich mich skeptisch. >Nicht einmal, als ich nach Japan kam, sah ich so schlimm aus.< schrie mein inneres Ich. Es stimmte, ich erkannte mich selbst nicht wieder. Erschrocken blickte ich das wächserne Gesicht, das mir aus dem Spiegel entgegen starrte, an. Die eingefallenen Wangen, die blutunterlaufenen Augen mit den dunklen Ringen darunter gaben mir das Aussehen einer lebenden Toten. Lang überlegte ich, wann ich denn das letzte mal etwas gegessen hatte. Ich entsann mich nicht. Leise schlich ich mich wieder zurück in mein Zimmer. >Sie haben Recht, es wäre für alle das Beste, wenn ich erst einmal weg bin.< dachte ich, während ich ein paar Pullis und Shirts sowie Hosen und Unterwäsche in einen Rucksack stopfte. Schnell kritzelte ich noch eine Nachricht auf einen Zettel, dann schlich ich mich zur Haustüre und auf der Straße rannte ich los.

Ray, der ahnte, das ich das Gespräch mitbekommen hatte, kam die Treppe hoch und klopfte zaghaft an. Die Tür sprang auf, da sie nicht ganz im Schloss war und Ray blickte in ein leeres Zimmer. Der Violinenkoffer stand wie immer neben dem Schreibtisch, auf dem ein Zettel lag. Schnellen Schrittes durchquerte der Chinese den Raum und las den Zettel. Eine steile Falte breitet sich auf seiner Stirn aus, dann ging er eben so schnell wieder hinab, wie er hinauf gekommen war. „Mia ist weg.“, sprach er tonlos. „WAS?!“, riefen die anderen entsetzt. Ray hob nur die Hand, in der er den Zettel hielt. „Sie schreibt irgendwas von `Zuhause finden´ und `Ins Leben zurück kehren´ sowie, und das versteh ich nicht, `Die Zeit wieder zum laufen bringen´.“ Kai verstand sehr wohl, was ich meinte und eine Sorgenfalte machte sich auf seiner Stirn breit. „Was machen wir denn jetzt? Morgen in einer Woche ist die Weltmeisterschaft, aber wir können Mia doch nicht allein irgendwo da draußen rum laufen lassen.“, rief Max entsetzt. „Ihr werdet trainieren, ich such sie.“, sagte Kai und stand schon auf. >Wo soll ich bloß anfangen zu suchen?<, fragte er sich, als er die einzelnen Straßen ab rannte. Immer wieder rief er meinen Namen, doch die gewünschte Antwort kam einfach nicht. Keuchend blieb er an einer Straßenecke stehen. >Mia, wo bist du nur?< Langsam legte sich die abendliche Dunkelheit über die Dächer. Betrübt machte sich der junge Blader wieder zurück auf den Heimweg.

Ich hatte keine Kraft mehr, mein Herz raste und meine Lunge pfiff. Langsam schloss ich die Augen und wollte nur einen Moment lang ausruhen. Nur ausruhen….

Erschrocken riss ich die Augen auf. >Verdammt, ich bin eingeschlafen!<, rügte ich mich selbst. Doch dann drang etwas in mein Bewusstsein. >Schläuche. Geräte. Monitore. Krankenhausgeruch.< Verwirrt blickte ich mich um. Ich hatte das Gefühl, so etwas schon erlebt zu haben. Ein Schlauch führte in meinen Arm. Als ich mit meinen Augen dem Schlauch folgte, endete er in einem durchsichtigen Beutel in dem eine durchsichtige Flüssigkeit war. Langsam tropfte diese Flüssigkeit in den Schlauch hinein. Die Zimmertür ging auf, und eine fröhlich wirkende Frau in weißem Kittel trat herein. „Ah, gut das Sie endlich wach sind.“, lächelte sie mich an. „Ich bin Ihre Psychologin Hannah.“ Langsam erinnerte ich mich. Tyson wollte mich doch zu einem Psychologen bringen, aber ich war davongelaufen. Dann kamen die Erinnerungen von Talas Tod und seiner Beerdigung wieder. Erleichtert atmete ich aus, hier konnte mir geholfen werden. Hannah sah mich nur irritiert an, als ein Lächeln um meine Mundwinkel zuckte. „Hannah, es freut mich Sie kennenzulernen. Mein Name ist Mia.“, und leicht lächelte ich sie an. Eine bleierne Müdigkeit lag über mir und ich versuchte krampfhaft wach zu bleiben. „Geht es Ihnen nicht gut, Mia?“, fragte Hannah besorgt. „Bin nur müde.“, nuschelte ich und versank in einen Traumlosen Schlaf.

Es waren schon zwei Tage vergangen, seit ich davon gelaufen war. Jeden Tag war Kai losgelaufen, hatte mich gesucht und war niedergeschlagen zurück gekehrt. Auch die anderen Blader waren traurig, entrüstet und sorgten sich um mich. „Es bringt nichts, wenn ich morgen wieder losziehe um Mia zu suchen. Inzwischen kann sie schon über alle Berge sein. Oder im Flieger nach Deutschland sitzen.“, schnaubte Kai, als Hilary ein weiteres Mal rum nörgelte, das er mich noch nicht gefunden hatte. „Aber Kai, wie kannst du nur so etwas sagen.“, entrüstete sie sich. „Er hat aber Recht, Hilary. Mia kann überall sein.“, versuchte der Chinese sie zu beschwichtigen. Da klingelte das Telefon im Flur. Zuerst blickten sich alle nur an, dann rannten sie gleichzeitig los und Tyson schaffte es als Erster den Hörer zu ergreifen. „Ja!“, quäkte er ins Telefon. „Psychiatrische Klinik Gute Hoffnung, Hannah Tomoe am Apparat.“, stellte sich die Person am Ende der Leitung vor. Tyson stutzte. „Psychiatrische Klinik?“, fragte er Begriffsstutzig. „Könnte ich bitte mit Herrn Hiwatari sprechen?“, forderte Hannah und Tyson sah noch verwirrter drein. „Für dich, Kai. Ne Psycho-Tante.“, mit den Worten reichte Tyson den Hörer weiter. Alle sahen Kai fragend an, aber der zuckte nur mit den Schultern. „Kai Hiwatari.“, meldete er sich. „Psychiatrische Klinik Gute Hoffnung, mein Name ist Hannah Tomoe. Herr Hiwatari, könnten sie wegen ihrer Freundin Mia vielleicht so schnell wie möglich zu uns kommen?“, fragte Hannah und wirkte bedrückt. „Mia? Ja sicher, wie lautet die Anschrift?“, fragte er und nickte danach nur noch stumm, als Hannah die Adresse durch gab. „Okay, danke. Ich mach mich sofort auf den Weg.“, dann legte Kai auf. „Was wollte die von dir?“, fragte Tyson, der nur halb zugehört hatte. „Mia ist in der Psychiatrie.“, gab Kai Auskunft, was die anderen nur den Kinnladen hinab fallen ließ. „Aber… aber…“, weiter kamen die anderen nicht mehr, da Kai sich seine Jacke vom Hacken nahm und hinaus ging.

Draußen war es dunkel, als ich wieder zur Besinnung kam. Ich war in einer Psychiatrischen Einrichtung, soviel wurde mir bewusst. Warum ich hier war, wusste ich allerdings nicht. Vorsichtig setzte ich mich auf. Meine Schläfen pochten schmerzhaft und ein leichtes Schwindelgefühl machte sich in meinem Kopf breit. „Du solltest besser liegen bleiben.“, fuhr mich eine kalte Stimme an. Automatisch wandte mein Kopf sich zu der dunklen Ecke, aus der die Stimme kam. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen, damit ich etwas erkennen konnte. Gütiger Weiße trat die Person etwas aus der Dunkelheit hervor. „Ray.“, hauchte ich erschrocken. „Warum bist du weggelaufen?“, als er das fragte, wirkte er so kraftlos und erschöpft. Ich starrte auf meine Bettdecke und zupfte schließlich an ihr herum. „Tyson meinte doch, das es besser wäre, wenn ich zu einem Psychiater gehe.“, sprach ich kaum hörbar. „Deshalb hättest du aber nicht weglaufen brauchen.“, Ray war inzwischen ans Bett getreten. „Wir haben uns Sorgen gemacht und Kai hat dich zwei Tage lang gesucht.“, traurig blickte er aus dem Fenster. „Es tut mir leid, Ray. Aber ich hatte das Gefühl, das ihr mit mir überfordert seit.“, nuschelte ich. „Und was sollte der Unsinn mit `Zuhause finden´?“, fragte er müde. „Wie schon gesagt, ich hatte das Gefühl, das ihr mit mir überfordert seit.“, wiederholte ich mich. „Mia, hat dir schon jemand gesagt, das du es übertreiben kannst?“, ein kurzes Lächeln huschte über das hübsche asiatische Gesicht. „Immerhin heißt es ja: `Zuhause ist, wo du gute Freunde hast, Zuhause bist du nie allein´ Wir sind doch deine Freunde, oder?“, fragend sah er mich an. Angestrengt wich ich seinem Blick aus. „Ja, wir sind Freunde, aber vielleicht ist es besser, wenn ich noch eine Weile hier bleibe. Hier kann man mir helfen.“, gestand ich leise. Ray legte mir eine Hand auf die Schulter. „Ich versteh dich ja, aber bitte komm wieder zu uns zurück, versprichst du mir das?“, flehte er mich an. Seit unserer Unterhaltung sah ich Ray zum ersten mal in die Augen und nickte. Erleichtert lächelte er auf. „Dann hoffe ich, das wir dich bald wieder bei uns haben.“, sprach er, gab mir einen Kuss auf die Wange, winkte mir noch zu und verließ das Zimmer.

Jeden Tag hatte ich Therapie-Sitzungen, in denen ich lernte, meine Trauer zu bewältigen, neue Kraft zu schöpfen und wieder Freude am Leben zu finden. Die Jungs waren gestern zu ihrer Beyblade-Weltmeisterschaft aufgebrochen und ich verfolgte gerade das Eröffnungsspiel der Bladebreakers gegen ein Newcomer-Team namens Untergrund-Bastards. Ray hatte das erste Match und ich drückte ihm beide Daumen. „Komm schon, du schaffst das.“, feuerte ich ihn an. Sein Gegner war ein großer, vermummter Junge, dessen Blade nachtschwarz war. Beide schienen gleichstark zu sein und dann hörte ich aus den Lautsprechern nur noch, wie Ray rief: „Drigger, mach ihn fertig.“ Sein Blade leuchtete auf und erhellte das Stadion so, das man nichts mehr sah, als das Leuchten dann wieder abschwächte, lag der Blade des Gegners außerhalb der Beyarena. Das nächste Match bestritt Tyson der selbstgefällig grinste, als seine Gegnerin, ein zierliches Mädchen vor ihn trat. „Tyson scheint sich seiner Sache ziemlich sicher sein. Mal schauen ob er seine Gegnerin nicht unterschätzt.“, sprach der Kommentator. Die Blades schossen aufeinander zu und wichen sich geschickt aus, bevor sie sich auch nur treffen konnten. „Komm schon Dragoon.“; rief Tyson seinem Blade zu. „Stella, Sternentornado!“; rief die Kleine und ihr Blade flog auf Tysons zu. Funken sprühten und beide Blades leuchteten schwach. Verbissen sah Tyson zu, wie sein Blade immer weiter auf den Rand der Arena zugeschoben wurde. „Dragoon, lass mich nicht im Stich.“, flehte er, doch dann passierte das, was keiner erwartet hatte. Plötzlich blieb Stella stehen, nur um sich gleich darauf in entgegengesetzter Richtung weiter zu drehen. Genau dieser Richtungswechsel stoppte Tysons Blade, das er erst ins wanken geriet und dann einfach in der Arena liegen blieb. „Da steht es wohl eins zu eins für die Bladebreakers und die Untergrund-Bastards, jetzt hängt alles von Kai und seinem Dranzer ab.“, sprach der Kommentator, bevor es in eine Werbepause ging. Nach der Werbung stand schon Kai an der Beyarena und schaute grimmig zu seinem Gegner hinüber. Es war ein rothaariger Junge mit blauen Augen. Sein Anblick versetzte mir einen Stich ins Herz und ich keuchte auf: „Das ist … unmöglich.“ Ich wusste, das der Junge nicht Tala war, aber er hatte sich Tala anscheinend als Vorbild genommen, die Haare waren gleich gestylt und auch der Kleidungsstil war ähnlich. Dennoch waren die Haare des Jungen eher orangerot während Tala seine feuerrot waren. Auch das Blau der Augen war wesentlich dunkler. Immer wieder zeigte der Kameramann die Gesichter der beiden Kontrahenten. Kai grimmig, der andere neutral. Eigentlich war dieses entscheidende Match schnell entschieden. Kai schoss sein Blade genau auf das Andere zu, welches sofort wieder aus der Arena gekickt wurde. „Na so was. Das war wohl die schnellste Bladerunde, die wir je hatten. Wie es aussieht haben die Bladebreakers dieses Match auch gewonnen und sind somit weiter. Während die Untergrund-Bastards wohl nach Hause fahren. …“, hier schaltete ich den Fernseher ab. Ich freute mich für meine Freunde, das sie weiter waren und hoffte, dass die nächsten Gegner genauso leicht zu besiegen waren.

Wie der Blitz flitzte ich von dem Therapiezimmer in den Aufenthaltsraum und hoffte, das ich noch nicht all zu viel vom Beyblade-Turnier verpasst hatte. Gerade, als ich auf den Sender der BBA zappte, sah ich noch, wie die Bladebreaker das Stadion wieder verließen. „Das kann doch nicht sein, so spät bin ich doch gar nicht dran.“, rief ich empört, dann rannte ich zum Schwesternzimmer. „Hannah!“, rief ich atemlos. „Ist was passiert Mia? Hast du irgendwelche Angstzustände?“, fragte sie und musterte mich besorgt. „Nein, nein. Aber dürfte ich mal telefonieren?“, flehte ich sie an. „Aber natürlich.“, erleichtert lächelte sie mich an. Dankend nahm ich das Telefon und wählte während sich mein Puls langsam beruhigte. „Hey Ray, ich bin´s Mia. Sag mal, wie ist euer Match heute ausgegangen, ich hab nur noch gesehen wie ihr das Stadion verlassen habt.“, sprach ich aufgeregt in den Hörer. „WAAAAAAAAS?!“, rief ich entgeistert, als Ray mir erzählte, dass die Gegner, die Slayers, nicht aufgetaucht waren. „Also seit ihr einfach so weiter?“, hakte ich nach. „Das ist aber schön zu hören. Grüß alle von mir, ja? Ja, ich freu mich auch schon. Möchte er noch mit Hannah reden? Na gut, dann bis bald.“, sprach ich in den Hörer und legte dann auf. „Du strahlst ja richtig.“, lächelte Hannah mich an. „Ich bin auch einfach grad nur glücklich.“ antwortete ich und hüpfte durch den Gang zu meinem Zimmer. Auch die nächsten beiden Matches konnte ich nicht sehen, da ich jeweils zu der Uhrzeit eine therapeutische Maßnahme hatte. An beiden Abenden telefonierte ich mit Ray um mich zu erkunden, wie es denn gelaufen war. „Die White Tigers haben sich echt verbessert, vor allem Mariah ist stark geworden, fast hätte ich gegen sie verloren.“, erzählte mir Ray. „Tysons Blade wurde ganz schön geschrottet, weshalb er morgen nicht antreten kann, Max wird für ihn spielen.“, berichtete er mir am zweiten Abend. „Gegen wen spielt ihr morgen denn?“, fragte ich neugierig. „Die All Starz. Max´s Mutter trainiert sie.“, erzählte er mir mehr. „Wie geht es dir eigentlich?“, fragte Ray und wechselte somit das Thema. „So weit so gut. Hannah meint, das ich schnell Fortschritte mache und es plagen mich auch keine Alpträume mehr. Kai muss also nicht wieder hier auftauchen.“, lachte ich. „Das hört sich fantastisch an.“, lachte Ray mit mir. Denn als Hannah bei den Bladebreakers damals angerufen hatte, hatte ich einen furchtbaren Traum. Immer wieder sah ich Talas Gesicht vor mir, wie es von Feuer zerfressen wurde. Keiner hatte mich wach gekriegt, darum hatten sie Kai angerufen, da ich immer wieder seinen Namen gemurmelt hatte. Seine bloße Gegenwart hatte mich damals beruhigt. „Wenn wie die All Starz morgen geschlagen haben, kommen wir wieder nach Hause, es wäre schön, wenn wir dich dann auch demnächst wieder bei uns hätten.“, rief Max ins Telefon, was mich schmunzeln lies. „Ich werde mein Bestes geben.“, versprach ich und wünschte allen noch viel Glück, bevor ich ins Bett ging.

Heute hatte ich keine Therapie, weshalb ich wie ein Nervenbündel darauf wartete, dass das Finale der Beyblade-Weltmeisterschaft stattfand. Aufgeregt hüpfte ich auf dem Sofa im Aufenthaltsraum herum. Dann wurden auch schon die zwei gegnerischen Mannschaften vorgestellt. „Für die Bladebreakers gehen heute Ray, Max und Kai an den Start. Für das All Starz Team werden Michael, Emily und Eddy antreten.“ Das Publikum jubelte, die Fans tobten. Als erstes spielte Ray gegen Eddy, welches Match nach langem Hin und Her unentschieden ausging, da beiden Blades die Power ausgegangen war, sie hatten ihre BitBeasts nicht eingesetzt. Als nächstes trat Emily an die Arena und schaute gespannt, wer ihr Gegner war. Max ging grinsend auf sie zu, was sie säuerlich Lächeln lies. „Ich möchte noch Mia grüßen, die hoffentlich von daheim aus zusieht. Du fehlst mir und dem Team.“, grüßte Max mich noch schnell, bevor das Match anfing. Meine Wangen glühten rot. Er hatte mich gegrüßt und das wurde live übertragen. So in Gedanken versunken bekam ich nur noch den Applaus mit, der durch die Lautsprecher des Fernsehers tönte. „Wie es aussieht, mögen beide Teams Unentschieden. Wiedereinmal entscheidet sich alles in Kais Kampf.“, sprach der Kommentator. Gebannt sah ich in die Flimmerkiste. „Komm schon Kai, den schaffst du.“, murmelte ich vor mich hin und drückte so fest die Daumen, das sie schon weiß anliefen. Gleich zu Beginn des Kampfes holten beide ihre BitBeasts hervor und ich sah Dranzer zum ersten Mal in seiner vollen Pracht. Michaels BitBeast war ein Adler ebenfalls prächtig, konnte aber mit Dranzers Schönheit nicht mithalten. Gebannt sah ich zu, wie die beiden Greifvögel aufeinander losgingen. Als Trygle auf Dranzer los ging und ihn am Flügel verletzte, hielt ich vor Aufregung den Atem an. Kais Blade geriet gefährlich ins Trudeln. Michael grinste schon selbstgefällig, lies seinen Trygle gleich noch einmal angreifen und katapultierte sich ins Aus, da Kais Blade zur Seite wankte und Michael den Angriff nicht mehr stoppen konnte. Das ganze Stadion hielt den Atem an. „Wie es aussieht, haben die Bladebreakers ihren Titel wieder einmal verteidigt.“, ertönte die Stimme des Kommentators. „Halt, wie ich soeben sehe, kreiselt Kais Blade nicht mehr. Da müssen wir wohl die Zeitlupe anschauen, wer als erstes down war.“ Der Bildschirm splittete sich in zwei Hälften. In der einen sah man Trygle wie er sich aus der Arena katapultierte, in der anderen Hälfte wie Dranzer immer mehr schwankte. Michaels Blade schlug auf den Boden auf, Kais Blade kippte um. Unentschieden. „Ein Unentschieden Leute, wir haben dieses Jahr zwei Champions. Die Bladebreakers und die All Starz.“, heftiger Applaus im Publikum, die Teams reichten sich die Hände und dann wurde bei ihnen gefeiert. Erleichtert lies ich mich in die Sofakissen fallen. „Na, alles gut?“, fragte mich Hannah. „Du hättest es sehen sollen, sie haben nur unentschieden gespielt aber so grandios.“, strahlte ich sie an, als sie in den Aufenthaltsraum getreten war. „Dann habe ich noch eine gute Nachricht für dich.“, lachte mich meine Psychologin an. Fragend sah ich zu ihr auf. „Der Doc sagte, dass du so gute Fortschritte gemacht hast, dass du uns los bist.“, lachte sie mich an. „Aber, das ist ja großartig.“ Freudestrahlend hüpfte ich auf dem Sofa auf und ab. „Beruhige dich mal, sonst lass ich dich wegen Überdrehtheit gleich noch eine Woche hier.“ Gemeinsam lachten wir, während Hannah meine Papiere fertig machte. „Falls du irgendwelchen Kummer hast, du kannst jeder Zeit in unsere Sprechstunde kommen.“, gab sie mir noch mit auf den Weg und ich drückte sie kurz an mich. „Ich schätze, dass du mir fehlen wirst, Hannah.“ gestand ich leise, als die Tür der Psychiatrie hinter mir zu fiel. Inzwischen hatte der goldene Herbst einem stürmischen, kalten Herbst Platz gemacht und sicherlich würde es auch bald zu Schneien anfangen.

Der erste Schnee

Es war schön, wieder „Zuhause“ zu sein. Noch waren die Bladebreakers nicht wieder aus den USA, wo die Weltmeisterschaft stattgefunden hatte, zurück. Sie würden aber in den nächsten Tagen wieder kommen. Als ich durch die Haustüre trat, hatte ich das Gefühl, in mir würde etwas explodieren. Es fing ganz langsam an und wurde dann immer lauter und schneller. >Tick … Tick … Tick, Tick … Tick, Tick, Tick … Tick, Tick, Tick, Tick, Tick< Meine Zeit lief wieder, ich war wieder komplett, zumindest fühlte es sich so an.

Am nächsten Morgen wurde ich durch lautes Gepolter geweckt. Verschlafen und in schwarzen Hotpants und BH stieg ich die Treppe hinunter. Müde rieb ich mir die Augen, als es plötzlich ganz ruhig wurde. Sechs Augenpaare starrten mich entsetzt an. „Mia?“, fragte Hilary ungläubig. „Hm?!“, machte ich nur um dann herzhaft zu gähnen. „Aber wir dachten du bist…“, setzte Tyson an, aber ich wank nur ab. „Könntest du dir bitte etwas überziehen?“, durchbrach Kais kalte Stimme die Stille. „Nachher.“, nuschelte ich und ließ mich erst einmal auf einen Küchenstuhl fallen. „Du siehst gesünder aus.“, stellte Max erleichtert fest. Ich sagte darauf hin nichts, denn ich hatte meinen Kopf auf meinem Arm gelegt und war wieder eingeschlafen. Ray schmunzelte. „Bringt einer Mia wieder hoch ins Bett, ich mach solang Frühstück.“ Keiner außer Ray rührte sich und dieser fing an in der Küche herum zu wühlen. Als er bemerkte, das sich immer noch keiner um mich gekümmert hatte, seufzte er. „Kai, würdest du vielleicht so freundlich sein?“, bittend sah er den Halbrussen an, der die Augen verdrehte, sich aber dann doch erbarmte, einen meiner Arme um seinen Hals zog, während er mich umständlicher als nötig auf seine Arme zog. Irgendwie wahr ihm nicht wohl dabei, ein halbnacktes Mädchen zu tragen. Erleichtert legte er mich in mein Bett, deckte mich zu und strich noch eine Strähne meiner schwarzen Locken aus meinem Gesicht. „Ich bin froh, das es dir wieder besser geht.“, hauchte er, als er aus dem Zimmer trat, danach ging er erst einmal Frühstücken.

