Ein schlechter Scherz

Seit zwei Tagen konnte Talea schon kleinere Schnittverletzungen der Köche heilen, worauf sie ziemlich stolz war. Marco hatte ihr am Morgen noch gesagt, wenn sie fleißig weiter üben würde, könnte sie glatt noch auf der Krankenstation aushelfen, dann müsse er nicht immer so viel arbeiten. Doch jetzt gönnte sie sich erst einmal eine Pause, ehe sie sich wieder der Verwandlung in einen Phönix widmen wollte, klappte das noch immer nicht.
Mit einer Schale voll Obstsalat saß sie in der Mensa und genoss die süßen Fruchtstückchen, als die Schwingtür zur Küche aufgestoßen wurde und Thatch aus der Küche heraus taumelte. “Hilfe.”, flüsterte er und hob seine Hand, von der Blut tropfte. “Thatch!”, kreischte Talea und sprang auf, dabei warf sie ihre Schüssel um, doch das war nebensächlich. Da brach der Koch auch schon röchelnd zusammen. “Oh Gott, Thatch! Was ist passiert?”, wollte die Grünhaarige wissen und kniete sich neben den Koch. “Das Messer… bin gestolpert…. direkt in die Brust.”, keuchte Thatch fast tonlos.
Talea hüllte ihre Hände in die grün-blauen Flammen und legte sie auf Thatchs Brustkorb, doch die Flammen sprangen nicht auf seinen Körper über, wie es bei den Schnittverletzungen immer geschehen war. Derweil hatte sich eine kleine Menschenmenge um Thatch und Talea gebildet und auch Whitebeard sah von seinem Platz aus zu seinem, im Sterben liegenden, Sohn. “Verdammt!”, fluchte die Grünhaarige und leitete noch mehr Energie von ihrem Phönix in ihre Handflächen, doch noch immer gingen die heilenden Flammen nicht auf Thatch über.
Der Koch bäumte sich auf und hustete einen Schwall Blut. Kreidebleich kniete Talea neben Thatch, ihre Hände zitterten unkontrolliert und ihr kamen wieder die Bilder von Banras Tod in den Sinn, die unter ihren Händen verstorben war.
Sie ließ ihre ganze Kraft frei, wodurch sie in grün-blaue Flammen gehüllt wurde. Konnte und durfte sie nicht zulassen, dass Thatch starb. “Du verbrennst mich.”, stöhnte Thatch gequält auf. Erschrocken lies Talea die Flammen erlöschen. “Ich… es…. Es tut mir Leid!”, stammelte sie, ehe sie panisch aufsprang und aus der Mensa stürmte. Im Gang rempelte sie jemanden an, doch dann war sie auch schon an den Piraten vorbei und um die nächste Ecke gebogen. In ihrem Kopf war nur noch Platz für den Gedanken, dass sie Thatch im Stich gelassen hatte und er wegen ihr starb.

Verwundert blickte Ace Talea hinterher. Hatte sie ihn gerade angerempelt und war dann auch schon weiter gerannt. “Was hat denn Tally gestochen?”, wollte Ace von Marco wissen, der neben ihm her ging. Der Vize zuckte nur mit den Schultern, als aus der Mensa ein “Tally! Warte!”, von Thatch ertönte. Marco drückte die Tür zur Mensa auf und sah verwundert von einem blutüberströmten Thatch zu einem wütenden Whitebeard. “Will ich wissen, was hier passiert ist?”, stellte er die rhetorische Frage. Thatch raufte sich die Haare und zerstörte dabei selbst seine Föhnfrisur. “Es war doch nur ein Scherz.”, murmelte der Koch halblaut. “Ein Scherz?!”, donnerte da Whitebeards Stimme durch die Mensa, dass selbst Marco den Kopf ein wenig einzog. So wütend hatte er seinen Pops noch nie erlebt.
“Was genau ist eigentlich passiert? Tally war ja vollkommen durch den Wind, als sie grad an uns vorbei gestürmt ist.”, wollte nun Ace wissen und sah in die Runde.
“Naja… ich hab Tally einen Streich gespielt.”, druckste Thatch herum, weshalb Ace nun Whitebeard fragend ansah. “Thatch fand es wohl amüsant, sich mit Blut zu besudeln und uns alle im Glauben zu lassen, dass er schwer verwundet sei und gleich sterben wird. Talea hat daraufhin versucht ihn zu heilen, was nicht funktionierte und oben drauf hat Thatch ihr auch noch weis gemacht, dass ihre Flammen ihn verbrennen!”, grollte Whitebeard. “Es tut mir ja Leid.”, murmelte Thatch vor sich hin. “Davon hat Tally jetzt auch nichts.”, fauchte Ace und Flammen züngelten seine Arme entlang. “Hey Jungs! Bevor ihr auf einander losgeht, wäre es nicht vielleicht sinnvoller, Talea zu suchen?”, mischte sich nun Conny ein, die aus der Küche gekommen war und blickte nacheinander Thatch, Ace und Marco auffordernd an. “Conny hat Recht. Das klären wir später noch, Thatch!”, stimmte Marco der Köchin zu. “Ace, deine Division wird jede Kajüte auf dem Schiff durchsuchen. Thatch, die Lager! Haruta, können du und die Krankenschwestern die Aufenthaltsräume und die Badezimmer durchsehen?”, verteilte Marco die Aufgaben und sah zu seiner Mitkommandantin. “Natürlich.”, stimmte Haruta dem gleich zu. Dankend drückte Marco ihre Schulter, bevor die Piraten in alle Richtungen ausschwärmten um Talea zu suchen.

