Kapitel 27: Der erste Flug
Nachdem Marco Talea den Vortritt in seine Kajüte gelassen hatte, schloss er die Türe hinter sich und zog die Grünhaarige im Anschluss in seine Arme um gierig seine Lippen auf die ihren zu pressen. Taleas Hände wanderten in Marcos Haar und gruben sich in die blonden Strähnen. “Das wollte ich schon den ganzen Tag machen.”, raunte der Vize, als sich ihre Lippen ein paar Zentimeter voneinander getrennt hatten. “Und warum hast du es nicht gemacht?”, fragte Talea atemlos und mit einem rötlichen Schimmer um die Nase. Anstatt einer Antwort, hob Marco die Grünhaarige hoch und küsste sie abermals gierig. Erschrocken japste Talea auf, als sie den Boden unter den Füßen verlor und schlang reflexartig ihre Beine um Marcos Hüfte. Mit einer spielerischen Leichtigkeit trug der Vize die Grünhaarige zu seinem Bett und lies sie auf die weiche Matratze fallen, bevor er über sie kletterte und ganz in Beschlag nahm.
Die darauffolgenden Tage fand man Talea immer öfter im Krähennest. Schnell hatte sie den Dreh heraus, wie sie eine Teil-Verwandlung hin bekam. So stand sie, nur ihre Arme in Flügel verwandelt. da und hielt sie in den Wind. Mit gemischten Gefühlen beobachtete Marco es von Deck aus, als die Grünhaarige auf die Brüstung des Krähennestes kletterte.Nicola, die eben noch Whitebeards Gesundheitswerte kontrolliert hatte, stellte sich neben Marco und sah ebenfalls hinauf zum Krähennest. “Du weist, dass sie das nur für dich macht?”, wollte die Krankenschwester beiläufig wissen. “Sie macht es nicht nur für mich. Sie macht es wegen dem Phönix in ihr. Jetzt wo sie sich komplett in einen Phönix verwandeln kann, will er auch fliegen. Frei sein. Ich hätte sie niemals dazu bringen sollen, ein Phönix zu werden.”, murmelte Marco in seinen 3-Tage-Bart. “Dann bring ihr das Fliegen doch endlich bei. Oder wovor hast du Angst?” Ertappt blickte Marco zur Seite. “Was, wenn sie irgendwo dagegen fliegt? Oder abstürzt? Das könnte ich mir nie verzeihen.”, nuschelte der Vize halblaut.
“Du bist so ein Idiot, Kommandant Marco! Sie ist ein Phönix, genau wie du! Ihr kann nichts schlimmeres passieren, außer ins Meer zu stürzen!”, fauchte Nicola und stapfte dann davon. Zerknirscht musste Marco sich eingestehen, dass die Krankenschwester Recht hatte. So verwandelte er seine Arme in Schwingen und flog zu Talea hinauf ins Krähennest.
“Na meine Hübsche. Bereit für die erste Flugstunde?”, wollte er wissen und versuchte zu lächeln. “Ich bin bereit. Die Frage ist nur, ob du es auch bist.”, konterte Talea frech. Etwas überrascht blickte Marco drein, ehe er versuchte, sich zu erklären. “Es ist nur… wenn dir beim Versuch zu fliegen was passiert… Ich kann dich nicht verlieren.” Talea, die bis eben noch auf der Brüstung des Krähennests stand, sprang zu Marco und trat dicht an ihn heran. “Was soll denn groß passieren? Du wirst mich anfangs eh nicht alleine fliegen lassen.”, hielt Talea ihm vor. “Da hast du Recht. Dann lernst du jetzt, wie du vom Krähennest aufs Deck gleitest. Dafür spreizt du als erstes deine Schwingen und nimmst die Schultern etwas zurück.” Marco korrigierte Taleas Haltung, indem er seine Handfläche zwischen ihre Schulterblätter legte und etwas drückte. “Ja, so sieht das schon gut aus. Jetzt kommt der schwierigste Teil. Du musst dich selbst überwinden, um da hinunter zu springen.” Etwas verunsichert sah die Piratin zu ihrem Vorgesetzten. “Keine Sorge, der Wind sammelt sich unter deinen Flügeln und du kannst dann durch leichtes, einseitiges Heben eines Flügels Kreise ziehen.”Schon kletterte Talea wieder auf die Brüstung hinauf. Mit einem kurzen türkisgrünen Flammenschub waren ihre Arme zu den Phönixschwingen geworden. Sie nahm die Schultern zurück, so wie Marco es ihr gesagt hatte und spreizte ihre Flügel. Der leichte Wind raschelte in ihrem Gefieder und sie schloss genießerisch die Augen, dann trat sie einen Schritt nach vorne ins Leere.