Ein paar Stunden später wurde ich auch wieder wach. Ich schlüpfte in einen Pulli und abgewetzte Jeans und ging wieder hinunter. Draußen goss es wie aus Kübeln, weshalb es mich nicht verwunderte, die gesamte Belegschaft im Wohnzimmer vorzufinden. „Ah, Mia. Wenn du Hunger hast, in der Küche stehen belegte Brote.“, sprach Ray, als er mich im Türrahmen erblickte. „Danke!“, lächelte ich ihn an und verschwand dann in der Küche, wo ich mich hungrig über die Brote hermachte. „Es hat Mia gut getan, ein bisschen Abstand zu bekommen.“ nuschelte Kenny. „Ja, sie wirkt wieder ausgeglichen, so wie wir sie kennengelernt haben.“ bestätigte Max das, was alle anderen gesehen haben. „Ich werd ihr ein bisschen Gesellschaft leisten, damit sie nicht noch länger allein ist.“, sprach Tyson und wollte gerade aufstehen. „Das wirst du nicht tun!“, zischte Kai den anderen an. „Stimmt, du würdest ihr nur alle Brote weg essen.“ lachte Hilary. Leicht schmunzelte ich, als ich das Gespräch von der Küche aus belauschte. >Es ist wirklich schön, ein Zuhause gefunden zu haben.< dachte ich bei mir und biss herzhaft in ein Käsebrot. Während ich immer noch vor mich hin lächelte, trat Kai in die Küche. Ein leicht schiefes Grinsen lag in seinen Gesichtszügen, aber seine Augen sprachen Bänder. Ihm ging es immer noch schlecht wegen Sayuri. „Setz dich doch, Kai.“, bot ich ihm einen Platz an und schob dann auch den Teller mit den belegten Broten näher zu ihm. Wortlos setzte sich der Blader, rührte aber keines der Brote an. „Eigentlich sollte ich mich entschuldigen, dass ich weggelaufen bin, aber ich für meinen Teil denke, dass es besser so war. Die Depressionen hätten mich sonst noch umgebracht.“, sprach ich leise. Kais Blick huschte zu mir herüber. Er las die Ehrlichkeit in meinen Augen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf Kais Arm. „Wenn du reden willst, ich bin für dich da. Ich kann dir helfen.“, sprach ich leise, bevor ich mich erhob, die restlichen Brote wegräumte und dann wieder in mein Zimmer hoch ging. Wenn Kai meine Hilfe annahm, würde er mir folgen, soviel war mir klar und inständig hoffte ich darauf, das es in wenigen Minuten an meiner Tür klopfen würde. Eine halbe Stunde verging, in der sich nichts rührte. Eine Stunde verging. Enttäuscht lies ich den Kopf hängen und trat an meine Balkontür. Immer noch regnete es in Strömen

Es war weit nach Mitternacht, als jemand leise an meine Tür klopfte. „Hm?!“ machte ich nur, da ich gerade ein Stück Schokolade im Mund hatte, woraufhin die Tür geöffnet wurde und Kai in mein Zimmer trat. Fast verschluckte ich mich an dem süßen Stückchen. „Kann ich was für dich tun?“, fragte ich ihn, nachdem ich runter geschluckt hatte und sah ihn von unten herauf an. „Ich… ich würde gern dein Angebot von heut Mittag annehmen.“, sprach er leise und setzte sich zu mir aufs Bett. Ich klappte das Buch zu, welches ich bis eben noch in der Hand gehalten hatte. „Schokolade?“, fragte ich und hielt ihm ein Stückchen hin. Er schüttelte den Kopf, was mich kurz schmollen lies, dann schob ich das süße Stück allerdings in meinen Mund. „Dann halt nicht.“, brummte ich und verzog gleich darauf verzückt das Gesicht. „Also, Kai. Was bedrückt dich?“, fragte ich ihn. Er lehnte sich zurück und starrte die Decke an. „Ich mach mir Sorgen um Sayuri. Seit man sie nach Amerika verlegt hat, hab ich nichts mehr von ihr gehört. Vielleicht….Vielleicht wurden ihre Maschinen einfach abgestellt.“, hauchte er verzweifelt. Ich setzte mich im Schneidersitz aufs Bett und zog seinen Kopf in meinen Schoß. Sanft strich ich mit meinen Fingerkuppen über seine Wangen und seine Stirn, was Kai entspannen lies. „Deine Angst ist begründet, aber lass dich nicht von ihr beherrschen. Du musst nach vorne sehen und nicht zurück.“, flüsterte ich leise und zärtlich was Kai nur ein zustimmendes brummen entlockte. Eine angenehme Stille herrschte zwischen uns, während meine Finger immer weiter über Kais Gesicht strichen. „An was denkst du gerade?“, fragte Kai und seine Stimme klang warm und beruhigend. „Daran, dass Tala und vielleicht Sayuri, da oben auf einer Wolke sitzen und zu uns herunter blicken und uns immer beschützen werden.“, flüsterte ich tonlos. „Der Gedanke ist schön.“, nuschelte Kai und dann herrschte wieder Ruhe zwischen uns.

Erstes Sonnenlicht fiel durch mein Fenster und kitzelte mich an der Nase. Meine Beine waren eingeschlafen und ich fühlte mich wie gerädert. Als ich mich dann streckte und die Augen aufschlug, schmunzelte ich leise. Kais Kopf lag immer noch in meinem Schoß, wir hatten uns die ganze Nacht über nicht bewegt. Auch der Blader zog die Nase leicht kraus, als ihn das Licht kitzelte. „Morgen.“, flüsterte ich und wuschelte ihm durchs Haar. „Morgen.“, brummte Kai und setzte sich mühselig auf. „Frühstück?“, fragte ich lächelnd und hielt Kai die angefangene Tafel Schokolade unter die Nase. „Lieber was Richtiges.“, grummelte er und zog mich mit in die Küche hinunter. Die anderen schliefen noch alle.

Leise gluckerte die Kaffeemaschine vor sich hin, während aus dem Backofen der Duft von frischen Brötchen stieg. „Und?“, fragte ich neugierig. „Was, und?“, fragte Kai irritiert. „Was steht heute so an? Immerhin ist Samstag.“, grinste ich ihn breit an. Kai zuckte nur mit den Schultern. „Vielleicht mal einen freien Tag.“, gab er zurück während wir den Tisch mit Wurst, Käse, Honig, Geschirr und anderen diversen Sachen deckten. Die Brötchen waren fertig, der Kaffee auch und so machten wir uns über das Frühstück her. Während Kai seinen Kaffee schwarz trank, ein Käsebrötchen aß, trank ich meinen Kaffee mit viel Milch und stopfte mich mit Honigsemmeln voll. „Ein Wunder, dass du noch nicht rollst.“; grinste Kai mich an als er mir zu sah wie ich mir schon den fünften Honigsemmel schmierte. „Liegt alles an den Genen.“, mampfte ich und grinste. „Außerdem werd ich nachher sowieso laufen gehen und so meine überflüssigen Pfunde weg sprengen.“, äußerte ich mich. „Darf ich mitkommen?“, fragte Kai. Lächelnd nickte ich ihm zu.

So kam es, dass wir unser benutztes Geschirr abräumten, den Kaffee auf die Warmhalteplatte stellten und nochmals Brötchen in den Ofen schmissen. Kai kritzelte schnell eine Nachricht auf einen Zettel, das er mit mir unterwegs sei und später irgendwann wieder kommen würde, die anderen sollen sich einen schönen Tag machen. Dann liefen wir nebeneinander die Straße entlang. Unsere Schritte waren im Gleichtakt und von oben lachte noch ein bisschen die Sonne. „Weißt du das ich dich eigentlich ganz gut leiden kann.“, keuchte ich nach einer ganzen Weile. Kai sah mich an, sein Atem ging immer noch ganz ruhig. „Wie meinst du das?“, fragte er und lies mich nicht aus den Augen. „Wie ich es gesagt habe, ich kann dich gut leiden.“, gab ich schulterzuckend von mir und lief weiter. >Tick, Tick, Tick<, abrupt blieb Kai stehen. >Kann es wirklich sein?<, fragte er sich selbst, aber das Ticken war in seinem Kopf. Ein Rhythmus der ihm schon so lange gefehlt hat. „Kommst du?“, rief ich und blickte zurück zu Kai. „Aber sicher doch.“, lachte dieser und sprintete zu mir. Im Gleichschritt ging es dann wieder zurück zum Dojo. Kai hatte sich freundlicher Weiße meinem etwas langsameren Schritttempo angepasst, da meine Kondition doch etwas unter Seiner lag. „Ganz ehrlich, ich hab Hunger.“, lachte ich, als ich durch das Hoftor lief. „Ganz ehrlich, du bist verfressen wie Tyson.“, lachte Kai und gemeinsam gingen wir ins Haus. In der Küche stand alles noch so, wie wir es verlassen hatten. „Anscheinend schlafen die anderen noch.“, grinste ich und schnappte mir eins der Brötchen aus dem Ofen. „Vielleicht sollte ich sie doch zum Training holen immerhin haben wir schon halb zwölf.“, raunte Kai. „Dann ist es auch kein Wunder, dass ich Hunger habe. Immerhin waren wir dann fast drei Stunden laufen.“ Mit den Worten biss ich in mein Semmel.

Es waren einige Tage vergangen, um genau zu sein 3 Wochen. Es war Ende November und Nebel hüllte das Land ein. In den letzten Tagen hatte es auch extrem abgekühlt, was den Wetterbericht vermuten lies, das bald der erste Schnee fallen würde. Jeden Tag waren Kai und ich laufen gegangen, egal wie mies das Wetter auch war und Abends lagen wir immer auf einem unserer Betten und redeten. An die Schule hatte bis jetzt auch keiner mehr gedacht, da der Direktor uns bis zum neuen Jahr freigestellt hatte. „Die Seele braucht viel länger um so einen Schock zu verarbeiten und wenn man jeden Tag daran erinnert wird, kann die Seele niemals gesund werden.“, hatte der Direktor gesagt und somit war es beschlossene Sache gewesen. Zwar lernten Ray, Kai und ich fleißig daheim, aber Tyson, Max, Kenny und Hilary machten sich eine schöne Zeit. Es kam der erste Dezember und Ray fing an Plätzchen zu backen.

„Ray?!“, fragte ich ihn und klimperte mit den Augen. „Ja Mia.“, lachte der Chinese los. „Hast du zufälligerweise ein paar verbrannte Plätzchen zum probieren?“, fragte ich scheinheilig. Gerade wollte Ray mir einen Teller voll Kekse geben, als Kai in der Tür stand. „Keine Plätzchen für Mia!“, wies er den Koch zurecht. „Aber Kai…“, sprachen Ray und ich wie aus einem Mund. „Kein ABER. Du willst doch nicht so fett werden wie Tyson?“, boshaft lachte Kai mich an. Ich setzte einen Dackelblick auf, schob die Unterlippe nach vorne und legte den Kopf ein bisschen schräg. „BÜDDÖ!“, flehte ich, doch Kai blieb eisern. „Nein! Und Ray, wehe dir du gibst Mia auch nur einen Keks.“, sagte er noch, bevor Kai sich umdrehte und die Küche wieder verließ. „Ray?“, fragte ich ihn und besah ihn mit dem gleichen Hundeblick. „Sorry, Mia. Du hast Kai gehört, ich darf dir keine Plätzchen geben.“, sagte er entschuldigend. Da erhellte sich mein Gesicht und Ray sah mich Stirn runzelnd an. „Was geht in deinem Köpfchen wieder vor?“, fragte er vorsichtig. „Kai hat gesagt, du darfst mir keine Kekse geben, aber nicht, das ich sie mir nicht holen darf.“, lachte ich und huschte in die Speisekammer, wo sich Keksdosen stapelten. Vorsichtig nahm ich aus jeder Dose zwei Plätzchen und arrangierte sie schön auf einem Teller. Dann erwärmte ich eine Flasche Früchtepunsch und stellte Ray eine Tasse voll hin. „Damit du auch n bisschen in Weihnachtsstimmung kommst.“, lächelte ich ihn warm an. Dankend nahm Ray einen Schluck. Dann ging ich mit zwei Tassen Punsch und dem Teller voll Plätzchen ins Wohnzimmer, wo Kai sich auf seinem Sessel vor den Kamin verzogen hatte. Schnell zog ich einen Hocker herbei, der seinen Platz neben dem Sessel fand und stellte den Teller und die zwei Tassen ab. Kai sah mich missmutig an. „Hab ich nicht …“, weiter kam er nicht. „Nein, du hast mir nicht verboten mir selber Plätzchen zu holen, du hast nur verboten das Ray mir welche gibt.“, grinste ich ihn breit an. Mit den Worten lies ich mich im Schneidersitz auf den weichen Teppich vor dem Kamin nieder, griff, Kai listig an funkelnd, in den Teller und nahm mir eine Tasse vom Hocker. „Außerdem hab ich dir auch Kekse mitgebracht.“, mampfte ich. Schmunzelnd nahm sich Kai nun doch ein Plätzchen und biss hinein. „Ausnahmsweise!“, gab er zurück und las in seinem Buch weiter. „Was liest du da eigentlich?“, fragte ich neugierig und versuchte den Titel zu entziffern. „Kafka.“, war alles was ich als Antwort bekam. Ich drehte mich auf den Bauch, winkelte die Beine an und schwang dies leicht hin und her. Derweil hatte ich meine Lektüre unter Kais Sessel herausgezogen und ebenfalls zu lesen begonnen. Zwischenzeitlich griff ich dann wieder zu einem Plätzchen oder meiner Tasse Punsch. „Es ist schön, dass Hilary die anderen zum Weihnachtseinkauf mitgenommen hat.“, murmelte ich leise. „Mhm.“, machte Kai und blätterte um. Aus der Küche drangen Weihnachtslieder an unser Ohr und die Geräusche, die Ray beim Backen verursachte, neben uns knackte das Feuerholz und das rascheln der Buchseite war zu hören, wenn einer von uns umblätterte. „Morgen ist Nikolaus Abend.“, durchbrach Kai die Stille. Überrascht blickte ich auf. „Du kennst Nikolaus Abend?“, fragte ich überrascht. „Ich komm aus Russland, also ja.“, bejahte Kai die Frage. „Feiert ihr hier Nikolaus?“, bohrte ich weiter. „Jain. Hier zu Lande wird am sechsten Dezember ein Markt veranstaltet und eine Eislaufbahn gibt es auch mit einem Weihnachtsbaum. Den Nikolaus gibt es hier allerdings nicht.“, erklärte Kai mir bereitwillig. Irgendwie freute ich mich schon auf den nächsten Tag.

Heute war also Nikolaus Tag. Gut gelaunt stand ich auf und ging mit „Leise rieselt der Schnee“ singend duschen. Provisorisch hatte ich meine Haare mit zwei Stiften hochgesteckt und mich in einen dunklen Pulli, der Schulterfrei war und meine geliebten, leider schon sehr abgewetzten Levis Jeans geworfen. Von unten drang ein köstliches Aroma von frischem Kaffee zu mir herauf, das ich mich beeilte, in die Küche zu kommen. Kai saß schon beim Frühstück, als ich in der Tür stand. „Einen wunderschönen guten Morgen.“, begrüßte ich ihn strahlend. Kai, der leider meist ein Morgenmuffel war, grummelte nur etwas unverständlich in seinen nicht vorhandenen Bart. Lachend ging ich zu ihm, nahm ihm das frisch gestrichene Marmeladenbrötchen aus der Hand und drückte ihm stattdessen einen Küsschen auf die Wange. „Bin mal Post holen.“, brachte ich noch heraus, bevor ich herzhaft in das Marmeladenbrot bis. Kai sah immer noch auf seine leere Hand, wo vor ein paar Sekunden noch ein Brot voller leckerer Marmelade war. >Das hat sie jetzt NICHT getan!< versuchte er sich selbst zu beruhigen. Da kam ich auch schon wieder in die Küche. In der Hand hatte ich einen dicken Stapel Briefe. „Tyson, Tyson, Tysons Großvater, Tyson, Tysons Großvater, Kai, Ray, Ray, Kai, Tysons Großvater, Kai.“ las ich vor, während ich die Briefe sortierte, dann reichte ich Kai die Briefe und schmierte ihm noch ein Marmeladenbrot welches ich ihm dann auch sanft zwischen die Lippen schob, wo es aber nicht lange bleiben sollte. Kai hatte den ersten Brief aufgemacht, er war von seinem Großvater Voltair. Kurz überflog er den Brief, dann widmete er sich dem nächsten. Es war nur Reklame. Der dritte und letzte Brief hatte keinen Absender. Vorsichtig öffnete Kai den Brief und mit jedem Wort, das er las, wurden seine Augen größer und das Brötchen fiel auf den Tisch. Nachdem Kai den Brief gelesen hatte, überreichte er ihn mir. Aufmerksam las ich die Zeilen durch:

// Geliebter Kai,

ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, denn ich war noch nie gut in Briefe schreiben. Es tut mir leid, das meine Eltern nach Amerika sind und mich mitgenommen haben, dass ich nicht mehr bei dir bin und erst jetzt schreibe. Wahrscheinlich hast du genauso gelitten wie ich, als ich erfahren habe, dass wir uns in nächster Zeit nicht sehen werden.

Ich habe hier ein neues Leben angefangen, neue Freunde kennengelernt und auch einen netten jungen Mann. Dir wünsche ich, dass du ein Mädchen findest, das dich genauso bedingungslos liebt wie ich es tat. Ein Mädchen, dass dich zum lachen bringt, wenn es dir nicht gut geht und immer für dich da ist. Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben, da ich dich für immer lieben werde. Deine dich über alles liebende Sayuri.//

Stumm reichte ich Kai wieder seinen Brief. Eine bedrückende Stille herrschte in der Küche. „Kai.“, fragte ich zaghaft. Dieser blickte stumm auf den Brief in seiner Hand. „ … Kann´s nicht fassen …“, murmelte er immer wieder. „Immerhin weißt du jetzt, dass es ihr gut geht und sie in guten Händen ist.“, sprach ich tonlos und stand auf. Am Vorbeigehen drückte ich kurz Kais Schulter, dann war ich weg. Mir war der Appetit gründlich vergangen. >Es tut so weh, Kai leiden zu sehen.< dachte ich und griff mir an die Stelle, wo mein Herz unter der Haut pochte. Meine Augen schwammen schon in Tränen, aber ich versuchte sie fort zu blinzeln. In meinem Zimmer lies ich mich erst einmal aufs Bett fallen und dachte nach. Ich mochte Kai, sehr sogar. Vielleicht mochte ich ihn mehr, als ich mir eingestehen wollte.

Am Abend klopfte es an meine Tür. „Ja?“, bat ich herein. Da schob sich Kais Kopf auch schon durch den Spalt. „Kommst du?“, fragte er und ich sah ihn nur irritiert an. „Wir wollten doch zum Markt und Schlittschuh laufen.“, half der Halbrusse mir auf die Sprünge. Mit der flachen Hand schlug ich mir gegen die Stirn. „Das hab ich total vergessen. Einen Moment.“, ich war aufgesprungen und wühlte im Schrank. Grinsend lies Kai mich allein. Schnell zog ich mir einen dunkelgrünen Pullover über und schnappte mir eine Jacke, dann hüpfte ich auch schon zu den anderen hinunter. Gemeinsam gingen wir zum Markt und ich freute mich wie ein kleines Kind. Während Tyson sofort zum ersten Essstand lief und Hilary im Schlepptau hatte, machten sich Max und Ray sofort auf zur Schlittschuhbahn. Kai schlenderte erst einmal mit mir über den Markt und meine Augen leuchteten vor Freude. „Jetzt fehlt eigentlich nur noch der Schnee.“, hauchte ich überwältigt. Kai zog mich nun auch zur Schlittschuhbahn, holte für uns beide Schlittschuhe und hielt meine Hände, als wir die ersten Schritte auf dem rutschigen Eis taten. „Hab ich dir eigentlich gesagt, das ich nicht Schlittschuhlaufen kann?“, fragte ich und krallte mich an Kais Jacke fest. Leise lachte er und nahm wieder beide Hände von mir in seine. Ein angenehmer Schauer fuhr mir über den Rücken. Langsam lernte ich es und lief mit Kai Runde um Runde. Wir wirbelten gerade im Kreis, als die ersten Schneeflocken zu Boden rieselten. „Kai, schau doch mal.“, hauchte ich und hatte sanft losgelassen. Mitten auf der Eisfläche blieb ich stehen und sah in den dunklen Himmel, aus dem die weißen Flocken herab schwebten. Plötzlich legten sich mir zwei Arme um die Hüfte und ein Kopf lag auf meiner Schulter. Schmunzelnd sah ich zu Kai und drückte ihm dann einen Kuss auf die Wange.

Was wenn ich dir sage, dass ich dich liebe?

Es war bereits sehr spät als Kai und ich Hand in Hand zum Dojo liefen. Die anderen Bladebreakers waren schon vor einiger Zeit nach Hause gegangen. Ihnen war es einfach zu kalt, lautete die Ausrede. Noch immer rieselten große Flocken vom Himmel und tauchten die Welt in ein Winterwunderland. Meine Wangen waren gerötet, nicht nur von der Kälte, sondern auch, weil Kai meine Hand einfach nicht mehr losgelassen hatte, was mich aber auch nicht störte. Genau in diesem Moment, als wir die Straße entlang gingen, Kai meine Hand hielt, fühlte ich mich wie der glücklichste Mensch auf Erden.

Nur noch wenige Tage bis Heilig Abend…

Ray stand wie immer in der Küche und zauberte Leckereien aller Art. „Was schenkst du Mia eigentlich zu Weihnachten.“, fragte der Chinese und stellte einen Teller mit Bratkartoffeln und Würstchen vor Kais Nase. „Ganz ehrlich, ich hab keinen Plan.“, gestand der Halbrusse und pikste eine geröstete Kartoffelscheibe auf um sie anschließend im Mund zu versenken. „Was schenkst du ihr denn?“, gab er die Frage mit vollem Mund zurück. „Zwei Karten für das Tanz der Vampire Musical.“ kam die prompte Antwort von Ray. Anerkennend nickte Kai. >>Da hat Ray keine Kosten gespart um ihr einen Herzenswunsch zu erfüllen.<< dachte der Blader nach.

Es war schon Tradition, dass Kai und meine Wenigkeit, jeden Abend zusammen auf einem unserer Betten lagen, redeten oder einfach nur die Nähe des anderen genossen. Heute lag ich quer übers Bett, weil mein Kopf auf Kais Bauch ruhte. „Es kommt jetzt vielleicht blöd, aber was wünscht du dir zu Weihnachten?“, fragte Kai und sein Bauch vibrierte angenehm, wenn er sprach. „Nichts.“, hauchte ich leise. „Seit ich hier bin, habe ich wieder eine Familie, ein Zuhause, das war alles, was ich mir gewünscht habe.“, erklärte ich Kai. Sanft strich dieser mir durchs Haar. „Mit was kann man dir dann eine Freude machen?“, Kai lies nicht locker. „Wenn du mir unbedingt etwas schenken musst, dann wünsche ich mir … lass mich überlegen … ein Paar Schlittschuhe.“, mit den Worten setzte ich mich auf. Der Blick, der auf mir lag, war befremdlich. „Von Ray wünschst du dir Musical Karten und von mir nur ein paar lächerliche Schlittschuhe?!“ fuhr er mich enttäuscht an. „Es sind nicht nur LÄCHERLICHE Schlittschuhe, es wäre Erinnerung und Zukunftsfreude auf einmal.“, meine Stimme brach vor Traurigkeit. >>Und wieder könnte ich ihn umbringen, weil er mich so enttäuscht hat.<< hallte es zwischen meinen Ohren. „Mia, bitte. So war das nicht gemeint.“, versuchte Kai mich zu beruhigen. „LÄCHERLICHE SCHLITTSCHUHE!“, brüllte ich ihm ins Gesicht und knallte hinter mir die Türe zu. Schwer seufzte Kai auf. >>Warum versau ich es immer?!<< seufzte Kai und sah aus dem Fenster. Draußen leuchtete der Vollmond auf die schneebedeckte Landschaft. Vereinzelt fielen noch Flocken herab.

Zögernd klopfte es an Kais Tür. „Hm?“, macht der Blader und Ray trat ein. „Was hast du denn mit Mia gemacht?“, platzte dieser gleich mit seinem Anliegen heraus. Der Angesprochene blickte weiter aus dem Fenster. „Ich hab sie gefragt, was sie sich zu Weihnachten wünscht.“, sprach Kai. „Weshalb ist sie dann wütend nach draußen gestürmt?“, hackte Ray nach. „Mia wünscht sich Schlittschuhe, lächerliche Schlittschuhe von mir.“, raunte der Halbrusse. Inzwischen war Ray ans Fenster herangetreten und blickte mit Kai hinaus. „Du magst es lächerlich finden, aber für Mia wäre es wahrscheinlich das wertvollste, was sie bekommt.“, sprach Ray und Kai sah ihn nur erstaunt an. „Aber die Musical Karten sind doch wesentlich teurer.“, widersprach der graublau Haarige. „Nicht für Mia. Du hast es vielleicht nicht bemerkt, aber als ihr Schlittschuh laufen wart, da war sie glücklich und hat von innen heraus gestrahlt. Es war als … ob sie dich liebt.“, sprach der Chinese das aus, was er seit längerem dachte. >>Als ob sie mich liebt.<<, wiederholte er in Gedanken.

