Wir waren für eine Woche zum Skifahren in die Berge gefahren. Mit „Wir“ meinte ich natürlich meinen Bruder Ace, seine besten Freunde Marco, Thatch, Vista, Izou und Jozu, dazu noch meine beiden Freundinnen Haruta und Bonny und mein Studienkollege Law und nicht zu vergessen, ich. Da wir nicht mit unnötig vielen Autos fahren wollten, hat Thatch einen kleinen Bus gemietet. Diesen lenkte er jetzt über die verschneiten Straßen, während Marco und Ace sich stritten, wer von beiden denn nun Schuld wäre, weil eins der Snowboards fehlte. Sie stritten sich so heftig, wie noch nie zuvor.

„Hört auf zu streiten ihr Zwei!“, rief Haruta erbost. „Er hat behauptet das ich nicht mitdenken würde.“, rechtfertigte sich Ace. „In der Tat. Hast du denn mitgedacht?“, wollte Marco provokant wissen. „Na klar hab ich das! Du bist doch selber nicht die hellste Glühbirne am Leuchter.“, spie es der Cowboyhut-Träger dem Blonden an den Kopf. „Was soll denn das jetzt heißen. Sag mal spinnst du jetzt?“, giftete Marco zurück.
„Hört auf! So ihr zwei, ihr solltet damit aufhören euch zu beleidigen, denn was man einmal unbedacht ausgesprochen hat, dass kann man dann nie mehr zurück nehmen.“, setzte ich zu meiner Standpauke an. „Aber, ich…“, versuchten Beide etwas zu sagen, verstummten dann wieder, als ich weiter sprach. „Worte können wie Messer sein, wenn man sie falsch benutzt, werden sie unter Umständen zu einer gefährlichen Waffe. Durch falsch gewählte Worte kann man einen Freund für immer verlieren.“
Die Gesichter der beiden Streithähne wurden schuldbewusst.„Wenn man einmal aneinander vorbei geht, kann es sein, dass man sich kein zweites mal sieht.“, warf Bonny noch in die Runde, was ihr verblüffte Blicke von Seiten der Jungs einbrachte. „Was denn, das hat mir mein Vater mal gesagt.“, rechtfertigte sie sich auch gleich.„Es tut mir leid, Marco.“, nuschelte Ace. „Mir auch.“, murmelte Marco. Haruta und ich grinsten uns an. So war es doch gleich viel Besser.


Das Ace gleich eine ganze Skihütte angemietet hatte, überraschte mich dann doch, hatte ich nur mit einem kleinen Hotelzimmer gerechnet. So war es aber tausendmal gemütlicher. Es gab zwei Drei-Bett-Zimmer und zwei Zwei-Bett-Zimmer. Das wir Mädchen uns ein Dreier-Zimmer nahmen, liegt ja wohl auf der Hand. Ace und Marco bezogen ein Doppelzimmer, genauso wie Law und Izou. Bei Thatch, Vista und Jozu gab es dann fast Mord und Totschlag, wer im Stockbett oben schlafen darf, letzten Endes hatte Vista beim Streichholz ziehen gewonnen.

Bis dann alle ihr Zimmer bezogen haben, dämmerte es draußen bereits. „Ach Schade, ich wäre heute zu gerne noch auf die Piste gegangen.“, grummelte Thatch. „Morgen kannst du den ganzen Tag den Berg runter rutschen. Aber was haltet ihr davon, wenn wir jetzt noch einen Abstecher in die heißen Quellen machen? Die sind keine 15 Minuten zu Fuß von hier.“, schlug Ace vor. Begeistert wurde der Vorschlag von allen angenommen. So marschierten wir zehn zu den heißen Quellen und entspannten uns in dem heißen Wasser, während es auf unsere Köpfe schneite.Spät Abends saßen wir noch alle vor dem Kamin im Gemeinschaftsraum, mit einer Tasse heißer Schokolade in der Hand und sprachen über alles und nichts.

