Der Apparier-Kurs – Teil 1

Die zweite Aufgabe lag nun ein paar Tage zurück und der Alltag war wieder im Schloss eingekehrt. Gerade hatten die Sechstklässler eine Stunde Geschichte der Zauberei, als Professor McGonagall ins Klassenzimmer trat. “Liebe Schüler, das Ministerium hat soeben die Termine für die Apparierprüfungen durch gegeben. Sie wird einmal am 4.April stattfinden und einmal kurz vor Schuljahresende am 29. Juni.  Jeder, der davor seine Volljährigkeit erreicht hat, darf an der Prüfung teil nehmen.”Begeistert klatschten die Zwillinge ein und auch sonst war ein freudiges Gemurmel ausgebrochen. Nur eine der Zauberschülerin wirkte weniger begeistert. Mit zusammengekniffenem Mund saß Lucinda da und starrte ihr Blatt Pergament nieder. “Hey, was ist denn los?”, wollte Holly leise wissen, die neben ihrer Freundin sah. “Ich mag apparieren nicht… Es ist so ein widerliches Gefühl, wenn man von allen Seiten gequetscht wird.”, gestand Luce ihrer Freundin. Noch ehe Holly etwas darauf antworten konnte, unterbrach Professor McGonagall das Getratsche der Schüler. “Da der Kurs vom Ministerium angeboten wird, und kein offizieller Teil der Schulausbildung ist, belaufen sich die Kosten für die Übungsstunden und die Prüfung auf zwölf Galleonen pro Schüler.” “Das ist ja Wucher!”, ertönte es von der Sitzreihe der Weasley-Zwillinge. “Ob Wucher oder nicht. Das Ministerium hat den Preis festgesetzt und wir können daran nichts ändern. Wer also an dem Apparier-Kurs teilnehmen möchte, und das notwendige finanzielle Mittel dafür hat, der kann sich heute Mittag in die Liste eintragen, die in der Eingangshalle bei den Stundengläsern hängt. Und jetzt noch ein frohes Lernen allerseits.”, mit diesen Worten verließ Professor McGonagall das Klassenzimmer wieder.


“24 Galleonen können sich Mum und Dad nicht leisten.”, raunte George seinem Zwilling zu. “Und wenn wir einen Teil unserer Ersparnisse dafür her nehmen? Durch den Verkauf der Jux-Zauberstäbe und Pusteldrops haben wir zumindest für einen von uns die Kosten schon abgedeckt und wenn wir…”, überlegte Fred halblaut. “Nein, es ist noch nicht ausgereift, wir können das noch nicht zum Verkauf anbieten.”, fuhr George dazwischen. “Du hast ja Recht, vielleicht wenn Mum und Dad ein paar Galleonen locker machen können und den Rest müssen wir eben noch irgendwie dazu verdienen.”, gab Fred letzten Endes nach. Beide Weasleys wirkten nicht glücklich über diese Tatsache.


Absolut keiner hörte mehr den Ausführungen von Professor Binns zu, als er über die Hexenverfolgung sprach. Außerdem war sich Lucinda sicher, dass ihr Lehrer seinen Text auch weiter runter gerattert hatte, als Professor McGonagall ihnen von dem Apparier-Kurs berichtet hatte. Da stieß Holly sie mit dem Ellbogen an. “Scheint so, als hättest nicht nur du Probleme mit dem Kurs.”, flüsterte sie leise und deutete auf die Zwillinge. Leicht beugte sich Lucinda zu ihrer Freundin hinüber. “Die Beiden wollen apparieren lernen, aber die Kosten sind so hoch. Und ich könnte mir den Kurs locker zwanzig Mal leisten und in mir sträubt sich alles dagegen, daran teil zu nehmen.”, raunte Lucinda, ehe sich ihr Gesicht aufhellte. “Oh nein. Lucy, das wirst du nicht tun! Damit kränkst du die Zwillinge.”, erriet Holly doch den Gedanken ihrer besten Freundin sofort. “Du kannst ihnen nicht die Galleonen für den Kurs geben. Du verletzt damit ihren Stolz.”, zischte sie. “Ich will ihnen den Apparier-Kurs ermöglichen, Holly. Und ich werde mit ihnen darüber reden.”, damit war für Lucinda das Thema vorerst erledigt.