Draußen trat ich in meinem dunklen Wintermantel in den Schnee. Die Violine lag schon auf meiner Schulter und dann während ich durch den weißen Garten wanderte, spielte ich auf meinem geliebten Instrument. Wehmütig, traurig und voller Liebe klang das Lied durch die Nacht. Der Mond leuchtete die Szene aus und sanft glitzerten die Schneeflocken in meinem Haar, die sich festsetzten und langsam schmolzen.

„Sie wirkt wie verzaubert mit dem Wassertropfen im Haar.“, raunte Ray, der mich vom Fenster aus beobachtete. Kai starrte nur wortlos zu mir herunter. >>Es tut mir leid, wegen vorhin. Ich wusste nicht, dass das Schlittschuh laufen dir soviel bedeutet hat.<<, war Kai in seine Gedanken versunken.

Noch immer wandelte ich durch den Garten, spielte auf meiner Geige und schielte ab und zu zu den beiden Jungs am Fenster hoch. Die kalte Luft brannte in meiner Brust und das atmen wurde immer schmerzhafter. >>Damn.<< fluchte ich bevor mir schwarz vor Augen wurde. Mein Körper schlug auf dem schneebedecktem Boden auf, die Violine zerbarst bei dem Sturz.

Die beiden Blader hechteten hinaus in die Dunkelheit. Ray erreichte mich als erster. „Mia, Mia.“, sprach er sanft auf mich ein, während er mich auf den Rücken gedreht hatte und meine Wange tätschelte. Besorgt musterte der Chinese mich. Der Schnee verfärbte sich rot. „Oh Gott, sie ist verletzt!“, Kai war geschockt. Sofort wurde ich hineingetragen und lag auf dem Sofa während der Notarzt verständigt wurde.

Es dauerte nicht lange, bis der Arzt da war und seine Diagnose gestellt hatte. „Lungenkollaps.“, murmelte der Doc als er eine Spritze an meinen Arm ansetzte und eine klare Flüssigkeit in meinen Arm spritzte. „Ich nehme mal an, dass die junge Dame den ersten Winter hier verbringt.“, sprach der Arzt mit den beiden Jungs. Kai nickte nur. „Sie kommt eigentlich aus Deutschland.“, erklärte Ray. „Dann ist sie wärmeres Winterklima gewöhnt. Ein paar Tage Bettruhe und sie dürfte wieder fit sein.“, mit den Worten verabschiedete sich der Doktor. Ray brachte den Mann noch zur Türe. Derweil strich Kai mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Was wenn ich dir sage, dass ich dich liebe?“, flüsterte der graublau Haarige leise. Mit einem Seufzen drehte ich mich auf die Seite und kuschelte mich in die Sofakissen. Die eine Hand war bandagiert, da hatte ich mich an meiner kaputten Violine verletzt. „Es tut mir so leid wegen vorhin, ich wollte dich nicht mit meinen Worten verletzen.“, hauchte der Blader. Seine warme Hand lag auf meiner Verbundenen. Meine Augenlider zuckten schwach und Kai lies meine Hand los. Ganz langsam schlug ich dann auch meine Augen auf. „Was ist passiert.“, krächzte ich. „Die kalte Luft hat deiner Lunge nicht gut getan.“, berichtete Kai. „Und jetzt bist du zu ein paar Tagen Bettruhe verdonnert worden.“, lachte Ray von der Tür her. Schmollend sah ich ihn an. „Dann bring ich dich wohl besser mal ins Bett.“, schmunzelte Kai und hob mich hoch, als ob ich nichts wog. „Tschuldigung das ich euch schon wieder solche Sorgen und Probleme bereite.“, hauchte ich noch, bevor Kai mich auch schon die Treppe hoch trug. Ich spürte, wie Kais Herz schnell unter seiner Brust pochte. Müde legte ich meinen Kopf an seine Schulter und murmelte noch ein Danke, bevor ich im Land der Träume versank.

Das ganze Haus war weihnachtlich geschmückt, Christmas Songs hallten durch die Wohnung und Ray blieb eisern, was meine Bettruhe anging. „Solange du noch Fieber hast, bleibst du im Bett.“, hatte er an diesem Morgen gesagt. „Heute ist Heilig Abend, da will ich mit Geschenke auspacken und Plätzchen essen.“, versuchte ich ihn umzustimmen. „Du bleibst im Bett.“, waren seine letzten Worte, bevor er sich in die Küche verzog und das Weihnachtsessen kochte. Max und Tyson waren in den Wald gegangen um den Weihnachtsbaum zu schlagen und Hilary suchte die Christbaumkugeln. Um mich abzulenken, griff ich nach dem Buch, welches auf meinem Nachttisch lag und fing an zu lesen.

Draußen legte sich die Dämmerung über die Winterwelt und seufzend dachte ich daran, dass die anderen jetzt gemütlich beim Essen saßen, danach ins Wohnzimmer gingen, Punsch tranken und Geschenke auspacken würden. Und ich? Ich würde hier in meinem Bett liegen und nichts von dem Weihnachtstrubel mitbekommen.

Da klopfte es zaghaft an meine Tür. „Ja!“, bat ich herein und Tyson streckte den Kopf herein. „Ray lässt anfragen wies dir geht?“, grinste er mich an. Ein Lächeln zierte meine Lippen. „Mir geht’s bestens, ich zieh mich nur schnell an, dann komm ich.“, mit den Worten schlug ich die Bettdecke beiseite. Damit Ray nicht schimpfen konnte, zog ich mir einen extra dicken Pulli an. Dann folgte ich Tyson hinunter in die Küche, wo schon alle beim Essen saßen. „Frohe Weihnachten, Mia.“, wurde ich begrüßt. „Frohe Weihnachten, euch allen.“, gab ich zurück und lies mich zwischen Kai und Ray auf den Stuhl fallen. „Heute hast du dich mit dem Essen wieder selbst übertroffen.“, lobte ich den Chinesen, als ich mir ein weiteres Stück Ente auf den Teller legte. Lachend aßen wir zu Ende, dann ging es ins Wohnzimmer. Ein kleiner Christbaum stand mitten im Raum, geschmückt war er mit roten Kugeln, Lametta und einer Lichterkette, darunter häuften sich Geschenke in Hülle und Fülle. Auch die Geschenke, die ich besorgt hatte, lagen mit unter dem geschmückten Baum. Innerlich freute ich mich schon darauf, was die anderen sagen würden, wenn sie die Geschenke auspackten. Für Tyson hatte ich eine neue Baseballmütze besorgt. Max bekam ein Kameraobjektiv, da es seine neuste Leidenschaft war, alles auf Fotos festzuhalten. Hilary bekam von mir eine feine Silberkette mit einem Engelsflügelanhänger, Kenny bekam eine Laptoptasche, damit Dizzy geschützter transportiert werden konnte. Über die Kulinarische Küche der Welt würde sich Ray freuen. Tysons Opa bekam für seine Bonsai-Bäumchen Sammlung einen weiteren Kandidaten aus Deutschland, nämlich einen Kastanien- Bonsai. Bei Kai hatte ich schon Schwierigkeiten gehabt, etwas passendes zu finden. Letzt endlich hatte ich ein Flugticket nach Amerika gekauft, damit er zu Sayuri konnte.

Gemeinsam mit Ray und Kai saß ich auf dem Sofa. Tysons Opa hatte es sich in einem der Sessel bequem gemacht und Hilary saß im Schneidersitz vor dem Kamin. Kenny, Max und Tyson krochen unter dem Christbaum herum und reichten Geschenke an uns alle und packten selber immer wieder etwas aus. Lachend sah ich in die Runde. Ein einzelner Briefumschlag lag auf meinem Schoß. Das Geschenk von Ray und ich musste es nicht öffnen um zu wissen, was darin war. Erfreut beobachtete ich die anderen, wie sie sich über meine Geschenke freuten. „Danke Mia!“, bedankten sie sich immer wieder bei mir. „Du bist echt spitze.“, grölte Max, als er das Kameraobjektiv ausgepackt hatte und mir spontan um den Hals gefallen war. „Keine Ursache.“, beschwichtigte ich immer wieder Dann, als kein Geschenk mehr unter dem Christbaum lag, besahen die anderen sich schuldbewusst. „Mia, es tut uns leid.“, begann Tyson und blickte wieder zu seinem Geschenke Haufen. Ich wank nur beschwichtigend ab. „Lasst gut sein, Leute. Ihr habt mir ein Zuhause geschenkt und eine neue Familie, das ist mehr als genug.“, lachte ich, doch irgendwie dachten die anderen anders darüber. „Ray war der einzige, der dir etwas geschenkt hat.“, beharrte Hilary. „Jetzt vergesst doch mal die blöden Geschenke. Lasst uns lieber zusammen singen. Ich geh schnell und hol meine Vio…“, meine Begeisterung war schlagartig weg. „Naja, wir können immer noch acapella singen.“; sprach ich leise. Auch die anderen sahen betreten zu Boden. „Hm hm!“, räusperte sich Kai. Alle Augen waren sofort auf den Halbrussen gerichtet. „Alle Geschenke sind noch nicht verteilt.“, sprach der Blader, da trat Tysons Großvater ins Wohnzimmer und hatte ein Koffer großes Geschenk in der Hand. „Das ist von uns allen.“, sprach der alte Mann und überreichte mir das in Weihnachtspapier gewickelte Geschenk. „Danke.“, brachte ich nur verdattert heraus. Zaghaft streifte ich das Papier ab und hatte einen schwarzen Koffer mit silbernen Scharnieren und Schlössern vor mir liegen. * Klapp * machte es, als die Silberschlösser aufschnappten und langsam hob ich den Deckel. Um mich herum hat sich das ganze Bladebreaker Team versammelt und sah mit angehaltenem Atem zu.

Tränen liefen mir über die Wangen, als ich in das Innere des Koffers starrte. „Ihr seit… unmöglich.“, schluchzte ich und umarmte jeden von ihnen. Kai grinste mich an. „Ich habe mir gedacht, das es das richtige Geschenk ist.“, hauchte er mir leise ins Ohr. Zögernd griff ich in den Koffer und holte eine schwarze Stradivari heraus. Ganz vorsichtig drehte ich sie in der Hand und hielt die Luft an, als ich den Verstärkeranschluss sah. „Oh … mein … Gott.“, hauchte ich. Tyson sah überrumpelt aus. „Wusste einer von euch, das wir Mia ne Geige schenken?“, wandte er sich fragend an die anderen. „Wenn du gestern Kai zugehört hast, dann ja.“, raunte Hilary. Sanft strich ich mit dem Bogen über die Saiten und erfreute mich an dem klaren Klang. Der Abend wurde noch richtig schön. Vor dem Kaminfeuer sitzend, sangen wir Weihnachtslieder, tranken Punsch und aßen Plätzchen. Draußen fielen dicke Flocken zu Boden und drinnen war es herrlich warm.

Es wurde immer später und später. Irgendwann sprach Ray dann ein Machtwort, dass ich jetzt zu Bett gehen sollte, immerhin war ich noch nicht ganz gesund. Ohne Murren stand ich auf, verabschiedete mich von den anderen und ging gähnend zur Treppe. Kai stand plötzlich neben mir und begleitete mich hinauf. „Ich schulde dir noch ein Weihnachtsgeschenk, wollte es dir aber nicht vor allen anderen geben.“, flüsterte er, bevor er kurz in seinem Zimmer verschwand. Mit einem Paar Eiskunstlauf Schlittschuhen trat er wieder heraus. „Frohe Weihnachten.“, hauchte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Kai, das ist so lieb von dir.“, flüsterte ich zurück und bat ihn noch zu mir herein.

Fahles Mondlicht fiel auf mein Bett, wo Kai und ich nebeneinander lagen. „Kai?“, fragte ich in die Stille. „Mia?“, fragte er zurück. „Was wenn ich dir sage, dass ich dich liebe?“, fragte ich zaghaft. Kai drehte seinen Kopf zu mir, während ich einfach nur die dunkle Decke anstarrte. Lang musterte mich der Blader stumm. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, bis er zu sprechen anfing. „Ich weiß nicht, was dann wäre.“, sprach er leise und sah mir forschend ins Gesicht. >>Er empfindet es nicht so wie ich.<< stellte mein inneres Ich fest. Seufzend drehte ich mich auf die Seite und drehte Kai den Rücken zu. Er sollte nicht sehen, wie Tränen in meine Augen stiegen. Wieder herrschte eine Stille zwischen dem Blader und mir. Spannungen lagen in der Luft, aber anstatt unruhig zu werden, lag ich ganz ruhig da, bis ich traurig einschlief. Am Rande meines Bewusstseins nahm ich noch wahr, das Kai etwas sagte, aber seine Worte erreichten mich nicht mehr.

„Ich weiß nicht, was wäre wenn wir zusammen sind, wir müssten es ausprobieren.“, hatte Kai noch gesagt, aber da schlief ich bereits. Sanft legte Kai seine Lippen auf meine. „Wir bekommen das schon hin. Schlaf gut, meine Mia, bis morgen Früh.“, dann ging auch der graublau Haarige in sein Zimmer schlafen.

In dieser Nacht träumte ich wieder von Tala. Wolborg, der auf meinem Nachttisch lag, glimmte leicht.

// Ich lief durch einen Wald. Überall lag Schnee und die Bäume sahen verzaubert aus. Als ich dann auf eine Lichtung kam, ertönte wunderschöne Musik wie ein Engelschor und Tala trat zwischen den Bäumen auf mich zu. „Meine geliebte Mia.“, lächelte er mich an. „Tala!“, rief ich und rannte auf ihn zu. Schluchzend lag ich in seinen Armen. „Es tut mir so leid, Tala.“, flüsterte ich und sah in seine eisblauen Augen. „Du musst dich für nichts entschuldigen. Es ist gut, dass du wieder liebst. Außerdem ist er der Richtige für dich.“, sprach Tala leise und lächelte mich an. Schluchzend vergrub ich mein Gesicht an Talas Brust. „Ich komm mir aber so egoistisch vor.“, heulte ich und krallte mich an Tala fest. „Daran ist nichts egoistisch. Dein Leben liegt noch vor dir und Kais auch. Ich werde immer bei dir sein, das habe ich versprochen und eines Tages wirst du wieder bei mir sein.“, sprach Tala, dann drückte er mich von sich fort. „Du brauchst keine Schuldgefühle haben, oder irgendwas dergleichen. Ich werd niemals böse auf dich sein. Sei du nur glücklich.“, dabei sah Tala mir fest in die Augen, dass ich nur stumm nicken konnte. Sanft küsste er mich, dann lies er mich los und stieg in den Himmel auf. Eisblaue Flügel breiteten sich auf seinem Rücken aus. Lang sah ich noch in den Himmel, bis sich zwei kräftige Arme um meine Taille legten. Leicht drehte ich den Kopf. Lächelnd sah ich Kai an, der mir einen Kuss auf die Lippen hauchte. „Lass uns nach Hause gehen.“, flüsterte er und gemeinsam gingen wir durch den Wald zurück nach Hause.//

Kai hatte genau das selbe geträumt, er hatte gesehen, wie ich Tala traf, wie dieser sagte, dass er, Kai der Richtige für mich sei und dann war er zu mir gekommen und hatte mich geküsst.

Am nächsten Morgen, es war der 1.Weihnachtsfeiertag, streckte ich mich und schnupperte. Es roch nach frischem Kaffee, Speck und Lebkuchen. Max würde heute bei seinem Vater sein und auch Kenny und Hilary würden nicht da sein, so blieb mir nur die Gesellschaft von Kai, dem ich heute Nacht meine Liebe gestanden habe, Ray, Tyson und Tysons Opa.

Mein erster Weg führte mich ins Bad. Unter der Dusche summte ich ein Lied, schäumte meine Haare kräftig ein und entspannte mich, während die Wassertropfen meine Haut entlang rannen. Mit nassen Haaren und in einem kariertem viel zu langem Hemd kam ich wieder aus dem Bad. Barfuß sprang ich in die Küche hinunter und sah mich um. Der Tisch war nur für zwei Personen gedeckt. „Guten Morgen, Mia.“, grüßte mich Tysons Großvater. „Bist wohl ein bisschen luftig angezogen.“, stellte er gleich darauf fest. „Guten Morgen.“, grüßte ich gut gelaunt und blickte an mir herunter. „Ja, der Hunger hat mich getrieben.“, lachte ich. „Eigentlich wollte ich dir nur sagen, das Tyson und ich für die nächste Woche nicht da sind, wir fahren zu meinem Sohn. Außerdem ist Ray heut morgen nach China aufgebrochen. Lass dir das Frühstück schmecken.“, schon war der alte Mann zur Haustüre hinaus.

Mit angewinkelten Beinen saß ich auf dem Küchenstuhl und hatte das Hemd über die Knie gezogen. Vor mir stand eine Tasse Milchkaffee und Rührei mit Speck stapelte sich auf meinem Teller. Genüsslich mampfte ich vor mich hin, als ein Räuspern von der Tür kam. „Morgen Kai.“, grüßte ich ohne aufzusehen. „Woher wusstest du, das ich es bin?“, fragte er neugierig, während er sich zu mir an den Tisch setzte. „Weil alle anderen fluchtartig das Haus verlassen haben. Max, Kenny und Hilary haben gestern schon gesagt, das sie nicht da sein werden und Ray ist heute morgen nach China gegangen und Tyson und Opa sind auch weggefahren, also bist nur noch du übrig.“, klärte ich den Halbrussen auf. Kai nickte nur, während er sich eine Tasse Kaffee einschenkte. „Und was hast du heut so vor?“, fragte er, bevor er einen Schluck tat. Ratlos zuckte ich mit den Schultern. „Lust Eislaufen zu gehen?“, fragte Kai mich auf mein Schulterzucken. „Warum nicht.“, versuchte ich so gelassen wie möglich zu sagen, doch in meiner Stimme schwang mehr als Hoffnung mit, was Kai zum schmunzeln brachte. Nach dem Frühstück zog ich mich warm an, griff nach den Schlittschuhen, die Kai mir geschenkt hatte und stand dann vor der Haustüre. Kai kam gerade die Treppe hinunter, lächelte und bot mir seinen Arm an. Um die Nasenspitze wurde ich rot, als ich an Kais Arm neben ihm herlief. „Warum denn so schüchtern?“, fragte er lachend. „Weil … ich … du …“, stotterte ich. Da blieb Kai stehen, legte seine Hände an meine Wangen und sah mir tief in die Augen. „Mia, ich liebe dich.“, flüsterte er und presste dann seine Lippen auf meine. Machtlos genoss ich das Gefühl, welches durch meinen Körper strömte.

Gemeinsame Zeit

Mir zitterten die Knie und ich wusste beim besten Willen nicht, ob ich noch zu einem Schritt fähig war oder gleich hier auf der Stelle vor Glück zusammenbrechen würde. Kais Lippen lagen sanft auf meinen und Wärme breitete sich von meinem Bauch im ganzen Körper aus. Nach Atem ringend, löste ich mich von Kai. Dieser Kuss hat mich komplett aus der Bahn geworfen.

Zusammen liefen wir über die künstliche Eisfläche und ich ertappte mich immer wieder, wie ich zu Kai hinüber schielte. Jedes Mal, wenn er meinen Blick erwiderte, legte sich ein roter Schimmer über meine Wangen.

Wie sich herausstellte, hatten Kai und ich das Haus für einige Tage für uns.

So machten wir es uns am Abend noch zusammen auf dem Sofa gemütlich und sahen uns einen Film an. Kai saß in der Ecke und ich durfte mich an ihn kuscheln, so dass mein Kopf auf seiner Brust ruhte. Als es etwas kühler wurde, legte er eine Decke um uns. „Ich weiß, warum ich dich liebe.“, hauchte ich und schmiegte mich enger an seinen warmen Körper. „Und warum liebst du mich?“, fragte Kai und lächelte in sich hinein. „Weil du so bist, wie du bist. Mit dir kann ich über alles reden. Du bist immer für mich da.“, hauchte ich. „Genau aus diesen Gründen liebe ich dich auch.“, murmelte Kai an meinem Hals und knabberte leicht an meinem Ohr. Verführt gurrte ich, was Kai nur dazu veranlasste, weiter zu machen. „Oh… Kai… ich denk nicht….“, brachte ich gerade noch so hervor, weil ein heißer Schauer durch meinen Körper jagte. „Ich weiß.“, gab Kai nur amüsiert zurück und legte seine Lippen auf meinen Hals. Sanft presste er mich aufs Sofa und setzte sich rittlings auf mich drauf. Sanft schob er meinen Pulli ein Stück höher und liebkoste meinen Bauch. „Du bist so süß, wenn du rot wirst.“, nuschelte er. Zart strichen seine Lippen über meinen Bauch. „Und du bist einfach unmöglich.“, kicherte ich, während ich ihn zu mir zog und ihm dann einen langen Kuss auf die Lippen drückte.

Müde gähnte ich vor mich hin. „Wir sollten wirklich mal ins Bett gehen.“, gähnte Kai. Ein Blick auf die Uhr verriet, das es schon halb vier morgens war. Schlurfend ging ich in mein Zimmer und fiel wie ein Stein ins Bett. Es dauerte nicht lang, da drehte ich mich unruhig im Bett hin und her. Die Augen starrten ins Leere. >>Damn! Warum bin ich denn jetzt hellwach?<< Immer wieder dachte ich an den ersten Kuss mit Kai. Als ich damals Tala geküsst hatte, dachte ich schon, dass es nicht besser geht. Aber das mit Kai, das war traumhaft, himmlisch, perfekt. >>Vielleicht ist Kai mein Gegenstück.<< Überlegte ich während ich vergeblich auf den Schlaf hoffte.

Hellwach lag Kai in seinem Bett und starrte auf die Leuchtziffern seiner Uhr. >>Irgendwas fehlt! Es fehlt schon so lange! WAS fehlt denn bloß?<<, fragte er sich und starrte weiter an die Decke. >>Der Abend war so schön.<< dachte er dann im selben Moment. Ein Geräusch lies ihn aufschrecken. „Mia?“, fragte er leise in die Dunkelheit. Die Tür öffnete sich einen Spalt breit. „Kai ich kann nicht schlafen.“, hauchte ich in die Schwärze. Sofort knipste Kai das Licht an. Entschuldigend lächelte ich ihn an. „Ich hoffe, ich hab dich nicht geweckt.“, flüsterte ich entschuldigend. Lachend schüttelte Kai den Kopf. „Hast du nicht, ich konnte auch nicht schlafen.“, sprach er sanft. „Komm, setzt dich doch.“, dabei zwinkerte er mir zu. Mit klopfendem Herz setzte ich mich auf die Bettkante. „Warum denn wieder so schüchtern?“, fragte er lachend und schlug die Bettdecke beiseite. Da es doch etwas frisch war, schlüpfte ich zügig unter die Decke und kuschelte mich an Kai. „Bin nich schüchtern.“, nuschelte ich und roch an der Bettwäsche. >>Er riecht so göttlich.<<, dachte ich und schmiegte mich fest an Kai und in seine Decke. Meine Hand glitt unter der Decke heraus und suchte nach dem Lichtschalter der Nachttischlampe, doch alles was meine Fingerspitzen fanden, war Kais Hand. Breit grinsend drehte ich mich zu ihm um. „Zwei Idioten ein Gedanke.“, flüsterte ich, dann wurde es dunkel, da Kai den Schalter betätigt hatte. Seine Lippen berührten die weiche Stelle an meinem Hals. Sanft stöhnte ich auf, drehte mich zu Kai um und verschloss seinen Mund mit meinen Lippen. Der Kuss währte, bis wir eng umschlungen einschliefen.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, umschlangen mich zwei starke Arme und heißer Atem berührte mich im Nacken. Soweit ich konnte, drehte ich mich zu Kai um, lächelte und küsste ihn auf die Nase. „Morgen, Schatz.“, hauchte ich und kuschelte mich dann wieder in seine Arme. „Mhm.“, war alles von Kai, dann schlug er urplötzlich die Augen auf. Als er mich erblickte, wurde sein schreckhafter Blick wieder weich. „Morgen.“, murmelte er und küsste mich zärtlich im Nacken.