„Kommt einer mit zum D-Hang?“, wollte ich am späten Nachmittag des zweiten Tages wissen und sah Marco, Ace und Haruta abwechselnd an, die bis eben noch mit mir die Berge bezwungen haben. „Ne du, ich bin durch gefroren und möchte nur noch ne Tasse heißen Kakao in der Sonne genießen.“, entschuldigte sich Haruta. „Und was ist mit euch beiden?“, wandte ich mich an die Jungs. „Keine Chance. Jozu, Thatch,Vista und Law wollen mit uns eine Schneeballschlacht machen. Und eine Kriegserklärung kann man doch nicht einfach ignorieren.“, grinsten die beiden Männer verschmitzt.Schulterzuckend schulterte ich mein Board und ging zu den Liften. Oben auf dem Hang angekommen jauchzte ich glücklich auf, denn die Sonne lies den Schnee glitzern und es sah alles mehr als verzaubert aus. Vor mir lag die Piste und das Hochgefühl, welches mich vor jeder Abfahrt überfiel lies mich jubeln. Die Schneebrille aufgesetzt und schon konnte es los gehen.Ich wippte mit dem Board über die Kante und stürzte mich den Hang hinab. Der Fahrtwind peitschte mir ins Gesicht und ich zog Schlangenlinien in den Pulverschnee. Bei einem kleinen Hügel auf der Piste sauste ich hinauf, machte einen Backflip und landete wieder sanft auf der Schneedecke um weiter den Hang hinab zu gleiten.

Die Hälfte der Abfahrt hatte ich bereits zurück gelegt, als mich ein Donnern innehalten lies. Mich drehend um das Geräusch besser orten zu können, blickte ich auf den oberen Teil des Abfahrts-Hanges, von dem sich eine Lawine gelöst hat, die nun direkt auf mich zu kam.Mit kurzen Schlangenbewegungen versuchte ich so viel Fahrt wir nur möglich zu machen, um der Lawine eventuell entkommen zu können, doch die Schneemassen kamen bedrohlich näher.

Weiter unten im Tal:
„Da hat sich eine Lawine gelöst!“, rief jemand und deutete auf den Hang, an dem sich die weiße Masse schnell bergab bewegte. „Das ist doch beim Abfahrts-Hang D!“, rief jemand aufgebracht.Ace hielt in seiner Bewegung inne und lauschte den aufgebrachten Stimmen. „Hey Ace, was ist los?“, wollte Marco wissen, der seinen Kumpel musterte, wie er mitten im Schnee-Krieg inne hielt. „Die Leute sprachen grad davon, dass eine Lawine den Hang herab kommt.“, meinte der Cowboyhut-Träger. „Na und? Das ist der D-Hang, den fährt fast keiner, weil er so steil ist.“, warf Vista ein.
„Hey, da fährt jemand vor der Lawine!“, rief einer der Ski-Lift-Betreiber, der mit dem Fernglas die Situation überblicken wollte. „Welchen Hang wollte Jolly nochmal runter?!“, wollte Marco nun wissen und seine Stimme war angespannt. „D-Hang.“, gab Ace gepresst von sich. Beiden wurde richtig schlecht, was wenn das Mädchen in die Lawine geriet?„15 Minuten. Mehr Zeit bleibt ihr nicht, wenn sie erfasst wird.“, warf Law in die erdrückende Stille, als hätte er die Gedanken seiner beiden Freunde gelesen. Noch beobachtete jeder den Bunten Fleck, der vor der weißen Masse flüchtete und dann war der bunte Fleck weg. „JOLLY!“, riefen sechs Männer gleichzeitig.