Ein kurzes, überraschtes “Wah!”, konnte sie nicht unterdrücken, als sie einige Meter in die Tiefe sackte, ehe der Auftrieb einsetzte und sie durch die Luft glitt. Durch leichtes Heben und Senken der Flügel konnte Talea die Richtung ihres Schwebefluges steuern und sie jauchzte vor Freude. Übermütig drückte sie ihre Flügel mit aller Kraft nach unten, wodurch sie wieder an Höhe gewann. Das Spiel wiederholte sie einige Male, bis Marco vor ihr auftauchte. “Für heute reicht es. Wir landen jetzt und dann erklär ich dir die Theorie des Fliegens.” “Jetzt sei doch kein Spielverderber, Marco. Lass mich das Gefühl doch ein kleines bisschen genießen.”, grummelte die Grünhaarige. “Wir landen jetzt!”, gab Marco den Befehl, hatte er den Wetterumschwung bemerkt. Schon nahm er die Flügel weit zurück um schneller an Höhe zu verlieren. Nur Talea folgte ihm nicht, sie schlug noch einige Male mit ihre Flügel, um weiter an Höhe zu gewinnen, das bemerkte auch Marco. “TALEA!”, schrie er warnend, doch da war es bereits zu spät.
Ein weiterer Flügelschlag später und Talea kam in einen heftigen Luftstrom. Der Wind riss an ihren Flügeln und unkontrolliert wurde die Grünhaarige herum gewirbelt. Sie versuchte krampfhaft, ihre Flügel zu spreizen um sich zu stabilisieren, doch so bot Talea dem kräftigen Wind mehr Angriffsfläche und wurde immer weiter von der MobyDick weg getragen. Fluchend stieg Marco in die Höhe, als er bemerkte, in welche Turbolenzen Talea geraten war. Mit wenigen Flügelschlägen war er in ihrer Nähe und versuchte sie mit seinen Krallen zu fassen, doch immer wieder wirbelte der Wind sie im letzten Moment in eine andere Richtung. “Versuch deine Flügel nach hinten zu nehmen, um aus der Strömung zu kommen!”, brüllte Marco gegen den tosenden Wind an, doch er bezweifelte, dass die Worte bei Talea ankamen, weshalb er erneut versuchte, sie mit seinen Krallen zu fassen. Gerade, als er dachte, er hätte Talea erwischt, riss ihn eine weitere Windböe davon, doch schnell hatte Marco die Kontrolle über seinen Flug zurück, im Gegensatz zu Talea, die noch immer wild herum gewirbelt wurde.