Die nächsten drei Tage waren die schönsten, die man mit Kai und ohne Tyson und Co verbringen konnte. Ray fehlte mir schon ein wenig, aber der wurde in seiner Abwesenheit von meinem Freund ersetzt. „Wann ist denn deine Musical Vorstellung?“, fragte Kai am Abend nach. „Morgen.“, hauchte ich verliebt, wurde aber traurig. „Eigentlich wollte Ray ja mit.“, flüsterte ich tonlos. „Dann lass ihn uns doch einfach mal anrufen.“, versuchte Kai mich aufzuheitern. Schon hatte er sein Handy gezückt und Rays Nummer gewählt. Lächelnd hielt er mir das Handy hin. * Tut * * Tut * machte es, dann wurde abgenommen. „Hey Kai, ist was passiert?“, fragte Rays Stimme, die etwas verzerrt klang. „Hi, Ray, ich bin´s Mia.“ sprach ich ins Telefon. „Hey, wie geht’s dir? Was treibt ihr beiden so allein daheim? Wieso rufst du von Kais Handy an? Ist was mit ihm?“, bestürmte mich der Chinese mit Fragen. „Stopp!“, brüllte ich fast ins Telefon um den Fragesturm zu unterbrechen. „Eines nach dem Anderem. Also! Mir geht’s gut, hoffe dir auch.“; fing ich an Fragen zu beantworten. „Mir geht es auch gut.“, hatte Ray noch dazwischen geworfen. „Ich vermiss dich etwas Ray, irgendwie kann Kai schon eine Klette sein, wenn kein anderer da ist.“, lachte ich und hauchte Kai einen Luftkuss zu, der nur grinste und seine Hand über meinen Innenschenkel gleiten lies, dass ich mir auf die Lippe beißen musste um nicht zu stöhnen. „Kai ist nichts passiert, er hat mir nur freundlicher Weiße sein Handy geliehen, dass ich dich anrufen kann. Soweit treiben wir aber hier nicht viel. Ich wollte dich eigentlich fragen wie es mit den Musical Karten aussieht, eigentlich wolltest du ja mitkommen.“, sprach ich wie ein Wasserfall. „Kleine, lass gut sein, ich hab das Musical schon mit Mariah gesehen, nimm Kai mit, wenn er will. Mach dir wegen mir wirklich keinen Kopf.“, lachte Ray. „Könntest du mir aber bitte noch Kai kurz geben?“, fragte er. „Sicher. Also dann, ich hoffe du kommst bald wieder. Tschüss.“, verabschiedete ich mich und reichte Kai das Handy. „Ray will noch mit dir sprechen.“, sagte ich, als Ray sich auch von mir verabschiedet hatte.

Kai nahm das Handy und hielt es schon ein Stück weit von seinem Ohr weg. „WAS GLAUBST DU EIGENTLICH, WER DU BIST? WENN DU MIA AUCH NUR EIN HAAR KRÜMMST, DANN KANNST DU WAS ERLEBEN, WENN ICH WIEDER DA BIN!“, brüllte Ray. Erschrocken blickte ich zum Telefon. Als Ray eine Pause zum Luft holen machte, nutzte Kai die Chance. „Ich glaube ich bin derjenige, der Mia glücklich machen kann. Und nein, ich werde ihr kein Haar krümmen, dafür liebe ich sie zu sehr.“, sprach er ruhig. Am anderem Ende der Leitung blieb es Still. „… Also… du und Mia? …“, brachte der Chinese es schließlich zur Sprache. „Ja, wir sind zusammen.“, hauchte ich ins Telefon. „RUMS!“, machte es von Rays Seite. „Ist dir was passiert?“; fragten Kai und ich wie aus einem Mund. „Das war nur der Stein, der von meinem Herzen gefallen ist. Ich bin so froh dass ich mir keine Sorgen machen muss, dass ihr euch gegenseitig das Herz raus reißt.“, lachte Ray und gemeinsam lachten wir noch eine Weile.

So war es beschlossene Sache, dass Kai und ich am nächsten Abend zusammen ins Tanz der Vampire Musical gingen.

Flug nach Amerika

Wie damals, als wir auf den Mitternachtsball der BBA gingen, pochte mein Herz, als ich die Stufen in den Flur hinunter schritt. Diesmal wartete kein Tala auf mich, der mir den Arm reichte, nein, diesmal wartete Kai. Sein Anblick brachte mich so aus der Fassung, dass ich die letzte Stufe übersah, einen Tritt ins Leere machte und in die starken Arme von dem Blader, den ich liebe, stürzte. Er sah aber auch zu gut, in diesem marine blauen Smoking, aus. „Nicht so stürmisch kleiner Engel, fliegen kannst du noch nicht.“, lachte Kai, als er mich auffing.

Ein Taxi brachte uns schließlich zum Theater wo das Musical stattfand.

….

Es fielen vereinzelte Schneeflocken vom Himmel, als Kai und ich das Theater verließen. Im Schein der Straßenlaterne, funkelte der Schnee wie tausende kleiner Diamanten. „Danke.“, hauchte ich. „Danke für den schönen Abend.“ Unter der Laterne, in dem Glitzerschnee, drückte Kai mir einen zärtlichen, langen Kuss auf die Lippen.

Die Kirchturmuhr schlug Mitternacht und der dunkle Himmel wurde von bunten Lichtern erhellt. „Happy New Year.“, flüsterte Kai zärtlich in mein Ohr. „Dir auch ein gutes neues Jahr.“; flüsterte ich zurück und schmiegte mich in seine Arme. Gemeinsam gingen wir noch etwas trinken um auf das neue Jahr und unsere Liebe an zu stoßen.

….

Mit einem starken Kater wachte ich am nächsten Tag, nachmittags, allein in meinem Bett auf. „Kai?“, fragte ich mit kratziger Stimme, aber niemand antwortete. Steif und wankend machte ich mich auf den Weg ins Bad und spritzte mir kaltes Wasser in mein Gesicht.

Kais Jacke hing nicht an der Garderobe, auch seine Schuhe fehlten, stellte ich fest, als ich hinunter und Richtung Küche ging. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel. Der Brief war in aller Eile geschrieben worden, so wüst, wie die Schrift aussah.

//Geliebte Mia,

es tut mir leid. Vielleicht habe ich dir zu viele Hoffnungen gemacht, mir eingebildet, dass du gut genug für mich wärst. Wahrscheinlich war das alles nur ein Wunschdenken beiderseits. Nie wirst du Sayuri ersetzen können und ich werd nie Talas Platz einnehmen.

Es mag sein, dass Talas Beyblade eine sentimentale Bedeutung für dich hat, aber mehr verbindet dich nicht mit diesem Sport, der alles für mich bedeutet.

Ray kommt spätestens in drei Tagen zurück, solange wirst du ja hoffentlich auf dich selber aufpassen können. Etwas Geld hab ich dir auch da gelassen, du findest es in deiner Jackentasche. Mach´s gut. Kai.//

Meine Hände zitterten und mehr stolpernd als rennend, kam ich in Kais Zimmer an. Hoffnungsvoll riss ich die Schranktüren auf, aber nur gähnende Leere schlug mir entgegen. Den Brief hatte ich irgendwo unterwegs fallen lassen, aber das war mir nicht wichtig. Kraftlos lies ich mich auf den Boden sinken und schlug die Arme um meine Knie. Sanft schaukelte ich vor und zurück. Alles war egal. Nichts war mehr wichtig. Es gab nur die Leere, die wiedereinmal Besitz von mir ergriffen hatte. >>Erst Tala, dann Kai.<<, dachte ich immer wieder.

Draußen wurde es dunkel, dann wieder hell, nur um wieder dunkel zu werden. Seit zwei Tagen saß ich nun schon in Kais Zimmer auf dem Boden und wippte vor und zurück, immer wieder. Ich wusste, dass ich genau in das Schema zurück verfiel, welches auch nach Talas Tod Besitz von mir ergriffen hatte. >>Ich muss zu Hannah, sie kann mir helfen.<< dachte ich, aber mehr auch nicht, ich bewegte mich keinen Millimeter aus dem Zimmer fort. Schlafen konnte und wollte ich nicht, denn dann sah ich Kai vor mir, wie er mich anlächelte, wie er mir so tief in die Augen blickte, mich küsste, mir sagte, dass er mich liebt.

Die Haustüre fiel ins Schloss. „Mia? Kai? Seit ihr da?“, rief Ray durchs Haus. Mühsam kämpfte ich mich auf die Beine. „Ray?“, krächzte ich leise und schlurfte hinaus in den Gang. Ray kam gerade die Treppe herauf. „Oh Gott Mia, du siehst schlimm aus, wo ist Kai?“, sprudelte der Chinese drauf los. „Er ist weg.“, hauchte ich leise. Stirn runzelnd sah der Chinese mich an. „Wie weg?“, fragte er irritiert. „Einfach weg, hat alles mitgenommen.“, erklärte ich und mir liefen Tränen über die Wangen. Tröstend nahm Ray mich in den Arm. Es tat gut, einfach nur gehalten zu werden und zu weinen. Als ich mich soweit beruhigt hatte, führte Ray mich hinunter in die Küche. „Wann?“, war alles, was er fragte. „Neujahr, als ich aufwachte, war er fort.“, flüsterte ich leise und trank den heißen Tee, den Ray mir hingestellt hatte. Wütend ballte der Blader die Hand zur Faust. „Aber ihr wart doch am Abend zuvor noch so glücklich.“, setzte Ray an. Vergeblich versuchte er eine logische Lösung für Kais Verhalten zu finden. „Er hat einen Brief geschrieben, der muss hier irgendwo noch liegen.“, sprach ich während ich mich suchend umsah. Ray fand den Brief schließlich im Gang und las ihn. Sein Gesicht war ausdruckslos. „Ich hab ihn gewarnt!“, murmelte Ray und sah dann in mein Gesicht. „Aber erst mal mach ich dir was zum Essen.“, lächelte der Blader mich an, was ich ihm mit einem leichten Lächeln dankte. >>Ich bin nicht allein, Ray ist da und Tyson, Max, Kenny und Hilary kommen auch bald wieder und sind für mich da.<< Das hatte Hannah mir in der Psychiatrie beigebracht, dass ich nicht allein bin. Wortlos aß ich das Omelett und dachte immer wieder an die Dinge, die ich gelernt hatte. „Es hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen, dass Kai einfach wortlos gegangen ist.“, sprach ich leise. „Aber ich denk, dass ich diesmal damit klar komme.“, dabei lächelte ich Ray an. Dieser versuchte schon zum wiederholten Male Kai telefonisch zu erreichen. Endlich nahm er ab. „KAI, ICH HAB DICH GEWARNT! WIE KONNTEST DU MIA DAS NUR ANTUN?“, brüllte der Chinese. „NEIN, ICH BERUHIGE MICH NICHT!“, brüllte er immer weiter. „DU BIST WO?“, nun hatte es Ray die Sprache verschlagen und diesen Moment nutzte Kai aus. „Es tut mir ja Leid, dass ich Mia so weh getan habe, aber ich konnte nicht anders. Mir wurde erst an Silvester klar, wie sehr ich Sayuri noch liebe, darum bin ich auch nach Amerika zu ihr geflogen. Auch wenn ich Mia liebe, das mit Sayuri ist was anderes. Außerdem fühlt Sayuri genauso.“, sprach Kai in kühlem ruhigen Ton. „DU BIST DAS GRÖSSTE A**** DAS ICH KENNE.“, hatte Ray noch gebrüllt und aufgelegt.

Bei Kai:

Traurig blickte er auf das tutende Handy in seiner Hand. >>Es tut mir mehr als Leid. Ray, Mia, ich hoffe ihr könnt mir eines Tages verzeihen.<<, dachte er und blickte dann zum Fenster hinaus. Vielleicht war es keine so gute Idee gewesen, einfach nach Amerika zu fliegen, ohne mit jemandem darüber zu reden und vielleicht war es die blödste Idee, Mia allein zu lassen. „Ich könnte mich Ohrfeigen!“, schimpfte der Blader mit sich selbst. Vor nicht mal zwei Stunden hatte Kai sich mit Sayuri getroffen, diese war ihm um den Hals gefallen, hatte ihre Zunge in seinen Mund gesteckt. Es war nicht das, was Kai erwartet hatte. Er hatte auf die Schmetterlinge in seinem Bauch gewartet, aber kein einziger wollte sich erheben. >>Was bin ich nur für ein Idiot. In Japan sitzt das Mädchen, dass ich liebe. Ihr habe ich das Herz gebrochen weil ich dachte, dass ich eine andere liebe. Wahrscheinlich kann sie mir nie verzeihen. MIA.<< dachte Kai, während sein Daumen immer wieder über seinen Dranzer strich. >>Ich hab alles falsch gemacht.<< Seine Taschen waren noch nicht einmal ausgepackt, als er wieder zu seinem Handy griff und den Rückflug nach Japan buchte.

Drei Tage musste Kai noch ausharren, bis er wieder in den Flieger nach Japan steigen konnte. Einige Male hatte der Blader noch versucht, Ray auf dem Handy zu erreichen, doch jedes Mal wurde er weggedrückt. Ans Haustelefon ging auch keiner. Seufzend verbrachte der graublau Haarige den Abend in seinem Hotelzimmer und betrachtete seinen Blade. >>Wenigstens hab ich noch dich, Dranzer.<<, dachte er, als er das Bild des Phönix betrachtete.

Ein zaghaftes Klopfen, lies den Blader aufschauen. Als es nochmals klopfte, stand Kai auf und öffnete die Tür. „Entschuldigen Sie bitte die Störung, Herr Hiwatari. Ein Eilbrief aus Japan ist soeben eingetroffen.“, mit diesen Worten reichte ein Hotelpage dem Blader einen Brief. Zögernd nahm der Blader den Brief, bedankte sich und schloss die Tür hinter sich.

Ihm zitterten die Finger, als er die Schrift erkannte. „Mia.“, hauchte er. Dann begann er die Zeilen zu lesen.

//Hey Kai,

ich hoffe, du hast im Lotus Hotel eingecheckt, dass der Brief dich erreicht.

Um gleich zur Sache zu kommen, dein Brief hat mich sehr verletzt, da wir doch eine schöne Zeit miteinander hatten, aber ich möchte deinem Glück nicht im Wege stehen. Du hast deine Sayuri ja noch und ich wünsche euch alles Gute auf der Welt, dass du glücklich bist und das Mädchen deines Herzens glücklich machen wirst. Ray meinte zwar, dass es bescheuert sei, dir zu schreiben, aber ich für meinen Teil muss diesen Schritt tun, um meiner Seelen Frieden.

Ansonsten gibt es im Grunde nicht mehr viel zu sagen. Das Meiste würde dich ja eh nicht interessieren. Vielleicht bin ich nicht mehr da, wenn du zurück nach Japan kommst, falls du das überhaupt vor hast. Ich habe dich wirklich geliebt Kai, du warst nicht nur Ersatz für mich, du warst mein Leben.

Mia Peters.//

Schwer schluckte der Blader. >>Nicht mehr da, wenn ich zurück komm… geliebt… Mia….<< seine Gedanken kreisten um die paar Zeilen, die ich geschrieben hatte.

Eine Träne rann über das Gesicht des graublau Haarigen, fiel auf den Brief und verwischte die Tinte.

Kapitel 13: Schritte, die ich gehe

>>Endlich!<<, dachte der graublau haarige Blader, als das Flugzeug zur Landung ansetzte. Niemand wusste, das Kai wieder in Japan war. Niemand sollte es wissen, denn der Blader wollte sich keine Blöße vor den anderen geben. So kam es auch, dass Kai nicht zum Dojo fuhr, sondern sich in ein Hotel einquartierte.

Seit zwei Tagen nun, observierte der Blader das Dojo nun schon. Beobachtete, wer alles das Haus betrat und wieder verließ und was wir alles taten. An beiden Abenden hatte Kai beobachtet, wie in seinem Zimmer das Licht anging und jedes Mal hatte er danach meinem Violinenspiel gelauscht. Auch am dritten Abend, nachdem es dunkel geworden war, flammte das Licht in Kais Zimmer auf. Gebannt wartete der Blader in seinem Versteck darauf, dass die ersten Töne ertönten. Doch er lauschte etwas anderem: „Eine Woche ist vergangen, seit dein Brief übergeben worden ist und er hat sich immer noch nicht gemeldet.“, sprach Ray und in seiner Stimme schwang Enttäuschung mit. „Ich weiß.“, sprach eine schwache Mädchenstimme. Zuerst wusste Kai nicht, wer da sprach, aber dann trat das Mädchen ans Fenster. >>Oh Gott, Mia.<<, schoss es dem Blader in seinem Versteck durch den Kopf. Unter meinen Augen lagen dunkle Ringe, das erkannte sogar Kai aus seinem Versteck. Die Haut wirkte fahl und im allgemeinem wirkte ich sehr ausgezehrt.

Ray trat hinter mich, legte mir einen Arm um die Schultern und gemeinsam sahen wir zum Sternenhimmel hinauf. Einige Minuten verharrten wir so, dann löste ich mich aus Rays Umarmung, schloss das Fenster und zog den Vorhang davor. Gleich darauf erlosch auch das Licht im Zimmer.

Wie jeden Abend seit etwas mehr als einer Woche, lag ich in meinem dunklem Zimmer und weinte mich in den Schlaf. Ray, der das Schluchzen auf dem Gang vernahm, schüttelte den Kopf. >>Dieser verdammte Idiot.<<, dachte sich der Chinese schon zum wiederholten Male. Sacht klopfte er an die Türe und trat ein. „Hey, Mia. Er ist keine einziger dieser Tränen wert.“, sprach Ray leise und strich mir aufmunternd über den Rücken. „Außerdem liegst du sowieso wieder bis Nachts um drei wach und weinst, also lass uns irgendwas machen, das lenkt dich ab.“, mit den Worten schenkte Ray mir ein aufmunterndes Lächeln. „Können wir spazieren gehen?“, bat ich und der Chinese nickte lächelnd. Kurz darauf verließen wir das Haus. Ray hatte seinen Arm um meine Hüfte gelegt und gemeinsam liefen wir durch die verschneiten Straßen. Eine dunkle Gestalt folgte uns mit sicherem Abstand.

„Morgen kommt Hilary wieder. Vielleicht tut es dir ganz gut, wenn ihr einen Mädels Abend macht.“, sprach Ray, während wir so dahin schlenderten. „Bestimmt.“, versuchte ich enthusiastisch zu klingen. Ray zog mich fest an sich. „Das bekommen wir auch wieder hin. Versprochen.“ Dankbar lächelte ich ihn an. >>Mit solchen Freunden kann es nur aufwärts gehen.<<, machte ich mir selber wieder Mut und musste grinsen. Tyson, mit dem ich gestern telefoniert hatte, versicherte mir, dass er alles daran setzen wird, um mich von meinen trüben Gedanken abzulenken.

Und dann begann es wieder zu schneien. Ray und ich gingen wieder nach Hause, wo er uns einen Tee machte.

Betrübt war Kai zurück in sein Hotelzimmer gegangen. Gedankenverloren wählte er die Haustelefonnummer des Dojo. Zweimal tutete es, bis abgehoben wurde. „Mia Peters.“, meldete sich eine weibliche Stimme. Schwer schluckte der Blader, er konnte nicht auflegen. „Hallo? Ist da wer?“, fragte ich weiter, bekam aber keine Antwort. „Ich leg jetzt auf!“, sprach ich in den Hörer, da erwachte Kai aus seiner Starre. „Bitte leg nicht auf.“, flüsterte er leise. Meine Hand zitterte, als ich den Hörer fest gegen mein Ohr presste. „Kai? Bist du es?“, fragte ich und meine Stimme zitterte genauso wie meine Hand. „Es tut mir so Leid.“, hauchte der Blader nur. Eine vereinzelte Träne rann mir die Wange hinab. „Mir tut es auch Leid.“, flüsterte ich leise und legte auf.

Schlurfend kam ich wieder in die Küche. „Wer war´s denn?“, fragte Ray und schenkte Tee nach. „Am liebsten würde ich sagen, „falsch verbunden“, aber es war Kai.“, sprach ich und nahm dann erst einmal einen Schluck Tee. „Kai.“, hustete der Blader, der sich an seinem Tee verschluckt hatte. „Ja.“, antwortete ich ohne eine Miene zu verziehen. „Was wollte er denn?“, bohrte der Chinese nach. „Erst hat er gar nichts gesagt, danach nur, das es ihm Leid täte. Mehr nicht.“, sprach ich und wieder rann eine Träne über mein Gesicht. Mitfühlend nahm mich Ray in den Arm.

Kai hingegen hatte ein Deja-vú. Schon einmal hatte er auf das tutende Handy in seiner Hand gestarrt. Es versetzte ihm einen Stich ins Herz, dass ich einfach so aufgelegt hatte. >>Eigentlich hab ich es auch nicht anders verdient.<<, dachte der Blader, trotzdem stimmte es ihn traurig.

Hilary und ich machten uns am darauffolgendem Tag einen schönen Mädels Tag. Wir gingen shoppen und etwas Trinken. Keiner von uns Beiden bemerkte Kai, der mich keine Sekunde aus den Augen lies. Zwar hatte Hilary ein paar Mal über die Schulter geblickt, da sie etwas spürte, aber Kai konnte sich immer noch rechtzeitig verstecken. „Was hast du denn jetzt schon wieder?“, fragte ich etwas ungehalten, nachdem Hilary sich mindestens schon zum sechsten Mal umgeblickt hatte. „Ich schätze, wir werden verfolgt.“, flüsterte diese leise zurück. „Ach Quatsch. Hier ist einfach nur viel los.“, versuchte ich meine Freundin zu beruhigen. Langsam entspannte sie sich auch und wie setzten unseren Einkaufsbummel fort.

„Was willst du denn heut Abend machen?“, fragte mich Hilary nach einer Weile. „Was steht denn alles zur Auswahl?“, fragte ich lachend nach. Ja, meine Freundin hatte es wirklich geschafft, mich komplett von meinen düsteren Gedanken abzulenken. „Wir könnten ins Kino gehen, oder zu der Musikveranstaltung im Rathaus.“, schlug Hilary vor. „Ich bin für die Musikveranstaltung, wenn es dir nichts ausmacht.“, nahm ich den zweiten Vorschlag an. So machten wir Mädels uns auf den Heimweg.

Hilary steckte mir die Haare kunstvoll hoch. „Das Beste habe ich dir ja noch gar nicht gesagt. Bei der Musikveranstaltung dürfen auch Noname Künstler auftreten. Also vergiss deine Stradivari nicht.“ Hilary war wirklich die Beste. Freudig sprang ich mit der halb fertigen Frisur in mein Zimmer um die Stradivari zu holen, die ich von meinen Freunden zu Weihnachten bekommen hatte. Mit dem Koffer kam ich wieder ins Bad, damit meine Freundin mich fertig machen konnte.

Als meine Frisur saß, es Zeit war, fuhr ein Taxi vor und brachte Hilary und mich zum Rathaus. Am Eingang begrüßte der Bürgermeister persönlich alle Gäste, die erschienen waren, dann ging es in eine große Lobby, in der ein Sektempfang stattfand. „Ich freue mich, so viele Musikliebhaber heute hier begrüßen zu dürfen. Am Anfang werden unsere Künstler sie unterhalten und wenn das Programm soweit durch ist, dürfen gerne auch Newcomer auf die Bühne. Viel Spaß mit unserem Musikevent.“, eröffnete der Bürgermeister der Abend.

Der Abend war schon voll im Gange und begeistert hörte ich den verschiedenen Künstlern zu. Mich faszinierte der Drummer, der einfach Musikwünsche annahm und dann trommelte. Oder dieser Opernsänger, der auch den weiblichen Part des Stückes ohne Probleme sang. Auch Hilary schien an das Programm gefesselt zu sein. Applaus donnerte, als der letzte Künstler seine Darbietung beendete. „Nach einer kurzen Pause dürfen dann unsere Newcomer die Bühne stürmen.“, sprach der Bürgermeister und eröffnete das Buffet. Nach ein paar Happen Essen ging es dann weiter. „Jetzt komm schon, du hast deine Stradivari nicht umsonst mitgenommen.“, flüsterte Hilary, da sich niemand traute. Als ich mich seufzend erhob, schubste sie mich zur Bühne.