Whitebeard hatte sich an Deck begeben. Er saß in seinem Thron und verfolgte die Suchaktion, als Kim an ihn heran trat. “Pops, du musst deine Medikamente nehmen.”, sprach sie ihn leise an. Normalerweise gab es dann immer eine Diskussion, ob die Medikamente wirklich von Nöten waren, doch an diesem Tag, nahm er wortlos die Pillen und schluckte sie. “Danke Pops.”, leicht lächelte Kim, war zumindest dieses Problem aus der Welt.
Von überall ertönten die Rufe nach Talea, doch die Grünhaarige blieb unauffindbar. Marco selbst, war ins Krähennest hinauf geklettert, doch auch dort war keine Spur von Talea zu finden. Er sprang über die Brüstung und verwandelte sich in den Phönix. Während Marco über die MobyDick glitt, schrie der Phönix nach Talea. Es war ein klagender verzweifelter Schrei.

“Wir konnten sie nirgends finden!” Wie oft hatte Whitebeard diese Aussage in den letzten Minuten schon gehört. Einige Dutzend Male bestimmt. “Pops, was wenn sie… über Bord… gegangen ist?”, wollte Izou wissen und schluckte schwer bei dem Gedanken. “Sie ist an Bord, mein Sohn. Sie ist an Bord.”, murmelte der alte Mann. Marco lief die ganze Zeit schon neben Whitebeards Thron hin und her. Plötzlich blieb er stehen und sah seine Kameraden an. “Ich denke ich weiß, wo Talea ist!”, rief er und stürmte unter Deck. Die Rufe seiner Kameraden ignorierte der Phönix vollkommen.
Sein Weg führte ihn direkt zu den Gefängniszellen der MobyDick. Mit einem furchtbaren Quietschen öffnete er die Türe, die die Zellen vom restlichen Schiff abtrennten. “Talea?”, fragte er, als er in den halbdunklen Trakt des Schiffes vorrückte. “Verschwinde, Marco.”, schluchzte es aus der hintersten Ecke. Seufzend ging Marco zu der letzten Zelle. Eine aus Seestein. “Talea, bitte komm da raus.”, bat der Vize und griff um die Gitterstäbe. Mit der kleinsten Berührung spürte Marco bereits, wie es seinen Körper schwächte. In der hintersten Ecke der Zelle saß Talea, neben ihr am Boden lag der Schlüsselbund für die Zellen.
“Nein. Ich gehör hier hinein. Ich hab Thatch umgebracht.”, flüsterte sie tonlos, dabei zog sie die Beine enger an ihren Körper heran und vergrub ihr Gesicht zwischen den Knien. “Das ist absoluter Unsinn. Thatch hat dir nur einen makaberen Streich gespielt. Bis auf die Gewissensbisse die er hat, geht es ihm blendend. Also bitte, sperr die Zelle auf und komm mit mir hoch an Deck.”

Stumm schüttelte sie den Kopf was Marco aufstöhnen lies. “Talea!”, gequält lies Marco den Kopf gegen das Gitter sinken. “Ich möchte dich nicht zwingen müssen, die Zelle aufzusperren.”, bat Marco leise. Es dauerte einige Minuten, doch dann hörte Marco es rascheln. Mit dem Schlüsselbund in der Hand stand Talea auf und trat etwas an die Gitter heran. “Thatch geht es wirklich gut?”, wollte sie wissen und blickte Marco direkt an. Er sah die Tränenspur in ihrem Gesicht und die Furcht in ihren Augen. Nur zu gut konnte er sich vorstellen, was in ihrem Kopf vor sich ging. “Sofern Pops oder einer der anderen Kommandanten keine Hand an ihn gelegt hat, ist er bei bester Gesundheit.”, versicherte Marco ihr. Mit einem tiefen, langgezogenen Laut atmete Talea schwer aus, ehe sie den passenden Schlüssel ins Schloss steckte und die Zelle aufsperrte. Fast schon energisch riss Marco die Türe auf und zog Talea in eine feste Umarmung. “Mach nie wieder so einen Blödsinn und verschwinde einfach, okay? Ich hab mir Sorgen um dich gemacht. Und ich hatte Angst um dich.”, flüsterte er leise an ihr Ohr. “Hab ichs übertrieben?”, fragte sie zerknirscht. “Ein bisschen. Ja.” Dann küsste Marco ihre Schläfe. “Lass uns zu Pops und den anderen gehen. Sie haben sich ebenfalls Sorgen um dich gemacht.”, schlug Marco vor und geleitete die Grünhaarige an Deck, dabei hatte er einen Arm um ihre Hüfte geschlungen.