An Deck beobachteten neben Whitebeard auch Vista und Jozu das Schauspiel, welches die beiden halbverwandelten Phönixe in der Luft boten. “Sag mal Pops, ist das so ein Phönix-Ding, dass jeder beim ersten Flugversuch in Schwierigkeiten kommt?”, wollte Vista wissen und zwirbelte an seinem Bart. “Guarararar, eine gute Frage, mein Sohn.”, lachte Whitebeard und erinnerte sich daran, dass Marco damals bei seinem ersten Flug auch nicht auf ihn hören wollte. Eine ähnliche Situation wie jetzt entstand, als der damals junge Marco in einen Orkan geraten war. Auch jetzt deutete der Wind und die sich aufbauschenden dunklen Wolken darauf hin, dass sie in einen heftigen Sturm gerieten. “Jozu, hol mir Namur. Vista, das Deck sichern, da kommt ein Sturm.”, gab der Kapitän den Befehl. “Hoffentlich schaffen die Beiden es noch rechtzeitig zurück aufs Schiff.”, murmelte der Kapitän leise vor sich hin, als er wieder in den Himmel blickte.Die ersten schweren Regentropfen prasselten aufs Deck, während die Mannschaft Fässer vertäute und die Segel einholte. Immer wieder blickten auch ein paar Nakamas in den Himmel und sahen die beiden Phönixe, die dem starken Wind ausgesetzt waren. “Kommandant Marco wird da oben schon klar kommen, aber ob die Kleine das schafft?”, überlegte einer der Männer laut. “Deswegen ist doch Kommandant Marco bei ihr. Die Zwei werden schon heil wieder an Bord kommen.”, rügte ihn ein anderer.
Jeder Muskel in Taleas Armen schmerzte von der ungewohnten Anstrengung. Zusätzlich hatte sie die Orientierung über oben und unten verloren und der einsetzende Regen war eiskalt und lies sie zittern. Kurzzeitig hatte sie Marcos blaues Feuer gesehen, aber ob er noch immer in der Nähe war, konnte sie beim besten Willen nicht sagen. Ihr Geist wurde von einem einzigen Gedanken beherrscht. “Ich muss tiefer runter, da geht kein so starker Wind.” Weil sich Talea nicht mehr anders zu helfen wusste, wandelte sie ihre Flügel zurück in Arme. Schon hatte der Wind keine Angriffsfläche mehr und sie sackte schnell mehrere Meter ab. Marco erbleichte. Er sah, wie Taleas Phönixschwingen verschwanden und sie kopfüber in Richtung Meer stürzte. “Nein! Nein, nein, nein!”, fluchte er und setzte zum Sturzflug an. Seine Befürchtung war, dass Talea das Bewusstsein verloren hatte und nun abstürzte. Schnell holte er zu ihr auf, es trennten ihn nur noch wenige Meter, dann könnte er sie hoffentlich packen und zurück auf die MobyDick fliegen.
Der Regen wurde immer kräftiger, weshalb sich viele der Whitebeardpiraten ins Innere des Schiffs zurück zogen. “Namur. Halte dich bitte bereit.”, sprach Whitebeard den Fischmenschen an, bevor er wieder das Geschehen im Himmel verfolgte. “Ay, Pops.”, bestätigte der Kommandant der 8. Division, welcher ebenfalls das Treiben im Himmel beobachtete. So machte sich Namur bereit, im Notfall ins Meer zu springen und die beiden Teufelsfruchtnutzer aus dem Wasser zu ziehen, sollten sie in den Fluten versinken.
Der Luftdruck um Talea änderte sich, sie spürte es in jeder Faser ihres Körpers. Noch während sie ihre Arme ausstreckte, wurden sie zu den türkis gefiederten Flügeln und fingen den Wind ein, wodurch der Sturz abgefangen wurde. Allerdings knackte es auch gefährlich in den Schultern der Grünhaarigen und türkise Flammen waberten über Taleas Rücken. Sie taumelte durch die Luft und jede Flügelbewegung sandte einen unsagbaren Schmerz in ihre Schultern, doch sie wusste, sie musste aufs Schiff zurück, unter allen Umständen. Inzwischen hatte auch der Wind in der unteren Region zugenommen und der Regen peitschte Talea ins Gesicht. Ihr fiel es immer schwerer sich in der Luft zu halten. Gerade als ihr der linke Flügel versagte, schob sich Marcos Gestalt an ihre Seite und stützte sie. “Wir fliegen jetzt gemeinsam zurück zur Moby. Ich bin an deiner Seite, dir kann nichts mehr passieren.”, beruhigend waren Marcos Worte, brachte er es doch nicht übers Herz jetzt mit Talea zu schimpfen, wo er doch so unendlich froh war, dass sie es bis hier her geschafft hatte.