Am Seitenrand der Bühne, nahm ich vorsichtig meine Geige aus dem Koffer. Dann trat ich ins Scheinwerferlicht. „Guten Abend, mein Name ist Mia Peters.“, stellte ich mich vor und legte die Geige an. „Nicht schon wieder so ne Violinistin.“, brüllte jemand im Publikum. „Ich möchte euch gern „November Rain“ von Guns N Roses vorspielen.“, sprach ich und stöpselte meine Stradivari an den Verstärker an. „Aber das ist doch Rock und sie spielt ein klassisches Instrument.“, murmelte jemand. Doch dann, als die ersten Töne erklangen, das Orchester mich im Hintergrund begleitete, verstummte alles. Ich konzentrierte mich allein auf meine Musik und ging ganz darin auf.

Mein Blick schweifte über die begeisterte Menge und dann sah ich ihn. Er stand ganz hinten an der Wand, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und die Augen geschlossen. Mein Herz raste, aber ich lies mich nicht aus dem Takt bringen. Ich beendete meine Darbietung und wurde von tosendem Applaus empfangen. Mein Blick galt aber nur dem Jungen mit den blauen Streifen auf den Wangen und den graublauen Haaren. Dieser verließ soeben den Saal. „KAI! Warte bitte!“ rief ich, während ich mich durch die Menschenmassen drängte, doch konnte ich den Blader nicht mehr einholen.

Hilary hatte Kai ebenfalls gesehen, jedoch auch nicht aufhalten können. Er war schnell zur Tür hinaus gehuscht und verschwunden. Nachdem wir dann noch andere Newcomer angehört und applaudiert hatten, machten wir Mädels uns wieder auf den Heimweg. „Immerhin wissen wir, dass Kai wieder zurück ist.“, brachte Hilary das Thema auf den wunden Punkt. „Wir müssen es Ray sagen.“ Mit den Worten eilten wir zum Taxi und ließen uns heimfahren.

„Also ist Kai wieder hier.“, schlussfolgerte Ray und kochte mal wieder einen Tee auf. „Du hast es erfasst.“, sprach Hilary düster. „Er will anscheinend nichts mehr mit uns zu tun haben, sonst wäre er ja hier aufgetaucht.“ Schweigend saß ich mit am Tisch. Der Abend war viel zu schön gewesen, als das ich mir ihn durch Kai verderben lies. „Übrigens hat mich ein Musikproduzent angesprochen.“, wechselte ich das Thema. „WAS?“, kam es zweistimmig zurück. „Ja so ein Schnösel wollte mich für eine Promotion Tour haben. Irgendwo hab ich sogar noch die Nummer.“ Hilary und Ray sprachen durcheinander. „Stopp. Ich hab gesagt ich lass es mir durch den Kopf gehen. Aber jetzt geh ich erst mal ins Bett.“, sprach ich ein Machtwort und ging hinauf in mein Zimmer.

Nach dem Abend saß ich in meinem Zimmer vor dem Spiegel und fing an, die Haarnadeln aus meinem kunstvoll hochgestecktem Haar zu ziehen, als ich ihn in meinem Schminkspiegel erblickte. Meine Augen weiteten sich, mein Mund wurde trocken. Es dauerte nur wenige Herzschläge und er stand dicht hinter mir, so dass ich seinen warmen Körper hinter mir spüren konnte, woraufhin ich zu zittern begann. „Mia.“ flüsterte seine Stimme im sanften und doch zugleich rauem Ton. Sacht strich er die Haare von meinem Nacken, ich spürte, wie sein Gesicht immer näher kam. „Ich liebe dich und habe nie aufgehört an dich zu denken.“, sagte er zärtlich und seine Lippen berührten meinen Hals, darauf hin biss ich mir auf die Lippe, mein ganzer Körper bebte. „Schau mich an!“, bat er mich ruhig. Doch ich blickte stur in den Spiegel vor mich. „SCHAU MICH AN!“, rief er nun ungehalten und seine Stimme war lauter und gefährlicher. Langsam drehte ich mich um. Der Stuhl quietschte bei jedem Zentimeter, den ich mich drehte. Er legte seinen Zeigefinger unter mein Kinn und zwang mich praktisch dazu, ihm ins Gesicht zu sehen. Traurig blickte ich Kai an, dieser drückte mich fest gegen die Lehne, dann tat er etwas, was ich niemals erwartet hätte:

Er küsste mich mit solcher Intensivität, dass meine Knie ganz weich wurden. Seine Lippen legten sich fest auf meine. Ergeben seufzte ich und erwiderte diese Leidenschaft.

Wann seh ich dich wieder?

Später würde ich es bereuen, da war ich mir in diesem Moment sicher. Denn Kai würde nicht dableiben. Sein Kuss war leidenschaftlich, aber gleichzeitig war es auch ein Abschied. Sanft strich er mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Gerade, als Kai zum sprechen angesetzt hat, wurde meine Zimmertür stürmisch aufgerissen. „Mia!“, weiter kam Ray nicht, der perplex im Türrahmen stehen geblieben war, als er Kai erblickte. „Mia.“, sprach hingegen Kai und ich wandte meinen Blick wieder zu dem Jungen vor mir. „Es gibt noch einiges, was ich erledigen muss, bis ich wieder bei dir sein kann. Sofern du mich überhaupt zurück willst. Aber leider muss ich dich dafür wieder verlassen.“, flüsterte Kai leise.

Ray stand immer noch im Türrahmen und räusperte sich vernehmlich. „Vielleicht hättest du dann nicht kommen sollen, Kai.“, warf er dem graublau Haarigen vorwurfsvoll vor. Böse blickte Kai den Chinesen an. Seufzend wandte ich mich von Kai ab. „Ray hat Recht. Wenn du sowieso wieder gehst, wäre es besser gewesen, wenn du nicht gekommen wärst. So fällt mir der Abschied nur noch schwerer.“, mit den Worten stellte ich mich zu Ray, der mir sogleich einen Arm um die Schultern legte. „Wann seh ich dich wieder?“, fragte ich noch, als Kai mir den Rücken zudrehte. „In einem Monat, vielleicht auch zwei.“, sprach der russische Blader, dann trat er auf den Balkon hinaus und sprang in die Tiefe.

Inzwischen waren zwei Wochen vergangen. Tyson und Max waren inzwischen auch wieder Daheim und so gab es ein großes Wiedersehen. Jedes Mal, wenn mich die Einsamkeit und Trauer zu überwältigen drohte, dachte ich daran, dass Kai bald wieder kommen würde, er hat es praktisch versprochen. „Hey Mia, hörst du mir überhaupt zu?“, riss mich die wütende Stimme Hilarys aus meinen trüben Gedanken. „Tschuldige, was hast du gesagt?“, fragte ich nach. „Machst du diese Tour oder nicht?“, wiederholte Hilary ungeduldig und schon zum fünften Male die Frage. „Es wäre bestimmt lustig, aber war ist mit Schule und mit euch?“, wandte ich ein. „Schon mal was von Privatlehrer und Internet, Post, Telefon gehört?“, fragte Tyson, der es zu amüsant fand. „Schon, aber…“, versuchte ich wieder etwas einzuwenden. „Kein „aber“. Es wird dir sicherlich gut tun, wenn du ein bisschen raus kommst.“, sprach nun auch Tysons Opa. Zögernd lächelte ich in die Runde. „Meinetwegen, dann ruf ich halt mal an.“, gab ich schließlich nach.

Gesagt, getan. Schnell war das mit dem Produzenten geklärt, dann klärte ich auch noch alles mit dem Direktor der Schule. Schweren Herzens trat ich in den Musiksaal, wo meine ganze Klasse bereits auf mich wartete. „Hey Mia, du bist zu spät.“, tadelte mich Yuki mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ohne dich war der Unterricht einfach nicht das Selbe.“, sprach Sean hinter mir und klopfte kameradschaftlich auf meine Schulter.

Herr Saotome war noch nicht da, darum stellte ich mich vor die ganze Klasse. „Leute, ich muss euch was sagen.“, begann ich. Sofort wurde es um mich herum ruhig. Alle Augenpaare waren auf mich gerichtet. >>Komm gleich zur Sache, Mia, sonst bringst du´s nie übers Herz.<< dachte ich mir und blickte fest in die gespannten Augen vor mir. „Ich hab euch alle sehr lieb, es fällt mir auch schwer, es zu sagen, aber ich komm nicht wieder.“. Entsetzte Blicke. Traurige Blicke. Enttäuschte Blicke. „Warum?“, fragte eine männliche Stimme vom Türrahmen. Herr Saotome war inzwischen auch schon zum Unterricht gekommen. „Ich hab das Angebot bekommen, eine Promotion-Tour zu machen.“, flüsterte ich kraftlos, denn mir tat es in der Seele weh, meine Freunde so blicken zu sehen. „Mir tut es sehr leid, dass ich euch einfach so sitzen lass mit dem Musikevent und allem.“, flüsterte ich weiter, doch lautstarkes Gemurmel lies mich innehalten. „Eine Promotion-Tour!“, kreischte Hinata begeistert. „Dann musst du aber auch hier ein Konzert geben.“, tönte es aus einer anderen Ecke des Musiksaals. Ein Lächeln huschte über meine Lippen. „Selbstverständlich werd ich auch hier ein Konzert geben und ihr bekommt alle VIP Karten. Versprochen.“ Besser hätte es gar nicht laufen können.

So kam es, dass Ray mit mir im Vorgarten des Dojo stand und mit mir auf mein Taxi wartete. „Meld dich ab und zu mal, okay?“ traurig blickte der Chinese mich an. „Ich hab ja deine Handynummer.“, versuchte ich gelassen zu erwidern, aber mir war ganz mulmig zu Mute. Von Weitem erblickte ich schon das gelbe Auto, welches mich ins Hotel zu meinem Produzenten bringen würde. Feste umarmte ich Ray. „Pass auf dich auf.“, flüsterte Ray mir noch zu, bevor er mich auf die hinteren Sitze drücke und die Tür zuschlug. „Zum Asakusa Inn Hotel, bitte.“, gab ich das Ziel an. Als das Taxi losfuhr, blickte ich stumm zurück. Eine einzelne Träne bahnte sich den Weg über meine Wange, als ich die Hand hob und Ray ein letztes Mal wank, bevor der Wagen um die nächste Kurve fuhr und mein Lieblingskoch verschwand.

Als das Taxi vor dem Hotel hielt, starrte ich nur mit offenem Mund aus dem Fenster. Vor mir lag eine überdimensionale Villa. Anders konnte ich es nicht beschreiben. Die Büsche und Bäume waren alle in Tierformen geschnitten und von dem weißen Puderschnee bedeckt.

In der Lobby wartete bereits der Musikproduzent. „Ah, da bist du ja, mein Wunderkind.“, sprach der etwas dickere Mann, als er mit ausgebreiteten Armen auf mich zu kam. „Guten Tag, Herr Konami.“, brachte ich gequetscht heraus, als ich von ihm umarmt wurde. „Wir müssen gleich los, Kindchen, das Tonstudio hat uns grad so noch rein schieben können.“, sprach er und hatte dann auch sofort das Handy am Ohr. „Ja, ich bin´s, …wir sind in spätestens einer viertel Stunde da, …´türlich bring ich dir die Wundergeigerin mit, …bis gleich. Tschau.“, schon legte Herr Konami auf und zerrte mich mit nach draußen in eine Limousine, die bereits wartete. Die Fahrt dauerte nicht lang und ich wüsste auch nicht, was ich hätte sagen oder fragen sollen, darum schaute ich nur aus dem Fenster.

Im Tonstudio angekommen, versuchte ich mir nicht mal, die Namen aller, zu merken. Leicht lächelnd schüttelte ich einigen Damen und vielen, vielen Herren die Hand. Dann wurde ich in einen kleinen Raum geführt, in dem ein Mikro und eine Geige bereit standen. Über Lautsprecher ertönte die Stimme von Herrn Konami. „Spiel uns was vor, Kleines.“ Dabei klang seine Stimme so verzerrt, dass es mir nicht geheuer war. Zögernd griff ich nach der Geige und fuhr mit dem Bogen langsam über die Saiten. Kopfschüttelnd lies ich die Geige wieder sinken. „Tut mir leid, aber die ist so verstimmt, da bekommt man keinen vernünftigen Ton hin. Wenn es ihnen Recht ist würde ich gern kurz hinaus an die Limo und meine Geige holen.“, sprach ich und wartete darauf, dass die Männer auf der anderen Seite der Glasscheibe nickten. „Gut, du hast eine Minute.“, sprach einer der Studio Männer. Sofort sauste ich los und kam außer Atem, aber mit meinem Violinenkoffer wieder im Studio an. Sofort verschwand ich wieder in meinem Raum und lies die Schlösser des Koffers aufschnappen. Zärtlich strich ich über das Holz der Stradivari und dann mit einem Lächeln auf den Lippen lies ich den Bogen über die Saiten gleiten.

„Das ist doch Toccata.“, sprach eine Frau, die ebenfalls auf der anderen Seite der Glasscheibe stand und gebannt meiner Musik lauschte. Anerkennend nickten einige der Herren. „Einfach unglaublich.“, sprach einer von ihnen. „Ich sagte doch, sie ist eine Wundergeigerin.“, sprach Herr Konami. Danach spielte ich noch „Master of Puppets“, was ebenfalls gut ankam. Ich sah die Menschen auf der anderen Seite des Glases wie sie applaudierten und innerlich wuchs ich um mindestens einen Meter. Dann wurde auch schon die Türe geöffnet und mein Produzent verwickelte mich wieder in eine Keine-Luft-Bekomm-Umarmung. „Wir werden ein Album zusammen stellen und es „Rock Symphonie“ nennen. ( ganz fettes Sorry, aber ich steh grad voll auf David Garrett ^^# Daher auch die Lieder 😀 ) Mit dem Album gehen wir dann auch auf Tour, natürlich dann auch mit ein paar neuen Liedern in peto. Das wird phänomenal.“

So geschah es dann auch. Die nächsten zwei Wochen verbrachte ich eigentlich mehr im Tonstudio als sonst irgendwo. Lieder wurden aufgenommen, abgeändert, nur um nochmal aufgenommen zu werden. Dann wurde ein Gastauftritt bei der Chart Show organisiert und ein Fotoshooting gegeben. Jeden Abend hatte ich mit Ray telefoniert und ihn auch zur Chart Show eingeladen. Denn das war mein großer Tag, ich wurde nämlich der Welt vorgestellt.

„Willkommen zurück bei der Chart Show.“, begrüßte der Kommentator nach der Werbepause. „Auf den Plätzen 40 und 39 hatten wir die Rocklegenden AC/DC und Metallica, nun wird eine junge Künstlerin diese beiden Lieder neu interpretiert vorspielen. Ein herzliches Willkommen an Mia Peters.“, wurde ich nun begrüßt und trat mit klopfendem Herzen auf die Bühne neben den Moderator. „Also Mia, uns wurde bis jetzt nur verraten, dass du eine begnadete Musikerin bist, darum freuen wir uns auch schon, deine Interpretationen von AC/DC und Metallica zu hören.“, sprach der Kommentator. „Danke, ich möchte, bevor ich jetzt gleich spiele noch meinen Musikklasse und meinen Musiklehrer Herrn Saotome grüßen. Dank ihnen entstand erst diese brillante Idee. Dann möchte ich noch meine Freunde grüßen und Tala, der hoffentlich jetzt von da Oben runter schaut und stolz auf mich ist.“, sprach ich lächelnd und dann schnappte ich mir meine Stradivari und stellte mich in die Mitte der Bühne. Ein Orchester hatte sich im Hintergrund gesammelt und ich gab das Zeichen. Das Medley aus Thunderstruck und Nothing Else Matters raubte dem Publikum und dem Moderator den Atem. Als ich endete, herrschte Stille, bis eine Person anfing zu klatschen. Ich entdeckte Ray im Publikum, der der klatschte, und dann fielen alle anderen mit ein. „Wow, das war fantastisch.“, brachte der Moderator noch heraus. „Du gehst ja jetzt dann auf Tour. Das erste Konzert wird ja hier in deiner Heimatstadt stattfinden. Karten gibt es übrigens nach der Show an der Kasse zu kaufen. Wir wünschen dir viel Erfolg.“, verabschiedete man mich auch schon und in einem Tranceähnlichem Zustand ging ich wieder in meine Garderobe. Dort wartete nicht nur Herr Konami sondern auch Ray der mich stürmisch umarmte.

„Du warst da draußen einfach umwerfend.“, strahlte mich der Chinese an. Dann drückte er mir ein kleines Paket in die Hand. „Weil du mein Essen sicherlich vermisst hast.“, lachte Ray als er mein verdutztes Gesicht sah. Dann wurde er allerdings ernst. „Kai lässt dich lieb grüßen, eigentlich wollte er ja auch kommen, aber irgendwelche russischen Geschäfte sind ihm dazwischen gekommen.“ Verständnisvoll nickte ich. „Du bist einfach unbezahlbar Ray, falls Kai sich wieder melden sollte, grüß ihn lieb von mir.“, weiter kam ich nicht, da wir von meinem Produzenten unterbrochen wurden. „Kommst du Mia? Wir müssen los, das Flugzeug wartet nicht.“, Ray sah mich nur verwirrt an. „Auftritt in Sydney.“, brachte ich noch hervor, bevor ich auch schon aus der Garderobe gezerrt wurde.

>>Vielleicht war es doch keine so gute Idee, Mia dazu zu bringen, diese Tour zu machen.<<, überlegte der Chinese. Kopfschüttelnd sah er mir hinterher.

Die ersten Konzerte waren gegeben und ich war inzwischen bekannt geworden. Sehr gefreut hat es mich, dass meine komplette Musikklasse, einschließlich Lehrer, sowie alle meine Freunde, bis auf Kai, bei meinem ersten Konzert dabei waren. Doch dann wurde der Alltag zum Albtraum. Interviews, Proben, Fotoshootings, Aufnahmen, Konzerte. Schon längst hatte ich bemerkt, dass es nur um das Geld und nicht um die Musik ging. Mir blieb nur noch selten Zeit, Ray anzurufen, und wenn ich es mal schaffte, fielen unsere Telefonate meist sehr kurz aus.

„Mädchen, wenn du dich nicht anstrengst, verglühst du wie ein Stern am Himmel, dann gibt es dich nicht mehr.“, verkündete Herr Konami schon zum x-ten Mal. „Du bist leicht austauschbar, da draußen gibt es eine Menge ungeahnter Talente.“, äffte ich meinen Produzenten während der Standpauke nach.

Seit knapp fünf Monaten war ich schon on Tour, holte alles aus mir heraus. Die Freude an der Musik war mir inzwischen gründlich verdorben worden und ich war kurz davor alles hinzuschmeißen. „Für heute machen wir Schluss. Bekommst ja eh nichts mehr auf die Reihe.“, moserte Konami weiter. Erleichtert seufzte ich auf und wandte mich zum Gehen. „Wo willst du hin?“, fuhr mich auch schon der Aufnahmeleiter an. „Raus!“, war meine kühle Antwort und schon fiel die Tür hinter mir ins Schloss.

Die Sonnenstrahlen fühlten sich wunderbar auf meiner Haut an. Es war wie eine Liebkosung des Sommers an meine Wenigkeit. Aufatmend setzte ich mich auf eine Rasenfläche vor dem Tonstudio und genoss einfach nur die Wärme. >>Was Ray wohl grad macht? Ob Kai mich vermisst?<< schweiften meine Gedanken zu den Bladebreakern ab. Letztens hatte ich irgendwo gelesen, dass sie zu einem Wettkampf herausgefordert worden waren. >>Bestimmt scheucht Kai die anderen Runde um Runde durch den Park und Kenny und Hilary werden alles genaustens analysieren.<< Ein leichtes Schmunzeln lag auf meinen Lippen. Das erste seit langer Zeit. >>Ich vermiss euch.<< dachte ich nur noch. >>Wann werd ich dich endlich wieder sehen, Kai?<<, fragte ich mich noch, bevor ich in meiner Phantasiewelt verschwand.

Zur gleichen Zeit im Dojo bei den Bladebreakern:

„Hat sich Mia eigentlich mal wieder gemeldet?“, fragte Hilary, als die Jungs endlich mal eine Trainingspause machten. Die einzige Geste, die das braun haarige Mädchen erhielt war ein allgemeines Kopfschütteln. „Langsam mach ich mir echt Sorgen. Seit über einem Monat herrscht Stille um sie herum. Weder in den Medien, noch sonst irgendwo hat man was von ihr gehört.“; sprach Tyson, was alle verwundert. „Seit wann denkst du mal nicht ans Essen?“, fragte Kenny irritiert. „Sie hat doch schon zum Team gehört.“, verteidigte sich Tyson und alle nickten zustimmend. Ray zückte mal wieder sein Handy. „Immer noch keine Nachricht.“, verkündete er, bevor er selbst meine Nummer wählte. „Es geht keiner hin.“, sprach er, nachdem er ewig lang dem Tuten zugehört hatte. Betrübt saßen alle auf der Veranda des Dojos. >>Wann werd ich dich wieder sehen, Mia? Wann kann ich dich wieder in meinen Armen halten?<<, grübelte Kai und verzog sich dann in mein ehemaliges Zimmer, wo er sich aufs Bett legte und einfach nur daran dachte, was früher war. Früher, bevor er nach Amerika geflogen war, bevor ich meine „Karriere“ als Musikerin gestartet habe. Früher, als wir einfach nur Kai und Mia waren.

Freunde und ein Konzert

Draußen war noch alles dunkel, der Morgen graute noch nicht mal Ansatzweise. „Aufstehen, in dreißig Minuten müssen wir zur Probe in der Konzerthalle sein!“, tönte die aufgebrachte Stimme meines Produzenten an mein Ohr. Müde drehte ich mich auf die andere Seite und zog die Decke bis über die Ohren. Doch schon pochte Konami an die Tür. „Steh endlich auf!“, brüllte er und seufzend stieg ich aus dem Hotelbett: >>Ich vermiss mein weiches Bett.<<

Schlurfend machte ich mich auf den Weg ins Bad, wo ich mir erst mal kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. Nachdem ich endlich einiger Maßen wach war, ging ich hinunter zum Frühstück.

„Morgen.“, nuschelte ich, als ich mich an den Tisch setzte. Herr Konami sah nur kurz von seiner Zeitung auf, dann wanderte sein Blick wieder zu irgendeinem Artikel, dass er ganz hinter der Zeitung verschwand. Zögernd trat ein Kellner an den Tisch. „W… was darf ich servieren?“, fragte er nervös. „Einen schwarzen Kaffee extra stark, zwei Vollkornsemmel mit Butterkäse und Weintrauben kernlos.“, bestellte ich und blickte dann in die Richtung meines Produzenten. „Danke, nichts.“, kam es hinter der Zeitung hervor. Schulterzuckend verschwand der Kellner auch schon in der Küche.

Nachdem ich nun allein mit Konami am Tisch saß, legte er die Zeitung beiseite. „Ich hab mir gedacht, dass wir bei dem Konzert mehr Pepp reinbringen, darum hab ich ein paar Pyromanen engagiert.“, sprach er ruhig. Ich dagegen musste schwer schlucken. Feuer war bei mir ein heikles Thema, weil dann kam mir immer wieder das brennende Auto in den Sinn, in welchem Tala starb. >>Pyromanen beherrschen ihr Werk, mir wird nichts passieren.<<, versuchte ich mir Mut zu machen und nickte zustimmend. „Meinetwegen, wir können es ja mal probieren.“

Somit war das Thema auch geklärt und dann kam auch schon mein Frühstück. Gott sei Dank. Genüsslich biss ich in einen meiner Käsesemmel und genoss wenigstens diese Kleinigkeit des Lebens.

Als ich die erste Tasse Kaffee und einen Semmel intus hatte, wurde ich auch schon am Arm gepackt und zu einer wartenden Limousine gezerrt. „Steh das nächste Mal früher auf, dann kannst du auch länger frühstücken.“, motzte Konami schon wieder herum. Schnell hatte ich mir den zweiten Käsesemmel geschnappt und saß kauend im Auto während wir zur Konzerthalle fuhren.

Langsam graute der Morgen herauf, während wir immer noch fuhren und fuhren und fuhren. >>Kein Wunder, dass ich so früh aufstehen musste.<<, sprach ich zu mir selbst, als wir nach zwei Stunden endlich ankamen.