Sofort stürmten alle los um die Wacht zu alarmieren, das jemand in der Lawine verschüttet wurde. „Haruta! Jolly wurde von der Lawine verschüttet!“, rief Ace, als er mit den anderen Fünfen an der Skihütte vorbei rannte um in das Lawinen-Gebiet zu kommen. Das braunhaarige Mädchen stieß ihre Kakao-Tasse um und rannte den Jungs hinterher.
Viele hatten sich an der Suchaktion beteiligt und mit langen Stäben wurde der Schnee durchstochen. „Wie lang?“, rief Marco. „9 Minuten 40.“, war die Antwort. Zitternd griff der Blonde in seine Hosentasche und zog sein Handy heraus. Schnell war die Nummer von Jollys Handy gewählt und er drückte den grünen Hörer. Stille breitete sich aus und jeder konzentrierte sich auf das Klingeln. „Dort unten!“, rief Jozu, als er ein leises Klingeln hörte und schon schob er den Schnee auf die Seite. Kurz darauf legte er auch schon das Handy frei. Die Suche wurde auf den näheren Umkreis ausgeweitet. „Wie lang?“, ertönte wieder der Ruf. „12 Minuten 20.“, kam wieder die schlichte Antwort.Heiße Tränen rannen Ace über das Gesicht. „Jolly.“, weinte er und grub mit den bloßen Fingern im Schnee. „Ace!“, rief Haruta besorgt, als sie sah, dass der Schwarzhaarige blutige Spuren im Schnee hinterließ. Sanft zog sie den Größeren auf die Beine und drückte ihn ganz fest an sich. „Wir finden sie.“, versprach die Braunhaarige, dann machte sie sich wieder ans Graben.Law grub verbissen weiter, es blieb nicht mal mehr eine Minute übrig, als seine Finger auf etwas Hartes trafen. „Ich hab hier ihr Board!“, rief er und sofort stürmten alle herbei um dort weiter zu graben, war doch das Snowboard wie ein Surfboard mit einer Schnur am Fuß des Fahrers befestigt. Schnell war das Board frei gelegt und als sie es anhoben, fanden sie Jolly darunter, die Skibrille über den Mund gezogen. „Oh Gott, Jolly!“, heule Haruta los und wollte sich auf ihre Freundin stürzen, doch Law hielt sie davon ab. „Wir wissen nicht, ob sie sich was gebrochen hat.“Natürlich hatte der Angehende Arzt recht. So buddelten sie weiter, bis sie besser an Jolly heran kamen, derweil war ein Rettungssanitäter gekommen. Vorsichtig tastete Law die Halswirbel ab. „Scheint nichts gebrochen zu sein, aber ich will sie erst bewegen, wenn ich eine Krause angelegt habe.“, sofort reichte der Sanitäter die gewünschte Krause.„Gut das sich das Mädchen die Skibrille über den Mund gezogen hat, so hätte sie im Ernstfall nicht am Schnee ersticken könne.“; hörte Ace eine Ski-Fahrerin murmeln. Er zitterte immer noch am ganzen Laib und konnte es nicht fassen. „Jolly.“, immer wieder flüsterte er den Namen seiner kleinen Schwester.


Mit einer Gehirnerschütterung und starker Unterkühlung kam ich ins Krankenhaus. Die Ärzte kümmerten sich 4 Tage lang um mich, ehe ich wieder entlassen wurde. An diesem Nachmittag war nur Ace bei mir. Sonst kam er immer im Doppelpack mit Marco, oder wie zu Anfang alle neun, wo mir fast der Schädel geplatzt ist, weil jeder auf mich eingeredet hat. „Du wirst also morgen entlassen?“, wollte mein Bruder wissen. „Ja. Und übermorgen fahren wir dann schon wieder heim. Yeah, was für eine tolle Woche Skiurlaub.“, grummelte ich genervt. Denn meine Freunde hatten mich auf eine Woche Skiurlaub eingeladen, damit ich von meinem Herzschmerz abgelenkt werde. Mein Exfreund, Sabo, hat mich mit meiner Ex-Besten Freundin Koala betrogen, und das ganze 5 Monate lang und ich hatte es einfach nicht geschnallt. „Wir machen uns morgen dann einen gemütlichen Abend, mit Jägertee, Feuerzangenbowle und Glühwein. Lass den Kopf nicht hängen, das wird schon wieder.“, versuchte Ace mich aufzuheitern. Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln.Am nächsten Tag holten mich mein Bruder und Marco ab. Der Blonde trug meine Tasche und ging ein paar Schritte hinter mir. Was auch gut so war, denn es war glatt und ich rutschte tatsächlich aus. Doch Marco hatte mich gerade so noch auffangen können. „D..Danke.“, nuschelte ich, als ich in den starken Armen des Blonden lag. „Kein Problem.“, meinte der Blonde schelmisch und zwinkerte mir zu. Meine Wangen wurden noch röter, wenn das überhaupt möglich war. Das Ace ein wissendes Lächeln auf den Lippen trug, bekam ich nicht mit.