Dann ertönte endlich der Schlag der großen Uhr, der alle Schüler von ihrem Unterricht befreite, war es doch an der Zeit fürs Mittagessen. Während in Professor Binns Unterricht alle hastig ihre Pergamente zusammen räumten, schrieb Lucinda noch in aller Ruhe ihren Satz fertig, rollte das Pergament sorgfältig zusammen und verstaute es mit einem sehr zufriedenen Grinsen in ihrer Umhängetasche. “Du hast was vor.”, stellte Holly mit zusammen gekniffenen Augen fest. “Aber nicht doch.”, flötete Lucinda und ging in die Große Halle, wo sie sich zwischen die Zwillinge drängte, die die Köpfe schon wieder zusammen gesteckt hatten.
“Na ihr Beiden, ist heute nicht ein herrlicher Tag?”, fragte sie übertrieben fröhlich, bevor sie George einen Kuss auf die Wange drückte. “Was soll an diesem Tag bitte so herrlich sein?”, stellte Fred mürrisch die Gegenfrage. “Ach ich weiß auch nicht. Vielleicht die Info über den bevorstehenden Apparier-Kurs, das klingt so… so aufregend.”, enthusiastisch griff Lucinda nach einem Teller und legte ein paar Kartoffeln auf. “Dann wirst du wohl ohne uns bei dem Kurs mitmachen müssen, wir können uns keine zweimal Kursgebühren leisten.”, grummelte George. “Ha!”, rief Luce, als sie gerade ein Steak auf ihren Teller legte. “Du hast gesagt, ihr könnt euch keine ZWEI-Mal die Gebühr leisten, das heißt aber, dass ihr Geld für einmal auf der Seite habt.”, schlussfolgerte die Brünette. “Löwenzähnchen lass gut sein. Selbst wenn nur einer von uns zu dem Apparier-Kurs geht, so geht unser gesamtes Ersparnis dafür drauf. Außerdem würden weder Fred noch ich ohne den jeweils anderen apparieren lernen wollen.” George malträtierte die Kartoffeln auf seinem Teller. “Hm, zu schade, dass Männer immer zu stolz sind, um Hilfe anzunehmen.”, grinste Lucinda und schob sich ein Stück des Fleisches in den Mund. “Was heißt bitte, wir wären zu stolz um Hilfe an zu nehmen? Sag uns, wie wir bis Ende der Woche weitere 12 Galleonen auftreiben können, ohne unsere Eltern damit zu belasten oder nicht ausreichend getestete Scherzartikel zu verticken.”, brummte Fred und machte aus seinem Steak Geschnetzeltes. “Am einfachsten wäre es, wenn ihr jemanden kennt, der genügend Geld besitzt und der es euch auch leihen würde.”, zuckte Luce mit den Schultern. Kurz warfen sich die Zwillinge einen Blick über Luces Kopf hinweg zu. “Wenn Ron ihn fragen würde, wäre das sicherlich kein Problem, aber wir können Harry doch nicht um Geld bitten.”, sprach Fred das aus, was den Zwillingen durch den Kopf geschossen kam. Genervt verdrehte Lucinda die Augen. “Manchmal seid ihr Beiden echt sowas von doof.”, murrte Lucinda und spießte eine Kartoffel auf ihre Gabel. “Aber wahrscheinlich hatte Holly recht, ihr würdet lieber sterben, als euch von einem Mädchen helfen zu lassen.” Entschlossen sah Lucinda ihren Freund an, doch auf Georges Gesicht spiegelte sich nur Verwirrtheit. Seufzend zog sie die Pergamentrolle aus ihrer Tasche und legte sie vor sich auf den Tisch. “Lest es euch durch, falls ihr mich sucht, ich bin in der Bibliothek.”, mit diesen Worten stand sie auf und ging davon.


Zögerlich griff George nach dem Pergament und entrollte es. “Vertrag zur Geldanleihe.”, las George vor. “Lucinda Bishop willigt hiermit ein, den Zwillingen George Weasley und Fred Weasley, die Summe von 24 Galleonen zu leihen, unter der Voraussetzung, dass das Geld ausschließlich für den Apparier-Kurs verwendet wird. Die Rückzahlung des oben genannten Betrags erfolgt, sobald es die finanzielle Möglichkeit der Zwillinge zulässt. Pro Jahr fallen eine Galleone Zinsen an.” Ungläubig sahen sich die Zwillinge an, bevor sie sich gleichzeitig in Bewegung setzten und in die Bücherei stürmten. 