Sofort wurde es hektisch, als ich in meine Garderobe kam. Meine Stylistin Mara huschte um mich herum, steckte mir die Haare hoch, schminkte mich ein wenig und suchte schon das passende Bühnenoutfit heraus. „Im Übrigen, dein Freund hat angerufen.“, bekam ich von Mara zwischen vielen anderen Infos zugesteckt. „Wie?“, fragte ich verwirrt. „Ein gewisser Kai Hiwatari. Aber jetzt halt mal still sonst wird das mit dem Make-Up nichts mehr.“, wies mich meine Stylistin zurecht. So kam es, dass mein Hirn auf Hochtouren arbeitete während mein Körper ruhig auf dem Stuhl verharrte. >>Kai hat hier angerufen. Kai hat HIER angerufen. KAI hat HIER angerufen. KAI HAT HIER ANGERUFEN.<<, schrie mein Hirn ununterbrochen. Ein dickes, fettes Grinsen zierte mein Gesicht. „Du scheinst ja über diese Nachricht sehr glücklich zu sein.“, lächelte Mara mich freundlich an. „Bin ich auch. Also los, was zieh ich heute an?“, enthusiastisch machte ich mich fertig.

Zuvor bei Kai:

Gebannt wurde er von Ray und Hilary gemustert. „Es war nur ihre Stylistin da. Mara meinte aber, das Mia in etwa einer Stunde da wäre.“, sprach der Russe während er ins Nebenzimmer schlenderte. „Aufstehen ihr Trantüten.“, weckte der russische Blader seine zwei Teamkollegen, die noch in den Hotelbetten schnarchten. „Mensch Kai, es ist noch viel zu früh.“, brummte der verschlafene Tyson und Max saß nur aufrecht in seinem Bett, rieb sich die Augen und gähnte herzhaft, bevor er zu sprechen anfing: „Hast du Mia erreicht?“ „Nein, nur ihre Stylistin und die meinte das Mia in einer Stunde in der Konzerthalle auftaucht. Und jetzt steht endlich auf.“, setzte Kai nach.

Nachdem dann endlich alle gefrühstückt hatten, setzte sich die Bladebreaker in den BBA Bus und fuhren ebenfalls zur Konzerthalle. Selbst bei ihnen dauerte die Fahrt noch über eine Stunde, obwohl ihr Hotel weitaus näher an der Halle war.

Unruhig rutschte Kai auf seinem Platz hin und her. „Hey, sie wird sich freuen.“, versuchte Ray seinen Teamkollegen aufzumuntern. „Ich frag mich nur, ob sie sich … verändert … hat.“, Kai wusste nicht genau, wie er es am Besten beschreiben sollte, was ihm so zu schaffen macht. „Glaub ich kaum, sie wird immer noch die bodenständige Mia sein, die wir kennen.“, lächelte Hilary und irgendwie beruhigten diese Worte Kai ungemein.

Während ich meine letzte Konzertprobe auf der Bühne hatte, von den Pyromanen erklärt bekam, wie die Feuershow denn gestaltet war und Klebeband Kreuze auf die Bühne geklebt wurden, damit ich auch ja am richtigen Fleck stehen blieb, kam der BBA Bus seinem Ziel, der Konzerthalle, immer näher.

„Und wenn du dann Smooth Criminal anfängst zu spielen, dann werden am Anfang im Rhythmus der Melodie Feuersalven hinter dir hochgehen.“, sprach grad einer der Pyromanen zu mir und schob mich auf ein weißes Klebebandkreuz um mir zu verdeutlichen, wo ich dann stehen sollte. >>Die wissen wirklich, wie sie eine Feuershow inszenieren und mich vor dem Feuer schützen.<<, dachte ich und nickte dem noch recht jungen Mann zu. „Bei welchem Lied steh ich denn auf diesem lila Kreuz?“, fragte ich nach. Schulterzuckend wandte sich der Pyromane an einen seiner Kollegen, doch dieser zuckte ebenfalls noch mit den Schultern. „Das muss noch von einem vorherigen Auftritt sein. Von uns ist das jedenfalls nicht.“, erklärte man mir. „Würde mir da was passieren, wenn ich da stehe?“, hakte ich weiter nach. „Eigentlich nicht, aber es wäre besser, wenn du dich an unsere Kreuze hältst, die sind alle geprüft.“ Nickend nahm ich das zur Kenntnis und wandte mich dann wieder an Herrn Konami. „Das Konzert ist doch erst heut Abend, was machen wir denn noch solang?“, fragte ich und schaute meine Produzenten mit Hundeaugen an. „Da für die Hin- und Rückfahrt ins Hotel vier Stunden draufgehen würden, denke ich, kannst du auch hier ein bisschen rum lungern.“, sprach er und wandte sich auch schon wieder an einen Tontechniker. Jubelnd hüpfte ich durch die Sitzreihen zum Ausgang hinzu, denn ich wollte in die Sonne. Nur wenige Schritte trennten mich noch von der Türe, als diese aufgestoßen wurde. Geblendet kniff ich meine Augen zusammen.

Immer wieder blinzelte ich in die Helligkeit, die mir entgegen schlug. Eine Person machte einen Schritt auf mich zu, dann noch einen und noch einen, bis ich ihn endlich richtig erkennen konnte. „RAY!“, rief ich erfreut und fiel dem chinesischem Blader auch sofort um den Hals. „Wie hab ich dich vermisst.“, hängte ich noch dran, als er mich fest umarmte. „Wir haben dich alle sehr vermisst.“, riefen Max und Tyson im Chor, als auch sie eingetreten waren. Hilary stand einen Schritt hinter Tyson und wank mir lächelnd zu. Dann, als ob sie es abgesprochen hätten, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das getan haben, traten Tyson und Max auf die Seite und gaben den Blick auf einen Blader frei, den ich schon so lange vermisst hatte. „Kai.“, hauchte ich leise, da ich mir nicht sicher war, ob es nicht nur meine Wunschvorstellung war, in die ich mich zu gerne flüchtete.

Zaghaft lächelte der russische Blader und breitete die Arme aus. Schnell warf ich Ray einen entschuldigenden Blick zu, löste mich aus seiner Umarmung und rannte dann in Kais Arme. Mein Kopf ruhte auf seiner Brust, während seine starken Arme um mich gelegt waren. Schnuppernd zog ich seinen Duft ein. „Du hast ein neues Aftershave.“, stellte ich fest und schmunzelte. Kai schmunzelte auch, denn es freute ihn sehr, dass ich mich nach den vielen Monaten noch daran erinnerte, wie er davor gerochen hatte. Zärtlich hob er mein Kinn mit dem Zeigefinger an und verschloss meine Lippen mit einem langen, zärtlichen Kuss.

Ray und Hilary machten ein Oh-sind-die-Beiden-nicht-liebreizend-Gesicht, während die anderen beiden Blader nur mit offenem Mund da standen. „Wie? Ihr habt euch GEKÜSST!“, rief Tyson nur perplex und kapierte mal wieder gar nichts. Max hingegen schaltete wesentlich schneller und freute sich nur für uns.

„Wo habt ihr eigentlich Kenny gelassen?“, fragte ich, nachdem ich mir die Runde besehen hatte. „Der liegt mit Magen-Darm-Grippe flach.“, erklärte mir Hilary. „Aber er lässt dich lieb grüßen.“

Gemeinsam hatten wir uns ins Gras der Parkanlage gesetzt, die um die Konzerthalle verlief. Kai lehnte mit dem Rücken an einem Baumstamm, während mein Kopf in seinem Schoß ruhte und ich mich im Gras lang gemacht hatte. Sanft spielte er mit einer meiner Haarsträhnen. „Wann kommst du wieder nach Hause?“, fragte er und seine Stimme klang traurig. „Ich hab noch 31 Konzerte und danach eigentlich mal eine Pause. Wobei ich da wahrscheinlich ständig im Tonstudio sein werde.“, sprach ich leise und meine Stimme klang leicht verzweifelt. „Und wenn du einfach deine Karriere hinschmeißt?“; fragte Tyson naiv, während er in dem Picknickkorb von Ray stöberte. „Kannst du denn deine Blade Karriere einfach so hinschmeißen?“, stellte ich die Gegenfrage, was den Weltmeister kurz inne halten lies. „Nein, ich glaube nicht.“, sprach der Blader kopfschüttelnd und biss herzhaft in ein Sandwich. Allerdings biss er auch auf seinen Finger, was ihn aufspringen und wild rum fluchend um uns herum hüpfen lies. Diese Aktion wurde von uns anderen nur mit einer Lachsalve quittiert. >>Es tut so gut, wieder mit meinen Freunden zusammen zu lachen.<<, dachte ich nur und kuschelte mich enger an Kai heran.

Derweil passierte auf der Bühne in der Konzerthalle etwas, was mein Leben ändern sollte. >>Wie ich diese kleine Mistgöre hasse. Ihre Starallüren gehen mir so auf die Nerven. Gott sei Dank bin ich sie nach diesem Konzert los.<<, dachte sich ein schwerfällig bewegender Schatten, der die Klebebandkreuze kurzerhand anderweitig platzierte. Böse lachend und Hände reibend verschwand der Schatten dann wieder in der Dunkelheit des Bühnenaufgangs.

Eine Stunde vor Konzertbeginn, rief Mara nach mir. Seufzend setzte ich mich auf. Der Nachmittag war einfach wundervoll. So entspannt war ich die ganze Tour über nicht gewesen. „Wir sehen uns dann nach dem Konzert.“, meinte ich und lächelte in die Runde, bevor ich mit Mara verschwand. Einmal blickte ich mich noch kurz um. >>Da sitzt meine Familie.<< war alles, was mir noch in den Sinn kam, dann konzentrierte ich mich auf meinen Auftritt.

Mara besserte mein Make-Up nochmal aus, lockte mir ein paar Haarsträhnen und dann zwängte sie mich in mein Outfit. Nervös wedelte ich mir mit der bloßen Hand Luft ins Gesicht. „Was beunruhigt dich so, Kleines.“, fragte meine Stylisten mitfühlend. „Das Feuer. Ein Freund von mir kam bei einem Brand ums Leben.“, erzählte ich ihr und versuchte die Tränen weg zu blinzeln, die mir in die Augen schossen. „Keine Sorge, Liebes. Die Pyromanen machen das nicht zum ersten Mal.“, versuchte sie mich zu beruhigen. Tief atmete ich ein und wieder aus. Langsam klärte sich mein Verstand wieder und ich lächelte meinem Spiegelbild zu. „Wird schon schief gehen.“, lachte ich schließlich und machte mich auf den Weg zum Bühnenaufgang.

Draußen tobte das Publikum. „Mia, Mia, Mia.“, riefen Sprechchöre und der Applaus der los donnerte, als ich auf die Bühne stieg, galt ganz alleine mir und meiner Musik. Lachend trat ich auf mein erstes Klebebandkreuz. „Seit ihr alle gut drauf?“, rief ich mit einem Mikro in der Hand und als die Menge dann kreischte und schrie ging hinter mir die erste Feuerfontäne hoch.

… alles vorbei

Die erste Hälfte des Konzertes war bereits vorbei und die Euphorie des Publikums war mehr als ansteckend. Das nächste Lied würde Toccata sein. Wie in der Probe stellte ich mich auf das gelbe Klebeband und fing an mit dem Bogen über die Saiten zu streichen.

„Oh mein Gott, sie steht falsch!“, rief einer der Pyromanen, der die Show überwachte. „Warum denn, sie steht doch auf Gelb.“, sprach ein Anderer. „Ja, das schon, aber wenn die Feuerfontäne hochgeht, steht sie mitten in den Flammen. Sofort abbrechen!“, rief der Pyromane. Die Nachricht ging sofort an den Zündmeister. Erleichtert atmete das Pyromanenteam auf. Inzwischen wurde beschlossen, dass dafür andere Feuerfontänen gezündet werden sollten.

„Welcher Volldepp hat die Klebebänder falsch angebracht?“, brüllte der Leiter des Teams, doch keiner war sich irgendeiner Schuld bewusst. „Passt auf, nicht das doch noch irgend was passiert.“, gab der Oberpyromane Anweisungen.

So sehr, wie ich in meine Musik vertieft war, merkte ich nicht einmal, dass die Feuershow abgeändert worden war. Für mich zählte nur die Musik und die Leidenschaft, die mich dabei überkam, wenn ich spielte. Die Fans tobten, verlangten Zugaben und ich gab ihnen, wonach sie verlangten.

Ich sah Ray und Kai, die am Bühnenrand standen und mir zulächelten. In diesem Moment spielte ich nur für meine Freunde und für mich selbst.

Das Konzert ging nun so allmählich zu Ende und schließlich spielte ich mein Abschlusslied „Phantom der Oper“. Hinter mir gingen die Feuersalven hoch und heizten dem Publikum nochmal extra ein.

Hinter der Bühne hingegen stapfte jemand wütend mit dem Fuß auf den Boden. >>Warum kann nichts nach Plan laufen?<<, fragte sich dieser und heckte schon die nächste Teufelei aus.

Mit einem Lächeln und winkend ging ich von der Bühne. Dort wartete bereits Kai auf mich. Zärtlich küsste der russische Blader mich und ich schlang meine Arme um seinen Hals. „Ich geh mich nur umziehen, dann gehör ich dir den ganzen Abend.“, flüsterte ich in sein Ohr, als dieser sich kurz von meinen Lippen löste. „Beeil dich, ich hab nämlich jetzt schon Sehnsucht nach dir.“, flüsterte Kai zärtlich zurück und gab mir noch einen flüchtigen Kuss, bevor er mich Richtung Umkleide schubste ohne mir nicht vorher noch einen Klaps auf den Po zu geben.

Inzwischen hatte Mara schon Feierabend, weshalb ich mich selbst abschminkte, als es an der Tür klopfte. „Herein.“, bat ich während ich mir durch die Haare kämmte. Herr Konami trat ein und lächelte mich falsch an. „Ah mein kleines Wunderkind. Ich hab hier was für dich. Von deinem Freund.“, lachte er und stellte ein kitschiges Plüschhäschen auf meinen Tisch. >>Niemals würde Kai mir SOWAS schenken.<< dachte ich und tat gespielt freundlich. „Das ist aber nett von Kai.“

„Ich lass dich dann mal wieder alleine.“, trällerte Konami schon fast und ging hinaus. Zweifelnd blickte ich dem Mann hinterher. „Was stimmt hier nicht?“, fragte ich mein Spiegelbild. „Erstens, Kai hätte mir persönlich das Häschen gegeben, sofern er so was kitschiges überhaupt anfassen würde. Zweitens, Konami hat nichts bezüglich Hotel, Termin oder etwas anderem gesagt. Seltsam.“, grübelte ich während ich mich in den hinteren Teil des Zimmers zurück zog, um mich umzuziehen.

Das es leise „Klick“ gemacht hatte, als Konami das Zimmer verlassen hatte, hatte ich nicht mitbekommen. Von außen hatte mein Produzent die Tür abgeschlossen. Gerade hatte ich mich in meine Jeans gezwängt, als es laut knallte und eine Druckwelle mich zurück warf.

Als ich die Augen wieder aufschlug, sah ich nur viel Qualm und irgendwo vor mir loderte ein kleines Feuer, was sich aber immer schneller aus zu breiten drohte. Suchend blickte ich mich nach einem Feuerlöscher um, fand aber keinen. Hustend wandte ich mich zur Tür, da der Qualm immer dichter wurde. Ich drückte die Klinke. >>Abgeschlossen.<<, schoss es mir durch den Kopf, als die Tür verschlossen blieb. „Hallo? Ist da jemand?“, rief ich während ich verzweifelt an der Tür rüttelte. Immer wieder wurde ich von einem Hustanfall geplagt. >>Ich muss auf den Boden.<< dachte ich nur noch und legte mich flach auf den Bauch und zog mir mein T-Shirt über Mund und Nase. Der Brandherd war, wie konnte es anders sein, von meinem Tisch aus gegangen. >>Der blöde hässliche, kitschige Plüschhase.<< fluchte ich.

Das Feuer breitete sich, bei den vielen Klamotten, sehr schnell aus und entsetzt zog ich mich immer weiter in die Ecke zurück. Vor der Tür brannte es schon lichterloh. An eine Flucht war nicht mehr zu denken. >>Kai.<<, dachte ich noch und versuchte vergeblich Luft zu bekommen. Mit Tränen in den Augen zog ich Wolborg aus der Hosentasche. Ihn hatte ich immer dabei, wirklich immer. Sacht küsste ich das Bild des Wolfes. „Jetzt werd ich wohl zu Tala gehen.“, flüsterte ich und drückte das Blade an meine Brust.

Währenddessen wartete Kai mit den restlichen Bladebreakern im Backstagebereich darauf, dass ich endlich aus der Umkleide kam. „Mia braucht aber furchtbar lang.“, maulte Tyson, der endlich was Essen wollte. Plötzlich wurde es in Kais Hosentasche sehr warm. „Was zum….“, fluchte er und zog dann sein Blade heraus. „Dranzer?“, fragend sah Kai sein leuchtendes Blade an. Wie hypnotisiert blickte der russische Blader auf sein Blade. „Oh mein Gott, Mia!“, rief er dann auch schon und rannte in den Gang, der zu den Umkleiden führte.

Als er die große Flügeltür aufstieß, blickte er schon in einen verrauchten Gang. „Ray, wir brauchen einen Feuerlöscher, Hilary ruf die Feuerwehr und den Notarzt.“, gab Kai Anweisungen und verschwand dann auch schon im Rauch. Ray folgte kurz darauf mit einem Feuerlöscher in der Hand. Schnell hatten die beiden Blader die Tür gefunden, unter der der Rauch heraus quoll. Ray rüttelte an der Tür. „Abgeschlossen.“ Doch das sollte einen Kai Hiwatari nicht aufhalten. Wütend und voller Angst um Mia trat der Russe immer wieder gegen die Tür, bis diese aus den Angeln sprang.

Nun quoll noch mehr Rauch aus dem Raum und Feuer schlug den Beiden entgegen. Ray fing an, das Feuer zu löschen, während Kai sich seinen Schal über Mund und Nase zog und in die Flammen ging. Der Rauch brannte in seinen Augen und suchend blickte er sich um.

Da erblickte er mich zwischen den Flammen liegend. „Eine Decke, schnell!“, rief Kai und sofort wurde ihm eine feuchte Decke zugeworfen. Denn Ray hatte die Situation schnell eingeschätzt und hatte eine Decke mit Leitungswasser getränkt. Kai hatte die Decke um meinen Körper geschlungen, und trug mich auf seinen Armen aus dem brennendem Zimmer.

Im Freien legte Kai mich ins Gras. „Atmet sie noch?“, fragte Max und schaute über die Schulter des Teamleaders. Ray fühlte gerade meinen Puls. „Herzschlag schwach, aber vorhanden.“, murmelte er, bevor er sich zu meinem Ohr hinunter lehnte. „Kai, ich glaube, das ist dein Part.“, nuschelte der Chinese. Während Kai mir Atem spendete, pumpte Ray für meine Lunge. Sie wiederholten dies einige Male, bis ich hustete. „Gott sei Dank.“, hauchte Hilary, die sich von Tyson trösten hat lassen.

Derweil war die Feuerwehr eingetroffen und löschte den Brand in der Konzerthalle. Ein Sanitäter war auf die Gruppe Jugendlicher zu getreten. „Jemand verletzt?“, fragte er und blickte in die Runde. Dabei deuteten alle Bladebreaker auf mich, wo ich immer noch bewusstlos im Gras lag. Mit einer Krankenbahre wurde ich in den Krankenwagen verfrachtet. „Habt ihr ihre Haare gesehen?“, fragte Hilary und wieder liefen ihr Tränen aus den Augen. „Die Haare sind nicht das schlimmste, Hilary.“, sprach Kai und blickte auf die Tür des Krankenwagens. „Wie meinst du das?“, fragte Tyson. „Falls es euch nicht aufgefallen ist, ihre komplette linke Gesichtshälfte ist verbrannt.“, sprach Kai monoton und zog sich dann zurück.

Ein Polizei Inspektor verhörte alle, die sich nach dem Konzert noch in der Halle befanden. Als er dann zu den Bladebreakern kam, stutzte er. „Wart ihr nicht diejenigen, mit dem Limousinen Unfall?“, fragte er ungläubig. „Ja, die waren wir.“, sprach Ray und blickte dann wieder zum Krankenwagen.

Soeben hatte ein Sanitäter den Krankenwagen verlassen. „Wie geht es Mia?“; fragte Kai. „Sind sie ein Familienangehöriger?“, fragte hingegen der Sanitäter. „Nein, sie hat keine Familie mehr.“, setzte Kai an. „Dann tut es mir leid, ich darf ihnen keine Auskunft geben.“, unterbrach der Sanitäter den Blader. Da mischte sich Max ein. „Kai ist fast Familienangehöriger. Er und Mia sind verlobt.“, sprach der Blondschopf. „Dann ist das natürlich etwas anderes.“; sprach der Sanitäter und wandte sich nun an Kai. Dieser blickte einmal kurz dankend zu Max und ging dann mit dem Sanitäter mit.

„Ihre Verlobte ist stabil, aber die Verbrennungen sind nicht zu verachten. Des weiteren wird sie sich eine Kohlenstoffdioxid Vergiftung zugezogen haben.“, sprach der Sanitäter. Kai massierte sich die Schläfen. „Kann ich zu ihr?“, fragte Kai.

Neues Leben entsteht dann, wenn ein altes zu Grunde geht

Als Kai in den Krankenwagen stieg, lief ihm eine Einzelne Träne übers Gesicht. „Es tut mir so leid, Mia.“, flüsterte der Blader leise und strich sanft über meinen Handrücken, in dem eine Infusionsnadel steckte.

Langsam schlug ich die Augen auf und blinzelte in das grelle Licht über mir., dann erblickte ich Kai. „Hey!“, krächzte ich mit rauchiger Stimme und lächelte den Russen zaghaft an. Kai versuchte ebenfalls zu lächeln, aber es war nur eine schmerzverzerrte Grimasse, die er zu Stande bekam. „W…Was ist l…los?“, fragte ich und blickte angsterfüllt meinen Freund an. „Deine Haare…. dein Gesicht.“, sprach der Blader so leise, das ich es fast nicht hörte.

Schwerfällig setzte ich mich auf und wankte zu dem kleinem Spiegel am Waschbecken. Ungläubig starrte ich auf das Mädchen im Spiegel mit den kurzen schwarzen Haaren und dem entstellten Gesicht. Vorsichtig betastete ich die verbrannte Haut meines Gesichtes. „D…das … a…aber…. NEIN!“, brachte ich nur noch heraus, bevor ich in Tränen ausbrach und Kai mich wieder zur Bahre brachte. „Es wird alles wieder gut.“, hauchte Kai und drückte mir einen sachten Kuss auf die Lippen.

Zwei Tage musste ich im Krankenhaus bleiben und ich war froh, als Kai mich endlich abholte. Jedes Mal, wenn er mich ansah, lag eine tiefe Traurigkeit in seinen Augen. Niedergeschlagen lies ich den Kopf hängen und dachte daran, was nun sein würde.

Der eigene Krankenhausfrisör hatte meine Haare geschnitten, so dass sie in Fransen in mein Gesicht fielen und mir einen frechen Ausdruck verliehen. Mein Gesicht war auf der linken Seite bandagiert, dort wo die Haut halt verbrannt war. Die Narben, die bleiben würden, würden mich Tag für Tag an mein Karriereende erinnern. Im übrigen habe ich von meinem Produzenten nichts mehr gehört, seit er mir das kitschige Ding gebracht hatte.

„Mr. Dickenson hat eine Pressekonferenz für dich organisiert.“, sprach Kai und blickte stur gerade aus. „Wann?“, fragte ich laut, während mein Gehirn schrie: >>Schau mich an, Kai. Seh ich wirklich aus wie ein Monster???<< Kais monotone Antwort riss mich wieder aus meinen Gedanken. „Montag, nächste Woche.“ Kein einziges Mal hatte Kai mich in irgendeiner Weiße berührt, als wir nach Hause gingen.

Zu Hause ging Kai sofort in sein Zimmer und schloss sich dort ein. „Es ist meine Schuld, dass Mia jetzt so aussieht.“, flüsterte der russische Blader während er die Zimmerdecke anstarrte.