Elegant landete Marco auf dem Deck und verwandelte sich zurück, während Talea erschöpft nach vorne stolperte, über ihre eigenen Beine purzelte und auf dem Rücken liegen blieb. Erleichterung war im Gesicht des Kapitäns zu sehen, als seine zwei Untergebenen wieder an Bord waren. Noch bevor Whitebeard etwas sagen konnte, drang ein undefinierbarer Laut von Talea an die Ohren der drei Umstehenden. Es war eine Mischung aus Schluchzen und Lachen, war die Grünhaarige einfach nur froh, dass sie noch lebte, auf der anderen Seite saß ihr der Schrecken in den Knochen. “Danke Namur, dass du dich bereit gehalten hast. Marco, du kümmerst dich um Talea und schau zu, dass ihr beide trockene Sachen anzieht.”, gab Whitebeard die Anweisungen, er selbst würde den anderen Bescheid geben, dass die Beiden Phönixe wieder an Bord waren.
Während Whitebeard und Namur bereits das Deck verlassen hatten, kniete Marco neben der Grünhaarigen. “Kannst du aufstehen?”, wollte er besorgt wissen, doch Talea schüttelte nur schwach mit dem Kopf. Kurzerhand schob Marco seine Arme unter den Körper der Frau und hob sie hoch, als wiege sie gar nichts. “Eigentlich sollte ich mit dir schimpfen, weil du nicht auf mich gehört hast. Aber es ist auch meine Schuld. Ich hätte dir sagen sollen, dass sich das Wetter ändert und deshalb landen sollen.”, murmelte Marco vor sich hin, als er Talea in Richtung der Krankenstation brachte, war ihm nicht entgangen, dass klitzekleine, schwache Flammen an Taleas Schultern tanzten und gleich wieder verschwanden. “Tut mir Leid, Marco.”, nuschelte die Grünhaarige schwach, war sie am Ende ihrer Kräfte. “Darüber sprechen wir später, jetzt schauen wir erst mal, dass du wieder auf die Beine kommst.”In der Krankenstation angekommen, setzte Marco die Grünhaarige auf die Behandlungsliege. Vorsichtig schob er ihr Shirt hoch, um sich die Rückenpartie anzusehen. “Deine linke Schulter schaut nicht gut aus. Der Rest wird wieder, sobald du zu Kräften gekommen bist.”, gab Marco seine Diagnose ab, ehe er seine Hand auf die geschädigte Schulter von Talea legte und sie heilte. Ein erleichtertes Seufzen entkam der Grünhaarigen, als der Schmerz nach lies und Marco ihr auch noch etwas Energie zukommen hat lassen.
Auf dem Weg zu ihren Kajüten, fing Marco unerwartet an zu erzählen. “Nachdem Pops mich zum fliegen lernen über die Reling geworfen hatte, konnte ich nicht aufhören, fliegen zu wollen. Noch am selben Abend bin ich wieder hinaus. Anfangs war noch alles in Ordnung, doch ich bin in einen aufziehenden Orkan geraten. Eine Fallböe hat mich direkt ins Meer gedrückt. Wäre Namur, der erst ein paar Tage vorher der Mannschaft beigetreten ist, nicht an Deck gewesen, wäre ich heute nicht hier. Er sprang ohne groß darüber nachzudenken ins Meer und hat mich gerettet.”Talea schmiegte sich an Marcos Seite. “Es tut mir wirklich Leid, dass ich nicht auf dich gehört habe. Wenn du mir noch eine Chance gibst, versprech ich, alles zu machen, was du sagst.”, nuschelte sie leise. Marcos Gesichtszüge, die bei seiner Erzählung noch etwas düster waren, lockerten sich und ein Lächeln erschien. “Du versprichst, ALLES zu machen, was ich WILL?”, wollte er amüsiert wissen. “Ah… also… alles… was mit… fliegen… zu tun hat.”, stotterte Talea und lief scharlachrot an.