Der Abend war weit fortgeschritten und die Stimmung mehr als nur gut. Mein Kopf schmerzte etwas und ich gab Ace Bescheid, dass ich etwas an die frische Luft gehen wollte. So stand ich, nur in einem langärmligen Strickkleid, an die Brüstung der Veranda unserer Skihütte und bestaunte das Spektakel vor mir. Die Bäume waren erhellt durch Lichterketten und es hat vor wenigen Momenten zu schneien angefangen. Es sah traumhaft aus, wie im Märchen. „Schön, nicht wahr?“, riss mich die Stimme Marcos aus meinen Träumereien. „Ja.“ hauchte ich. Er stand direkt hinter mir. Seine Hände umschlangen meine Taille und zogen mich an seine Brust. „Du bist schön warm.“, stellte ich fest. Das sachte Vibrieren lies mich erahnen, dass Marco ein Lachen unterdrückte. „Das kommt nur davon, weil du durch gefroren bist.“Gemeinsam blieben wir noch ein bisschen aneinander gelehnt stehen und sahen den Schneeflocken bei ihrem leisen Tanz zu. „Wir sollten wieder hinein gehen.“, flüsterte Marco. „Warum flüsterst du denn?“, flüsterte ich zurück. „Keine Ahnung, warum flüsterst du?“, wollte Marco leise wissen. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich zuckte nur mit den Schultern. 

Marco nahm meine Hand und verschränkte seine Finger mit meinen. Kurz sah ich auf unsere Hände, dass ich dabei rot wurde, konnte ich nicht verhindern. “Du bist süß, wenn du rot wirst.”, neckte mich Marco und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. Meine Augen suchten die seinen. Was ich darin sah, verschlug mir die Sprache. Reine Liebe. Noch immer standen wir auf der Veranda, hielten Händchen und sahen uns in die Augen. Die Schneeflocken tanzten um uns herum und dann zerstörte mein Bruder mit einem einzigen Satz die Atmosphäre. “Jetzt küsst euch endlich!” Ich weiß gar nicht, wer von uns den besseren Todesblick hatte, Marco oder ich, aber es hatte Wirkung gezeigt und Ace war mit einem “Sorry, aber ist doch so” wieder in die Hütte gegangen. 

Marco sah mir wieder in die Augen, bevor er langsam seinen Kopf senkte um mit seinen Lippen, die meinen, zu berühren. Diese sanfte Berührung reichte aus, um hunderte Schmetterlinge in meinem Bauch fliegen zu lassen und ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. “Ich hab mich damals auf den ersten Blick in dich verliebt.” gestand mir Marco, während seine Stirn an meine Stirn lehnte. ” Und es brach mir das Herz, als ich hörte, dass dir dein Herz gebrochen wurde. Dich dann so traurig zu sehen, war kaum zu ertragen. Als Ace dann davon sprach, dich für eine Weile aus der gewohnten Umgebung zureisen, damit du auf andere Gedanken kommst, haben dein Bruder und ich uns diesen Skiurlaub ausgedacht. Eigentlich war es mein Plan, dich die ganze Woche zu umwerben, Zeit mit dir zu verbringen und dir dann heute Abend zu sagen, dass ich mich in dich verliebt habe, denn wenn du meine Gefühle nicht erwiedert hättest, wäre es dennoch eine schöne Woche mit dir an meiner Seite gewesen.” Nun stockte Marco, denn die Erinnerung an die Lawine kam zurück. Deswegen sprach ich weiter. “Doch die Lawine kam dir dazwischen. Ihr müsst euch furchtbare Sorgen um mich gemacht haben. Das tut mir Leid.” hauchte ich und küsste Marco daraufhin innig. Von der Hütte kamen anerkennende Pfiffe und Gejohle. Standen unsere Freunde alle da und begafften uns. “Ein wirklich schönes Bild.” rief Bonny und schwenkte ihr Smartphone. “Das stell ich später bei Whatsapp rein. So ein süßes Paar muss der ganzen Welt gezeigt werden.” Ich wusste, dass sie damit meinte, das Koala und Sabo das Bild sehen sollten, wie glücklich ich war. “Also sind wir jetzt ein Paar?” wollte Marco leise wissen und seine Augen funkelten freudig. Anstatt ihm zu antworten, stellze ich mich auf die Zehenspitzen, küsste ihn kurz aber innig und zog ihn an der Hand haltend hinter mir her in die Hütte. Denn in der Zwischenzeit war mir da draußen ziemlich kalt geworden. 

– Ende –