Ich hingegen betrat die Küche, wo Ray mal wieder hinter dem Herd stand. „Ray?“, fragte ich zögerlich. „Hey Mia, schön das du endlich wieder bei uns bist.“, lächelte er mich an und sein Lächeln war echt. Als er aber mein trauriges Gesicht erblickte wurde er stutzig. „Was ist los, Kleine?“, fragte er und kam sofort zu mir um mich in die Arme zu nehmen. „Ich versteh Kai nicht. Warum verhält er sich so abweisend?“, fragte ich und ein Schluchzen entrann mir. Sacht strich der Chinese mir über meine unverletzte Gesichtsseite. „Kai hasst dich nicht.Er gibt nur sich die Schuld daran, dass dir etwas zugestoßen ist, dass er fast zu spät gekommen wäre.“, versuchte der Blader es mir zu erklären. „Aber mir geht’s doch gut, warum macht er dann so ein Theater.“, meine Stimme brach vor Verzweiflung. >>Nein, Mia, dir geht’s nicht gut! Du vermisst Kais Nähe und du hast Schmerzen. Du hast Angst, dass er dich verlässt und du wieder alleine da stehst. Aber wir sind alle für dich da.<< dachte Ray, der meine Gefühle in meinen Augen gelesen hatte.

Ray hielt mich immer noch fest in seinen Armen als ich die Nase rümpfte. „Was riecht hier denn so angebrannt?“ Sofort lies Ray mich los und rannte zum Herd. „Oh.“, war alles was der Chinese noch herausbrachte.

Der Inhalt der Pfanne landete letztendlich im Mülleimer. „Eigentlich wollte ich dir Pfannkuchen machen, aber das war wohl nichts. Dann bleibt mir nur noch die Alternative.“, gestand Ray und holte aus dem Kühlschrank zwei Schalen Schokopudding. „Oh Ray.“, säuselte ich und löffelte genüsslich meinen Pudding. „Ich weiß doch, dass du genauso auf Süßes stehst wie Tyson.“, lachte Ray, während er selber seinen Pudding aß.

Am Abend klopfte ich noch bei Kai an der Tür. „Kai?“, fragte ich ängstlich, als nach über einer halben Stunde immer noch keine Antwort kam. Traurig ging ich in mein Zimmer, welches ich seit meiner Karriere zum ersten Mal wieder betrat. >>Hier riecht es eindeutig nach Kai.<< dachte ich und lies mich auf mein weiches Bett fallen.

Ich schlief bereits, als sich meine Zimmertüre öffnete und der graublau Haarige in mein Zimmer kam. Er setzte sich auf die Bettkante und strich immer wieder sanft über meine Wange. „Ich hab IHM versprochen, dass dir nichts passiert und doch konnte ich dich nicht schützen.“, flüsterte er leise, dabei hielt er meine Hand ganz fest. „Ich weiß nicht, wie ich dir jemals wieder in die Augen sehen soll. Ich hab´s IHM doch versprochen.“ Im Schlaf drehend, legte ich meine Hand auf seinen Oberschenkel und murmelte seinen Namen voller Sehnsucht. Kai kniff die Augen zusammen. „Ich liebe dich.“, flüsterte er noch, bevor er sich wieder in sein Zimmer verzog.

Der Tag der Pressekonferenz rückte immer näher. Ray und Kenny gingen mit mir immer wieder durch, was ich den Reportern sagen sollte, welche Fragen ich auf keinen Fall beantworten dürfte und wie ich auftreten sollte. „Am besten wäre es, wenn du dein Gesicht frei heraus zeigst.“, gab Dizzy ihren Senf dazu. „Und was soll das bringen?“, fragte ich irritiert. „Es zeigt, dass du eine starke Persönlichkeit bist und dass du dein Leben nicht aufgibst.“, erklärte Kenny. „Ist das nicht ein Widerspruch? Ich mein ich schmeiße meine Karriere hin, symbolisiere aber gleichzeitig, dass ich mein Leben nicht aufgebe?“, nun war ich ganz verwirrt. Da trat Kai ins Wohnzimmer, wo wir saßen. „Sag einfach, dass du der Welt deine Musik näher bringen wolltest, was du getan hast und das du sowieso vorhattest deine Karriere zu beenden, dass das Feuer nicht der grundlegende Auslöser war.“, sprach Kai. Dankbar lächelte ich ihn an und auch Kai brachte ein kleines Lächeln zustande.

Dann war der Montag gekommen, an dem ich meine Pressekonferenz hatte. Nervös tigerte ich in meinem Zimmer hin und her. „Mia, kommst du?“; rief Kai und ich stürmte aus meinem Zimmer. „Ich kann das nicht!“, rief ich und verbarrikadierte mich im Bad wo ich mich erst einmal geräuschvoll übergeben musste. Geduldig wartete Kai vor der Badezimmertür. >>Vielleicht war es noch zu früh mit der Pressekonferenz.<<, überlegte der Blader, als ich auch schon kreidebleich wieder aus dem Badezimmer kam. Kai zog mich gleich in seine Arme und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Wenn du möchtest, dann bleib ich die ganze Zeit bei dir.“, sprach er mir aufmunternd zu, doch entsetzt schüttelte ich den Kopf. „Nein, schon gut. Ich schaff das, irgendwie.“, sprach ich und ging mit ihm Hand in Hand aus dem Haus. Es war das erste Mal, seit dem Unfall, das ich wieder so engen Körperkontakt zu meinem Geliebten hatte. Dennoch war es nicht das Gleiche, wie früher. Irgendetwas bedrückte ihn und ich würde schon noch herausfinden, was es war.

In der BBA Zentrale im großen Konferenzraum:

Ungeduldig warteten mehrere hundert Reporter darauf, dass ich endlich kam. „Mia wird sicherlich jeden Moment kommen und all ihre Fragen beantworten.“, sprach Mr Dickenson und das Getuschel ebbte langsam ein bisschen ab.

Nervös stand ich vor der Tür, dann stieß ich sie mit beiden Armen auf und trat in den Raum. Sofort waren alle verstummt und ich ging entschlossenen Schrittes vor zu dem Pult mit dem Mikrofon. Kai hatte sich derweil hinten an die Tür gelehnt. Er würde mich das nicht alleine machen lassen, dass hatte er versprochen und dafür liebte ich ihn. Entschuldigend lächelte ich Mr Dickenson kurz zu, der sich den Schweiß von der Stirn wischte, dann wandte ich mich an die Reporter. Kurzes entsetztes Schweigen, aber dann brachen alle Fragen auf einmal über mich ein und ein Blitzgewitter überraschte mich. „War es ein Unfall oder ein Anschlag, der sie entstellt hat?“ „Werden sie ihre Tour fortsetzen?“ Viel zu viele Fragen stürmten auf mich ein und ich hob abwehrend meine Hände, noch immer wurden massenhaft Fotos von mir geschossen. Sofort verstummten alle und auch das Blitzlicht setzte aus. „Zu erst einmal möchte ich ihnen allen herzlich danken, dass sie heute hier erschienen sind. Ich werde all ihre Fragen beantworten, sofern mir das möglich ist. Nur möchte ich sie bitten, eine Frage nach der anderen zu stellen, da es sonst doch sehr chaotisch zugeht.“, sprach ich und Kai schmunzelte an der Wand.

Ein Mann in der ersten Reihe hob die Hand. „Miss Mia, in den Nachrichten wurde berichtet, dass sie in ein Feuer geraten wären. Stimmt das?“ Kurz schluckte ich, da mich die Erinnerung an das Inferno wieder einholte. „Ja, das stimmt.“ Sofort wurde die nächste Frage gestellt, von einer Dame in pink. „Können sie uns schildern, wie der Tathergang verlaufen ist?“ „In diesem Fall würde ich nicht von Tathergang sprechen, die Polizei ermittelt immer noch, was der Auslöser für den Brand war. Ich kann ihnen nur sagen, dass es in meiner Umkleide nach dem Konzert gebrannt hat und ich wegen des Feuers nicht mehr hinaus konnte.“ „Wer hat sie aus den Flammen geholt?“ Leicht errötete ich. „Mein Freund und ein guter Freund von mir.“, sprach ich nur und blickte dabei Kai an, der die Augen geschlossen hatte und vor sich hin lächelte. „Sie haben einen Freund?“, durchbrach eine Frauenstimme die kurz entstandene Stille. „Ist es verboten, einen Freund zu haben?“; stellte ich die Gegenfrage. Doch da schüttelte die Frau den Kopf. „Was sagt ihr Produzent dazu?“ „Meinen Produzenten habe ich seit dem Tag des Unfalls nicht mehr gesehen.“ „Sie sprachen grad von Unfall.“, stellte nun einer fest. „Solange es nicht geklärt worden ist, was passiert ist, werde ich es als Unfall ansehen.“, sprach ich mit fester Stimme, obwohl ich wusste, das es kein Unfall war. „Nun aber zu einem ganz anderem Thema. Werden sie ihre Tour und Karriere fortsetzen?“, fragte mich jemand, den ich in der ganzen Menschenmasse nicht ausfindig machen konnte. „Nein, ich werde weder die Tour noch meine Karriere fortsetzen.“ Und dann wurde ich wieder unterbrochen. „Warum nicht?“, lautete die schlichte Frage. „Ich wollte einzig und alleine meine Musik in der Welt verbreiten. Dabei hatte ich viel Erfolg, aber leider musste ich auch feststellen, dass mir dadurch keine Zeit mehr für meine Familie und Freunde bleibt. Es soll aber nicht heißen, dass ich nicht weiter Musik machen werde.“, gab ich mein Statement ab. „Was werden sie dann in Zukunft machen?“ Ich seufzte, genau auf diese Frage hatte ich eigentlich keine Antwort. „Das wichtigste für mich ist es, meinen Schulabschluss nach zu machen. Danach werde ich weiter sehen, was auf mich zukommt. Vielleicht starte ich später noch mal einen Versuch als Musikerin. Aber Momentan weiß ich noch nicht, was ich machen werde.“

Erleichtert seufzte ich auf, als die Pressekonferenz zu Ende war und ich den Raum verlassen konnte. An der Tür reichte Kai mir den Arm und gemeinsam gingen wir heim. „Du warst echt klasse.“, flüsterte er mir leise. „Danke, aber ohne deine Tipps hätte ich wohl ziemlich alt da oben ausgesehen.“, sprach ich und blickte Kai an. Leicht lächelte er mir zu, aber immer noch lag Trauer in seinem Blick. Abrupt blieb ich stehen. „Kai?“, fragte ich. „Hm?“, machte dieser nur und blieb ebenfalls stehen. „Was bedrückt dich so. Deine Augen spiegeln Traurigkeit.“, sprach ich das aus, was mir auf dem Herzen lag. Sanft zog der Blader mich in seine Arme und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze. „Ich habe Angst davor, dass du gehst. Mir die Schuld an deinen Verletzungen gibst.“, sprach er aufrichtig. Schnell drückte ich ihm einen Kuss auf die Lippen, dass Kai so etwas nicht mehr sagte. „Das ist doch Unsinn.“, sprach ich und setzte gleich wieder an bevor der Russe sich noch irgend einen Blödsinn einredete. „Ohne dich, würde ich jetzt nicht hier stehen. Ich verdanke dir mein Leben.“ „Aber wenn ich nur früher in die Umkleide gekommen wäre…“, setzte Kai an. „Nein, Kai, du kannst nicht 24 Stunden rund um die Uhr, 7 Tage die Woche und 52 Wochen im Jahr um mich herum sein. Manchmal passieren schreckliche Dinge, aber du hast mich vor dem Schlimmsten bewahrt.“, sprach ich und meine Stimme lies keine Widerspruch dulden. Dann versiegelte ich Kais Mund mit meinen Lippen. Leidenschaftlich zog ich ihn an mich heran und langsam dämmerte es Kai, dass es mir egal war, wie ich aussah, was mir passiert ist, solange er nur bei mir war. >> Jetzt sind wir wirklich nur Kai und Mia.<< ,dachte der russische Blader und erwiderte den Kuss. >>Es hat alles seine Richtigkeit. Meine Karriere gegen eine Zukunft mit Kai.<< Leicht lächelte ich und zog dann Kai mit mir nach Hause.

Schon wieder ein neues Leben?

Wach lag ich in meinem Bett und starrte die Decke an. >>Wieso war ich so blind?<<, fragte ich mich mindestens schon zum tausendsten Mal. Wütend schlug ich mit der flachen Hand auf die Bettdecke. „Ich wusste, dass mir das Gesicht so beschissen bekannt vorkam.“, grummelte ich wütend auf mich selbst. Langsam kroch ich aus dem warmen Bett und schlüpfte in einen Kapuzen-Pullover und eine Leggins. Danach fing ich an, in meinen Unterlagen zu suchen.

Es war kurz vor Mittag, als es an meiner Tür klopfte. „Mia, bist du schon wach?“, hörte ich die zaghafte Stimme Tysons von der Tür. „Ja, ich bin schon wach.“, gab ich zurück. „Kommst du dann essen?“, hakte der Blader nach. „Ich komm gleich.“, und schon wühlte ich mich wieder durch einen Stapel Papiere. Dann hielt ich auch schon das kleine weiße Pappkärtchen in der Hand, welches ich so verbissen gesucht hatte.

Mein Blick ging starr gerade aus auf das Kärtchen zwischen meinen Fingern, während ich mit angewinkelten Beinen, an die Wand gelehnt, auf dem Boden saß. >>Wenn ich jetzt anrufe, dann fängt wieder ein neues Leben an. Wenn ich nicht anrufe, dann …<< weiter wollte ich nicht denken. Plötzlich riss mich ein Klopfen aus den Gedanken. „Mia, geht’s dir gut?“, hörte ich die besorgte Stimme Kais. „Ja, mir geht’s gut.“, murmelte ich, während ich weiter die Karte betrachtete. „Darf ich reinkommen?“, fragte der russische Blader nun. „Meinetwegen.“, nuschelte ich und schob schnell die Karte in die Pullovertasche, als die Tür auch schon einen Spalt breit aufging.

Kai schob sich zum Türspalt herein und balancierte einen überladenen Teller voller Köstlichkeiten auf seiner Handfläche. „Wir haben über eine halbe Stunde mit dem Essen gewartet.“, gestand der Blader, wobei er mir keinen Vorwurf machen wollte. „Entschuldige, ich hab es total vergessen.“, entschuldigte ich mich. Nachdem Kai den Teller auf meinen Knien abgestellt hatte, setzte er sich neben mich auf den Boden. „Magst du drüber reden?“, dabei sah er mich mit seinen rubinroten Augen so warm an, dass ich schwer schlucken musste. „Ehrlich gesagt, will ich nicht darüber reden, aber ich muss wohl.“, seufzte ich und nahm mir erst einmal eines der Brötchen und biss herzhaft hinein. Sanft legte der russische Blader mir seinen Arm um die Schultern und zog mich enger an sich heran, so dass ich meinen Kopf auf seine Schultern legen konnte. Diese kleine Geste, rührte mich so sehr, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Vielleicht traten die Tränen auch hervor, weil mir nur zu bewusst war, was ich dem geliebten Menschen an meiner Seite gleich sagen würde.

„Ich…“, begann ich und stockte, aber Kai unterbrach mich nicht, er sah mich einfach nur an. Tief Luft holend, setzte ich nochmals an. „Ich muss vielleicht für immer von hier weg.“, brachte ich endlich die schweren Worte über die Lippen. Eine kurze Still entstand, bevor Kai nur fragte: „Warum?“

„Weißt du noch, warum ich damals nach Japan kam?“, fragte ich meinen Freund. „Da war irgend so ein Spinner hinter dir her. Aber warum fragst du?“, hakte Kai nach. „Herr Konami war der Spinner. Ich bin mir ganz sicher, dass er mich schon in Deutschland verfolgt hat. Nur war er da nicht so … dick.“ sprach ich lautlos und griff dann in meine Pullovertasche. „Wenn ich jetzt Inspektor Lichtenstein anrufe, dann werd ich fort gebracht. Wenn ich ihn nicht anrufe, dann … dann …“, schwer schluckte ich und versuchte mir nicht vorzustellen, was passieren könnte.

Sanft zog Kai mich an seine Brust und hielt mich ganz fest in seinen Armen. Es tat einfach nur noch gut, seine Nähe zu spüren. Zärtlich küsste der Blader mein Haaransatz und strich mir über die nasse Wange. „Du solltest diesen Inspektor Lichtenfels anrufen und ihm alles erzählen.“, hauchte der Russe. „Aber… aber ich will …. will nicht….“ setzte ich an, doch wurde mein Protest von Kai vereitelt, der seine Lippen schnell auf meine legte. Nach dem sich unser Kuss gelöst hatte, blickte er mir tief in die Augen. „Egal was passiert, ich lass dich nie wieder alleine.“, sprach Kai leise und eindringlich. Erleichterung spiegelte sich in meinen Augen wieder und ich schlang meine Arme um seinen Hals um ihn zu mir zu ziehen und ihn leidenschaftlich zu küssen.

Wieder klopfte es an meine Zimmertür und erschrocken lies ich von Kai ab. „Ja?“, fragte ich und war mir sicher das meine Stimme sehr verräterisch klang. Durch den Türspalt schob sich der Kopf meines Lieblingskochs Ray. „Mia, ich wollte dich daran erinnern, dass du in einer halben Stunde noch mal zum Arzt musst. Da ihr beide ja anscheinend die Zeit vergessen habt.“, grinste der Chinese und verschwand dann auch schon wieder. Sofort fingen meine Finger an zu zittern. „Scht, ganz ruhig.“; versuchte Kai mich zu beruhigen. Doch das war leichter gesagt als getan. Seit Wochen hatte ich in keine spiegelnde Oberfläche mehr geblickt, da ich Angst davor hatte, wie mein Gesicht aussehen würde und nun musste ich zum Arzt und das wiederum bedeutete, dass ich unweigerlich mit meinem entstellten Gesicht konfrontiert wurde.

>>Ich versteh nicht, wie Kai mich lieben kann.<< schoss es mir auch schon durch den Kopf bevor ich die zarten Küsse auf meiner verbrannten Haut wahr nahm. „Ich bleib bei dir, egal was kommt.“, flüsterte der russische Blader und zog mich wieder eng zu sich.

Kurz darauf in der Arztpraxis:

„Mia Peters in Behandlungszimmer 2 bitte.“, ertönte eine quäkende Stimme aus den Lautsprechern. Schwer schluckte ich, als ich mich vom Stuhl erhob und langsamen Schrittes in Richtung der Behandlungszimmer machte. Kai, der neben mir ging, legte mir beruhigend eine Hand auf den Rücken.

Dann trat ich schon ins Behandlungszimmer Nummer 2 und blickte in das freundlich lächelnde Gesicht des Jungarztes, der mich seit der Explosion behandelte. „Kein Grund zur Besorgnis, Mia.“, sprach der Arzt auch schon und lächelte noch ein Stück breiter. Dann deutete er mir, auf der Liege Platz zu nehmen. Nachdem ich mich gesetzt hatte, noch einen flüchtigen Blick zu Kai riskierte, wurde mein Gesicht auch schon vorsichtig von den Händen des Arztes untersucht.

Während der ganzen Prozedur stand Kai mit dem Rücken an die Tür gelehnt und beobachtete jede Regung im Raum.

Ganz vorsichtig brach der Arzt die verbrannte Kruste von meinem Gesicht. „Oh.“, entfuhr es dem Arzt und er hielt in der Bewegung inne. Entsetzt schlug ich die Hände vors Gesicht und wimmerte leise. „Ich… ich wusste…. das… das…“

Schnellen Schrittes war Kai bei mir und zog sanft meine Hände vom Gesicht. Doch als er mich ansehen wollte, drehte ich schnell den Kopf weg. „Bitte, schau mich nicht an.“, flüsterte ich tonlos. Doch Kai wollte mir diese Bitte nicht erfüllen und drehte meinen Kopf in seine Richtung. Wortlos blickte er mich an.

Wortlos zog er mich zum Spiegel über dem Waschbecken, als mein Schluchzen nicht aufhörte. „Sieh doch einfach in den Spiegel.“, sprach Kai und seine Worte waren eindringlich, dass ich es Letztendlich tat. Verwundert blickte ich in das Spiegelbild. Strich über die weiße Haut, die noch halb unter der verbrannten Haut versteckt lag. „Natürlich wird man immer sehen, dass es eine Narbe ist, die Haut wird immer etwas heller als der Rest sein.“, sprach der Arzt und wünschte mir alles Gute, als er mich verabschiedete.

Wieder daheim, wählte ich die Nummer von Inspektor Lichtenstein. Gespannt und mit klopfendem Herzen lauschte ich dem tuten des Telefons.

„Wolfgang Lichtenstein.“, meldete sich die Stimme des Inspektors. „Mia Peters hier. Entschuldigung für die späte Störung.“, murmelte ich ins Telefon. „Ah, Mia. Wie gefällt es ihnen in Japan?“, begann der Inspektor dann auch schon eine Konversation. „Mir gefällt es hier sehr gut. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich anrufe.“, sprach ich und konnte mir bildlich vorstellen, wie sich die Augenbrauen des Inspektors zusammen zogen. „Hätte mich auch gewundert. Nie ruft jemand vom Exil an um mal zu plaudern. Was ist passiert?“ Ich atmete noch mal tief ein und fing dann an zu erzählen. „Der Mann, der mich in Deutschland verfolgt hat, er hat mich hier gefunden. Er hat sich als mein Musikproduzent ausgegeben. Ich hatte ihn nicht erkannt, weil er sich äußerlich sehr verändert hatte. Jedenfalls hat er einen Anschlag auf mich ausgeübt, bei dem ich Verbrennungen erlitten hab.“, erzählte ich und wieder kamen die Bilder von dem brennenden Zimmer in mir hoch. „Was ist mit dem Typen dann geschehen?“ riss mich Inspektor Lichtenstein aus meinen Gedanken. „Ich weiß es nicht, seit dem Anschlag hab ich nichts mehr von ihm gehört.“, erklärte ich. „Gut, dann werden wir dich… hm… nach Brasilien bringen. Dort wird jemand extra zu deinem Schutz dableiben.“, überlegte sich der Inspektor. „Nein.“, widersprach ich energisch. „Ich werde in Japan bleiben. Ich bin es leid, wieder irgendwo von vorne beginnen zu müssen.“ mit den Worten legte ich auf.

In Deutschland hingegen fluchte der Inspektor, als er nur noch das Tuten vernahm. „Dieses kleine, einfältige Mädchen. Was glaubt sie eigentlich, wer sie ist?“ Gleich darauf telefonierte der Inspektor auch schon mit dem Flughafen.

Lichtenstein in Nöten

(aus der Sicht des Inspektors)

Gerade war das Flugzeug gelandet. Ehrlich gesagt war ich heilfroh, denn meine Glieder waren steif vom langen sitzen. Nun, wo ich auf mein Gepäck wartete, wollte ich mir eine Zigarre anzünden, doch noch ehe ich sie in Brand stecken konnte, räusperte sich eine Frau neben mir und deutete auf das „Rauchen verboten“ Schild. Seufzend steckte ich also meine Zigarre wieder weg und wartete und wartete.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich endlich meinen Koffer und saß im Taxi zu dem Dojo, in dem Mia nun lebte. Selbst im Taxi durfte ich nicht rauchen, was meine Nerven nur noch mehr strapazierte.

Es war früher Nachmittag, als das Taxi endlich hielt. >>Wahrscheinlich hat der Fahrer den größten Umweg genommen, den es gibt.<< dachte ich mir, denn die Fahrt hat in der Tat lange gedauert. Vielleicht kam es mir auch nur so lange vor, weil ich eine innere Unruhe verspürte. Jedenfalls war ich recht froh darüber, endlich aussteigen zu können und mein erster Griff ging in die Jackentasche, wo ich meine Zigarre hervor holte. „Ich muss jetzt eine rauchen.“, sprach ich zu mir selbst, als ich die Zigarre anzündete, die ersten Züge paffte und mich gleich sichtlich entspannte.

Der Fahrer lud inzwischen meinen Koffer aus und berechnete die Fahrkosten. Nachdem er mir einen Preis genannt hatte, kramte ich in der Tasche und legte ihm einige Geldscheine in die Hand. Tausendmal nickte der Japaner freundlich und fuhr dann weg.