Dort saß sie, wie immer an dem Tisch beim Fenster, um sich herum einige Bücher verteilt. Etwas atemlos setzten sich die Zwillinge zu Lucinda an den Tisch. “Luce, das kannst du doch unmöglich ernst meinen.”, flüsterte George und legte das Pergament auf den Tisch. “Warum soll ich das nicht ernst meinen?”, wollte sie wissen und sah ihrem Freund entschlossen in die Augen. “24 Galleonen sind nicht gerade wenig.”, pflichtete nun Fred seinem Bruder bei. “Ihr beide wollt einen Laden eröffnen und somit Geschäftsmänner werden. Somit solltet ihr euch auch damit auseinander setzen, Geschäfte zu machen. Außerdem hätte ich euch das Angebot nicht gemacht, wenn ich es mir nicht leisten könnte.”, gab Lucinda die Schultern zuckende Antwort. “Natürlich liegt es letzten Endes in eurer Entscheidung, ob ihr meine Hilfe annehmt, oder nicht.” Die Zwillinge tauschten wieder bedeutende Blicke. “Okay, wir nehmen dein Angebot an.”, stimmte Fred seufzend hinzu. “Aber verrate mir bitte, woher du das ganze Geld nimmst. Immerhin zahlst du dann 36 Galleonen für den Apparier-Kurs.” Etwas verwirrt sah Lucinda Fred an. “Ich werde nicht apparieren lernen.”, verhemmt schüttelte die Brünette den Kopf. “Du kannst doch nicht wegen uns auf den Apparier-Kurs verzichten.”, entsetzt sah George seine Freundin an. “Ich verzichte doch nicht wegen euch auf diesen dämlichen Kurs. Wenn ich wollte, könnte ich ihn für alle Sechstklässer bezahlen. Nein, nein. Ich verzichte darauf, weil ich keine Lust habe, dauernd diesem Gefühl des gequetscht Werdens ausgesetzt zu sein.”, raunte Lucinda, wobei sich eine Gänsehaut auf ihren Armen ausbreitete, wenn sie nur daran dachte.
Kurz schüttelte sie sich. “Lucinda, wir nehmen dein Geld nur an, wenn du ebenfalls zu diesem Kurs gehst.”, drohte Fred. “Ach bitte, Luce. Mir zu liebe.”, säuselte George. “Oh ihr Höllen-Zwillinge. Na fein, dann geh ich halt auch zu diesem dämlichen Apparier-Kurs.”, rief sie aufgebracht, was ihr ein missbilligendes “PSST!” von Madam Pince einbrachte.


Die erste Kursstunde begann damit, dass der Ministeriumsangestellte die Kursgebühr von jedem einzelnen Teilnehmer einkassierte, was schon fast die ganze Übungsstunde dauerte. Danach fing der Apparierlehrer an, in einem nasalen Tonfall die goldene Dreierregel des Apparierens herunter zu leiern. “Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass Sie die drei Schritte des Apparierens verinnerlichen. Als Erstes müssen Sie sich ganz auf Ihr Ziel konzentrieren. Als Zweites muss der Wille Ihren ganzen Körper beseelen und auch bis in die letzte Zelle vordringen. Und zu guter Letzt, als Drittes müssen sie mit viel Bedacht und einer zielgerichteten Drehbewegung vom Ursprungsort verschwinden und am Zielort wieder materialisieren. Also denken Sie immer daran. Ziel, Wille und Bedacht. Wenn Sie das verinnerlicht haben, dann werden sie apparieren lernen.” Schon ertönte der Gong, dass die erste Übungsstunde vorbei war. “Verinnerlichen Sie bitte bis zum nächsten Mal die goldene Dreierregel, Ziel, Wille und Bedacht! Einen schönen Tag noch.”, mit diesen Worten verschwand der Apparierlehrer und lies eine frustrierte Klasse zurück.”Man, ich dachte wir dürfen heute gleich drauf los apparieren, aber das Gequassel war ja sowas von lahm.”, stöhnte Lee genervt, der bei den Zwillingen saß. “Ich frag mich eher, wie wir das Praktische üben sollen. Auf Hogwarts liegt ein Apparierschutz.”, grübelte Fred. “Eine Hauselfe müsste man sein, die kann trotz des Schutzes apparieren.”, grinste Lee. “Ihr seit so bekloppt, Jungs. Zu den Übungsstunden und zur Prüfung wird der Schutz von der Großen Halle aufgehoben. Könnt ihr sogar in Geschichte Hogwarts nachlesen.”, mischte sich nun Lucinda mit in das Gespräch ein.