“Talea!”, schrie Ace freudig, als er die Grünhaarige an Marcos Seite erblickte. Auch den anwesenden Piraten war anzusehen, wie erleichtert sie waren, dass Talea wohl auf war. “Meine Tochter, wo warst du?”, wollte Whitebeard wissen, als sie vor ihm stand. “Ich… Ich habe mich selbst weggesperrt, Pops. Du hast damals bei unserem Eintritt gesagt, die oberste Regel an Bord ist, keinen Nakama zu töten. Und ich dachte, ich habe Thatch umgebracht.”, wisperte sie leise, wobei Tränen in ihren Augen schimmerten. “Ach Kind.”, murmelte Whitebeard und legte der Grünhaarigen seine Hand auf den Kopf. “Du wolltest ihm doch das Leben retten. Selbst wenn es echt gewesen wäre, so hattest du doch nie die Absicht, Thatch zu schaden. Und das ist, was zählt.” Mitfühlend waren die Worte Whitebeards. Schniefend wischte sich Talea die Tränen aus den Augen und schnäuzte sich geräuschvoll, als Marco ihr ein Taschentuch reichte. Da trat Thatch vor. “Tally? Ich muss mich bei dir entschuldigen. Bei euch allen, wenn ichs recht bedenke. Es sollte nur ein Scherz sein. Mir war nicht klar, wie sehr das alles ausarten würde. Und auch nicht, dass du so in Panik verfallen würdest, wenn deine Heilfähigkeit nicht anschlägt. Es tut mir sehr Leid.”, sprach Thatch reumütig vor der kompletten, versammelten Mannschaft. Mit gesenktem Kopf stand der Koch da und wartete darauf, ob Talea die Entschuldigung annahm. Diese eilte auf ihn zu und schlang ihre Arme um seine Taille. “Natürlich verzeih ich dir.”, murmelte die Grünhaarige, war sie einfach nur erleichtert, dass es dem Koch gut ging.  

Den restlichen Tag über behielt Marco Talea im Auge. Sie hatte ein Lächeln aufgesetzt, aber es erreichte ihre Augen nicht und auch sah der Phönix, dass ihre Hände leicht zitterten. Sie hatte den Schock definitiv noch nicht verarbeitet.
“Soll ich heute Nacht nicht doch lieber bei dir in der Kajüte bleiben?”, wollte Conny von Talea wissen, die sich ebenfalls um ihre Freundin sorgte. “Ach Quatsch. Du freust dich schon seit Tagen darauf, die Nacht bei Thatch zu verbringen und er wird bestimmt noch Gewissensbisse haben, die du ihm austreiben musst. Und falls ich wirklich nicht schlafen kann, findet sich schon jemand zum nerven.”, wimmelte Talea die Köchin ab. “Also schön. Dann übernachte ich bei Thatch. Versprich mir aber, keinen Blödsinn zu machen, keine Alleingänge und wenn doch irgendwas sein sollte, dass du dich an jemanden wendest.” “Versprochen.”

Und nun lag Talea allein in der Kajüte. Sobald sie die Augen schloss, sah sie den blutüberströmten Thatch vor sich, ihr Puls schnellte in die Höhe und sie riss die Augen auf. “Verdammt nocheins.”, fluchte sie, ehe sie aus dem Bett stieg und auf den Gang hinaus trat. Aus den meisten Kajüten konnte man ein Schnarchen vernehmen, war es doch schon sehr spät. Leise schlich Talea den Gang entlang, nur mit einem Shirt und einer Boxershort bekleidet.
Sacht klopfte sie an eine Türe, ehe sie diese einen Spalt breit öffnete. “Marco?”, fragte sie leise in die Dunkelheit hinein, doch es kam keine Antwort. Enttäuscht schloss Talea die Tür wieder, als eine Hand sich auf ihre Schulter legte. “Wolltest du zu mir?”, flüsterte Marco leise. Erschrocken war die Gürnhaarige zusammen gezuckt. Marco öffnete die Tür zu seinem Reich und deutete Talea an, dass sie eintreten soll.