Während ich noch rauchte, begutachtete ich das Grundstück. >>Ein sehr schönes Haus und ein großer Garten.<< stellte ich mit Bewunderung fest. „Kein Wunder, das Mia hier nicht weg will.“ murmelte ich. Genau in diesem Moment ging die Türe auf und ein Chinese trat heraus.

Kurz verschlug es mir die Sprache.

„Guten Tag, sie müssen wohl Inspektor Lichtenstein aus Deutschland sein.“, begrüßte mich der Schwarzhaarige. „Der bin ich.“, grummelte ich zurück. „Einer ihrer Kollegen hat netter weiße angerufen und uns bescheid gesagt, dass sie vorbei kommen würden.“, beantwortete der Junge meine ungestellte Frage woher er das wüsste. „Kommen sie doch erst einmal rein.“, sprach nun ein alter Mann, der ebenfalls in der Türe erschienen war.

In der Küche wurde mir erst einmal eine Tasse Kaffee vor die Nase gesetzt, genau das, was ich nun wirklich brauchte. „Mia ist noch unterwegs.“, gab mir der Chinese Auskunft, dann werkelte er weiter in der Küche herum.

Keine halbe Stunde später ging die Haustüre und ein Lachen drang an mein Ohr. Dann stand sie auch schon in der Küche. Schlagartig wurde es still. „Mia… du siehst… gut aus.“, durchbrach ich die Stille. „Ähm. Danke, Herr Inspektor. Aber, was machen sie eigentlich hier?“, fragte mich das irritierte Mädchen. „Da du dich geweigert hast in ein neues Exil zu gehen, werde ich wohl oder übel hier bleiben, bis dieser Mistkerl geschnappt wird.“, erklärte ich ihr. Irgendwie schien ihr der Gedanke nicht ganz zu behagen. „Ja dann… willkommen in Japan.“, begrüßte sie mich.

Derweil waren noch einige andere Jugendliche in die Küche getreten. „Also das ist Ray, er kocht sehr sehr gut.“, stellte Mia mir nun die Teens vor. „Der Blonde das ist Max unser Sonnenschein. Und der mit der Cappi das ist Tyson, ihm und seinem Opa gehört das Dojo.“, sprach sie weiter und deutet immer auf die jeweiligen Personen. Dann blieb ihr Blick bei einem blau Haarigen hängen. Eine leichte Röte legte sich über ihre Wangen. „Und das ist Kai.“, flüsterte sie fast schon leise, was diesen Ray in der Küche schmunzeln lies. Auch ich musste lächeln. >>Also hat es ihr nicht nur die Landschaft sondern auch ein Junge hier angetan, dass sie nicht weg will.<<, schlussfolgerte ich. Dann holten mich ihre Worte aus meinen Gedanken. „Kenny und Hilary müssten auch bald da sein. Soll ich ihnen alles zeigen, Herr Inspektor?“, fragte sie dann noch, doch ich verneinte. „Sehr lieb von dir, aber ich denke ich werde jetzt hinaus in den Garten gehen, eine Zigarre rauchen und mir das Grundstück ansehen, damit ich hier Vorkehrungen treffen kann.“

So schlenderte ich durch den Garten und begutachtete erst einmal alles ganz genau. „Da hinten auf dem Zaun würde ich eine Kamera installieren und dort drüben einen Bewegungsmelder anbringen.“, murmelte ich vor mich hin und machte mir einige Notizen.

„Die Kinder werden wahrscheinlich noch das größte Problem darstellen.“, murmelte ich, als auch schon dieser Kai zu mir kam. „Inspektor Lichtenfels?“, fragte er. „Lichtenstein.“, verbesserte ich, doch das schien den Teenager nicht zu interessieren. „Was werden sie unternehmen?“, hackte der Junge nach. „Erst einmal werde ich hier Kameras und Sensoren installieren, das keiner unbemerkt eindringen kann. Dann werde ich mich in der Gegend umhören ob jemand eine auffällige, fremde Person gesehen hat und dann werden wir sehen.“, erklärte ich. Grimmig blickte mich der Junge an und verschwand dann wortlos wieder im Haus.

(nun wieder aus Mias Sicht)

Kai kam in mein Zimmer und legte sich zu mir aufs Bett. „Du weißt gar nicht, wie ich dieses zusammen liegen vermisst hab.“, sprach ich leise, während ich meinen Kopf zu ihm drehte. „Mir geht es doch genauso.“, flüsterte Kai und strich sanft mit seinen Lippen über meinen Hals. „Hey, das kitzelt.“, lachte ich und wollte Kai etwas von mir weg drücken, doch dieser sog sich an meinem Hals fest. Genießerisch schloss ich die Augen und gab mich der Liebkosung hin. Kais Hände strichen sanft über meine Oberschenkel. „Kai.“, stöhnte ich und zog ihn auf mich herauf. Sanft drückte ich meine Lippen auf seine und vergrub meine Hände in seinen Haaren.

Ich hätte Kai noch stundenlang weiter geküsst, wenn da nicht dieses beschissene Problem mit dem Luft holen wäre. Etwas außer Atem lies ich mich in die Kissen fallen. Kais Kopf lag auf meiner Brust und er lauschte meinem Herzschlag mit einem leichten schmunzeln auf den Lippen. >>Ihr Herz rast ja vor Aufregung.<< grinste er in sich hinein. Langsam lies Kai seine Hand unter mein Shirt gleiten und strich mir liebevoll über den Bauch immer höher zu meinen Brüsten, auch über diese strich er sacht hinüber. „Ich hab so lange auf diesen Moment gewartet.“, flüsterte er mir heißer ins Ohr.

Bei dieser Aussage musste ich erst einmal schwer schlucken. Leicht stand mir die Panik ins Gesicht geschrieben, denn Kai küsste mir zärtlich auf die Stirn, bevor er leise sprach: „Du brauchst davor wirklich keine Angst haben, Mia. Ich könnte dir niemals weh tun. Wir werden es in deinem Tempo machen.“ und dann drückte er mir einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. Sichtlich entspannter lag ich nun wieder unter ihm und er fuhr damit fort, mir über meinen Oberkörper zu streicheln. Meine Finger blieben in der Zeit nicht untätig. Mit den Fingerspitzen fuhr ich die Konturen seiner Muskeln ab und dann zog ich ihm sein Shirt aus.

>>Ich wusste ja, dass er verdammt gut aussieht. Aber gleich so gut?!<< schrie mein Gehirn, was mich wie erstarrt daliegen lies. Ich konnte in diesem Moment wirklich nur noch starren. Es war das erste Mal seit langem, das Kai verunsichert war. Er setzte sich auf, was seine Muskeln in Bewegung brachte und fuhr sich durch sein Haar. „Vielleicht… hm… vielleicht sollten wir für heute….“, doch weiter kam Kai nicht, denn ich hatte mich ebenfalls aufgesetzt und schlang meine Arme um seinen Hals und legte meine Lippen auf seine.

Nun waren schon ein paar Tage vergangen, seit der Inspektor nach Japan gekommen war. Meist werkelte er draußen im Garten herum oder wie er es Kai gesagt hatte, befand er sich bei irgendwelchen Nachbarn um sie auszufragen. Doch ganz ehrlich, mich interessierte das im Moment kein bisschen.

Für mich zählten die Stunden, die ich mit Kai allein in seinem bzw. meinem Zimmer verbrachte. Letzt endlich hatte ich mich zum letzten Schritt gewagt und Kai ging wirklich vorsichtig mit mir um. Darum küsste er sich nun auch langsam über meinen Bauch immer ein Stückchen tiefer. Ein wohliger Schauer fuhr durch meinen Körper. Leise stöhnte ich auf, als seine Lippen unterhalb der Gürtellinie sacht meine Haut berührten.

Mir entfuhr ein lautes Stöhnen, als Kai mich zu meinem Höhepunkt brachte. Genau in diesem Moment ging Tyson im Flur an meiner Tür vorbei, und hörte dieses Stöhnen. Sofort rannte der junge Blader in die Küche, wo sich der Inspektor gerade eine Tasse Kaffee gönnte. „Herr Inspektor. Mia stöhnt so seltsam!“, brüllte Tyson und sofort sprang Inspektor Lichtenstein auf und hetzte die Treppe hinauf. Mit gezückter Waffe, stellte er sich vor die Tür, nur um sie im nächsten Moment einzutreten.

„AAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHH!“, kreischte ich, als die Tür krachend aufschwang und Inspektor Lichtenstein in der Tür stand und seine Waffe auf uns gerichtet hatte. Schnell hatte Kai eine Decke über uns gezogen, doch mir stand die Schamesröte deutlich ins Gesicht geschrieben.

„E…Entschuldigung. I…Ich dachte….“, stotterte der Inspektor und fischte nach der Tür um diese wieder zu schließen. Auch er war knall rot angelaufen. >>Teenager! Nichts als Ärger hat man mit denen.<< seufzte er innerlich.

Nächtlicher Besuch

Seit der peinlichen Situation hatte ich alles mir erdenklich Mögliche getan, um dem Inspektor aus dem Weg zu gehen. Doch zu den Essenszeiten lies sich das meist nicht vermeiden.

Auch beim jetzigen Abendessen saß ich mit knall rotem Kopf gegenüber von Inspektor Lichtenstein und brachte kaum einen Bissen herunter. Kais Hand ruhte auf meinem Oberschenkel und streichelte mich zärtlich. „Ray, das Essen war wie immer hervorragend.“; lobte ich das Bisschen, was ich gegessen habe. „Aber du hast so gut wie nichts gegessen.“, warf der Chinese ein. Entschuldigend lächelte ich: „Tut mir leid, ich bin einfach nur müde.“ Dann stand ich auf, streckte mich und gähnte herzhaft, bevor ich die Treppe hinauf schlurfte.

In meinem Zimmer lies ich mich aufs Bett fallen und schloss die Augen. Meine Gedanken schweiften ab zu Kai, wie er mich zärtlich berührte und wie er mir leise ins Ohr flüsterte, dass er mich liebte. Ein wohliger Schauer durchfuhr meinen Körper. >>Ich liebe dich auch.<<, dachte ich mir und nahm das leise Klopfen an der Tür kaum wahr. * Klopf, klopf, klopf * „Mia, schläfst du schon?“, fragte die leise Stimme Kais, als die Tür einen kleinen Spalt breit geöffnet wurde. „Noch nicht.“, nuschelte ich, was den Blader veranlasste, in mein Zimmer zu kommen. Er legte sich zu mir aufs Bett und zog mich an seine warme Brust. Ein paar mal nahm ich noch den intensiven Geruch von Kai wahr, dann fiel ich in das Land der Träume.

Sanft streichelte mir Kai übers Haar, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn hauchte und in sein Zimmer ging. Er hatte noch einiges zu erledigen, bevor er selbst zu Bett gehen konnte.

Es war weit nach Mitternacht, als ein dunkler Schatten sich über die hintere Gartenmauer schwang. Dabei löste er einen Alarm im Haus aus.

Der Inspektor drehte sich unruhig auf die andere Seite. „Blöder Wecker.“, murmelte er und zog sich die Decke bis über den Kopf als der Alarm in seinem Zimmer piepte.

Kai, dessen Zimmer an das Zimmer des Inspektors angrenzte, horchte auf. >>Was ist das für ein seltsames Piepen?<<, fragte er sich und stand auf. Dass er soeben mit seinen russischen Geschäftspartnern in einer Videokonferenz gesessen hatte, war vergessen. Leise schlich er auf den Gang hinaus und lauschte an der Zimmertüre des Inspektors. „Tatsache, das Piepen kommt von hier.“ raunte der Blader und wollte gerade wieder in sein Zimmer gehen, als im gegenüberliegendem Zimmer das Licht anging. Verwunderung lag in Kais Blick. Zögerlich klopfte Kai an die Tür. „Mia, alles in Ordnung?“, fragte er, doch bekam er keine Antwort.

Panik beschlich den jungen Russen.

Ohne groß Nachzudenken riss Kai die Tür auf und erblickte eine schwarz gekleidete Gestalt, die sich versuchte aus dem Staub zu machen. „Stehen bleiben!“, rief Kai noch, aber da war der Vermummte auch schon weg.

Blass und mit zittrigen Händen trat Kai an mein Bett. Sein prüfender Blick schweifte über meinen Körper und erleichtert atmete er auf. „Wenigstens ist dir nichts passiert, mein Schneewittchen.“, flüsterte er und küsste mich zärtlich.

Am nächsten Morgen wachte ich durch ein paar Sonnenstrahlen auf, die mich an der Nase kitzelten. >>Ich könnte schwören, dass ich gestern die Vorhänge zugezogen habe.<< dachte ich bei mir und blickte dann auf den schlafenden Kai neben mir. Ein leichtes Lächeln huschte über mein Gesicht, denn der Russe sah einfach nur süß aus. Vorsichtig legte ich meinen Kopf auf seine Brust und lauschte seinem Herzschlaf. * babum, babum, babum * Langsam driftete ich wieder ab in meine Traumwelt und wurde erst wieder wach, als ich zwei immer lauter werdende Stimmen vernahm, die sich direkt vor meiner Zimmertüre stritten.

„Es war aber heute Nacht jemand in ihrem Zimmer!“, erkannte ich die wütende Stimme Kais. „Dann hätte aber der Alarm losgehen müssen, wenn jemand auf das Grundstück eingedrungen wäre.“, wetterte der Inspektor da dagegen. „Es war jemand in IHREM Zimmer!“ „Der Alarm wurde aber NICHT ausgelöst!“ Missmutig stand ich auf, zog mir ein Bademantel über und trat auf den Flur. „HÖRT AUF ZU STREITEN!“; brüllte ich meinen Freund und Inspektor Lichtenstein an und verschwand dann im Badezimmer.

Alles muss man selber machen


Das warme Wasser, welches aus dem Duschkopf auf mich hinab rieselte, lies mich etwas entspannen und den Streit der beiden Männer vergessen. >>Wenn tatsächlich jemand in meinem Zimmer war…. hm… << ich versuchte es mir vorzustellen, was dieser jemand gesehen hatte, was dieser jemand wollte und mir fiel wirklich nur eine einzige Person ein. >>Konami!<<

Total in Gedanken versunken föhnte ich meine Haare, zog mich an und ging zum Frühstücken. Die besorgten Blicke meines Freundes bemerkte ich nicht mal, während ich meine Honigsemmeln aß. „Mia?“, fragte Kai besorgt. „Hm?“ kam es nur abwesend von mir.
„So hab ich Mia noch nie erlebt.“, raunte Ray Max und Tyson zu. „Es muss sie ganz schön mitgenommen haben, als sie erfahren hat das jemand in ihrem Zimmer war.“; mutmaßte Max. „Wie ich Kai schon gesagt habe, es kann niemand in ihrem Zimmer gewesen sein, da der Alarm nicht ausgelöst wurde.“, widersprach der Inspektor. „Tzz.“ machte daraufhin nur der russische Blader und wandte sich seiner Tasse Kaffee zu.

„Ich werd ein bisschen spazieren gehen.“, meinte ich, nachdem ich zu Ende gefrühstückt habe und mich erhob. „Soll ich dich begleiten?“, bot mir Hilary an. „Nicht nötig, ich würde gern ein bisschen allein sein und nachdenken.“; flötete ich und schenkte der Tischgesellschaft ein charmantes Lächeln. „Versprich mir das du dein Handy mitnimmst.“, bat Kai, der ein mulmiges Gefühl hatte. „Mach ich, versprochen.“, mit den Worten ging ich.
Eine frische Brise blies mir ins Gesicht und vertrieb die dunklen Gedanken aus meinem Kopf. Das Handy, sowie Wolborg, waren in meiner Hosentasche verstaut. In gemächlichem Lauftempo verließ ich die Stadt in Richtung Wald.



Nun war ich schon mehr als eine Stunde unterwegs und ich wurde verfolgt, das spürte ich. In Gedanken schrieb ich Kai schon eine SMS, damit er kam, letztendlich entschied ich mich es aber bleiben zu lassen. >>Falls es Konami ist, dann wird er nicht warten, bis Kai da ist.<< dessen war ich mir hundert Prozent sicher. So lief ich weiter, bis ich auf eine Waldlichtung kam.
Mit einem leisen Klick hatte ich Wolborg in meinem Starter befestigt. „Komm nur her, ich bin bereit!“, fauchte ich und lauschte in die Umgebung.

Ein Knacken aus dem Unterholz lies mich erstarren und dann trat Konami auf die Waldlichtung. In seiner Hand lag eine Waffe, den Spannbolzen gespannt und den Lauf auf mich gerichtet. „So sieht man sich wieder, mein Wunderkind.“, sprach mein ehemaliger Produzent und trat immer weiter auf die Lichtung. „Was willst du denn mit dem Spielzeug?“; fragte er lachend, als er dann mein Blade sah. Ich schluckte erst einmal schwer. „Dich damit aufhalten.“ , fauchte ich wütend, was Konami wieder zum lachen brachte.
„Verrate mir einfach den Zugangscode um die restlichen Sicherheitsabfragen zu umgehen.“, sprach der Mann und wedelte mit der Waffe herum. „Woher soll ich den beschissenen Code denn kennen?“, fragte ich perplex. „Deine Mutter erwähnte dich, kurz bevor ich ihr Leben beendete.“, grinste mich Konami boshaft an. Jegliche Farbe war aus meinem Gesicht gewichen. „Jetzt sag mir endlich den Zugangscode!“, brüllte er mich an und betätigte den Abzug.

Wie erstarrt stand ich da, als die Kugel nur Millimeter an meinem Kopf vorbei flog. Die Augen vor Schreck weit aufgerissen. Nur langsam begriff ich, das dies nur ein Warnschuss war und der nächste garantiert nicht daneben ging. „I…ich k..kenne d..den Code nicht.“ stotterte ich und beruhigte mich nur langsam. „LÜG MICH NICHT AN!“ die Situation verschärfte sich mit jeder Sekunde. Wolborg, der noch immer in meinem Starter ruhte, glimmte leicht. >>Was willst du mir sagen, mein Freund<<; fragte ich ihn in Gedanken und berührte leicht das warme Blade.
Und dann sah ich es klar vor Augen, wie Wolborg zu seiner vollkommen Größe auf der Lichtung stand. Ich riss an der Reißleine und Wolborg flog auf die Lichtung und kreiselte zwischen mir und Konami. Eine helle Lichtsäule schoss in den Himmel und dann verfestigte sich die Gestalt von Wolborg und stellte sich somit schützend vor mich.




Kai war es eigentlich gar nicht recht, dass ich alleine unterwegs war, darum machte er erst einmal Konditionstraining mit den Jungs, welches darin bestand, mir zu folgen. Doch irgendwann hatte Kai mich aus den Augen verloren.
Etwas besorgt lief er immer weiter in die Richtung, wo er mich das letzte Mal gesehen hatte. „Kai!“, stöhnte Tyson auf, der jetzt schon keine Lust mehr hatte. „Nicht so faul, Fettsack.“, meinte Kai in seiner gewohnt kühlen Form und lief weiter. Selbst Ray merkte, dass etwas nicht stimmte. >>Schon wieder blickt Kai auf sein Handy. Was ist nur los?<<, überlegte sich der Chinese. Dennoch liefen alle, mehr oder weniger murrend, weiter.

Plötzlich erblickte Max die Lichtsäule. „Schaut mal, da wird bestimmt ein Baykampf ausgefochten. Lasst uns zusehen.“, meinte der blonde Blader. Da Kai es einsah, dass es nichts nutzte stundenlang planlos herumzulaufen, stimmte er dem Vorschlag zu. So liefen sie im Dauerlauf in Richtung Wald und kamen alsbald auch auf der Waldlichtung an. Geschockt blieben die Bladebreakers am Rand der Lichtung stehen. Ihre Köpfe flogen von rechts nach links und wieder zurück.

Aus den Augenwinkeln hatte ich meine Jungs kommen sehen, dennoch richtete ich mein ganzes Augenmerk wieder auf Konami mit der Waffe. >>Lass mich bitte nicht im Stich, Wolborg.<< flehte ich, als sich ein weiterer Schuss löste. Die Kugel kam nur bis zu meinem BitBeast worüber ich sehr froh war, aber ich hatte auch Angst um Wolborg. „Mach ihn fertig.“, flüsterte ich leise und schon ging der Wolf auf meinen ehemaligen Produzenten los. Noch vier Mal ertönte der Knall eines Schusses, aber Wolborg blieb standhaft und schlug dann mit seiner Tatze auf die Waffenhand ein. Blutige Striemen zogen sich über das Handgelenk von Konami. Er lies die Waffe fallen und rannte in den Wald.
Doch weit kam der Mörder meiner Mutter nicht. Mit entsetztem Gesichtsausdruck kam er wieder auf die Waldlichtung gerannt wo er sich einer Gruppe Jugendlicher gegenüber fand und aus dem Wald kam die Polizei, allen voran Inspektor Lichtenstein.

Als die Handschellen klickten, atmete ich erleichtert auf und lächelte meinen Freunden zu. „Danke.“; hauchte ich und kuschelte mich an Kais Brust. Schützend legte er seine Arme um mich. „Wofür bedankst du dich?“, hackte Tyson nach. „Das ihr immer für mich da seit.“, nuschelte ich an Kais Hemd.

Das Ende

Plötzlich wurde ich von Kai weg gezerrt und fand mich in Hilarys Armen wieder. Ihr Schluchzen war Herz zerreißend und alsbald liefen mir auch schon die Tränen das Gesicht hinab. „Du hättest sterben können.“, schluchzte meine Freundin immer wieder. Sanft strich ich ihr über den Rücken. „Scht, schon gut. Nichts ist passiert.“, flüsterte ich leise in ihr Ohr.

Langsam beruhigte sich Hilary wieder und auch ich konnte mir die Tränen wegwischen. Dann machten wir uns gemeinsam mit den Jungs, die unsere Szene Kopfschüttelnd beobachtet haben, wieder auf den Heimweg.

Immer wieder blickte ich zu Kai, der seinen Arm um meine Schultern gelegt hatte. Irgendwann blickte ich in sein fragendes Gesicht. Ein leichtes Lächeln huschte mir über die Lippen und ich schüttelte stumm den Kopf. „Wenn Konami mich nicht versucht hätte umzubringen, wäre ich ihm in gewisser Weiße irgendwie dankbar.“ murmelte ich, was mir einen noch fragenderen Blick von Kai einbrachte. „Sonst hätte ich dich und die anderen nie kennengelernt.“, flüsterte ich ganz leise und senkte meinen Blick zu Boden, denn ohne Konami hätte ich meine Mutter noch und die liebe alte Dame, die ich Oma genannt habe.

Sanft zog Kai mich zu sich und legte seine Lippen auf die meinen. „Wir hätten uns auch so irgendwie, irgendwo, irgendwann getroffen.“, flüsterte der russische Blader in mein Ohr, als er den Kuss löste. Mir wurde bei diesen Worten leichter ums Herz. Ja, ich liebte diesen Russen über alles, genauso wie seinen verstorbenen Kollegen.

„Kai? Können wir vielleicht noch, also nur wir beide, am Friedhof vorbei gehen?“ druckste ich herum. Ein kurzes Nicken und ein aufmunterndes Lächeln waren alles, was ich als Antwort erhielt, aber es reichte schon.

Während die anderen Bladebreaker nach Hause gingen, liefen Kai und ich, Hand in Hand, zum Friedhof. An das Grab des Jungen, der in unser beider Herzen war.

Die Sonne war gerade dabei unter zu gehen, als sie ihre letzten goldenen Strahlen auf den Friedhof warf. „Sieh mal, die Rosen fangen an zu blühen.“, freute ich mich und deutete auf die weißen Blüten, welche Talas Grab schmückten. Dann erzählte ich Tala noch von den letzten Ereignissen und das sein Wolborg ein Held sei, weil er mich vor den Kugeln geschützt hatte. In dem Moment wünschte ich mir nichts mehr, als das Tala hier bei uns wäre, das er mich aus seinen gütigen Augen ansah.

Kai hatte mich die ganze Zeit im Arm gehalten und blickte mich aus diesen liebenden Augen an. Ein letztes Mal blickten wir auf das mit Rosen bepflanzte Grab. Sahen unsere Schatten, die eng umschlungen waren. Und Tala war bei uns, die Schatten bewiesen es, dass er seine Arme um Kai und um mich gelegt hatte. Tala war immer bei uns und das machte uns glücklich.

Ende