Kapitel 29: Zeit zu zweit

Schwer schluckte die grünhaarige Piratin, nachdem ihr die bevorstehende Zukunft prophezeit wurde. “Danke, dass du es mir gesagt hast.”, brachte sie krächzend hervor, als ein erfreutes “Sada! Auri!” ertönte. Von der Reling der MobyDick wank wie wild Kai und rief immer wieder die Namen seiner Schwestern, dann stürmte er auch schon die Planke hinunter um seine kleine Schwester in die Arme zu schließen. Kurz räusperte sich Talea. “Wie geht es bei euch jetzt weiter?”, wollte die Grünhaarige wissen und sah Sada fest in die Augen. “Na ja, ich werde weiter den Leuten die Hand lesen, aber vielleicht den Preis ein bisschen anheben. Kai wird sich in der Zeit um Auri kümmern und dann werden wir das schon irgendwie hin bekommen.”, versuchte Sada es positiv zu sehen. Da kramte Talea alles Gold und Geld, welches noch in ihrer Hosentasche steckte hervor. “Es ist nicht sonderlich viel, aber nehmt es bitte.”, lächelte Talea und drückte Sada das Geld in die Hand. “Und wenn was sein sollte…”, sprach die Grünhaarige weiter und suchte aus ihrer Tasche ein Stück Papier und etwas zu Schreiben, dann notierte sie eine Nummer und drückte den Zettel ebenfalls in Sadas Hand, “Das ist die Teleschneckennummer von der Moby. Meldet euch.” “Talea…”, hauchte die Handleserin ehrfürchtig den Namen der Älteren, als sie von den Geldscheinen und Münzen zu der Piratin aufsah. Sada schlang ihre Arme um die Taille von Talea und drückte sie ganz fest. “Ich werde dir das nie vergessen.”, schniefte sie.

Marco, der vorhin Souta zusammen gestaucht hatte, lehnte an der Reling und besah sich die Szene im Hafen. Anfangs war der Vize schier außer sich vor Wut gewesen, als Souta mit dem Jungen an Bord kam und von Talea weit und breit keine Spur zu sehen war, doch die Wut hatte sich schnell gelegt, als er Taleas Angst gespürt hatte. Zuerst hatte der Vize gedacht, es wäre seine eigene Angst, die ihn übermannte, doch schnell bemerkte er den Irrtum und konzentrierte sich auf sein sonst so ruhiges Gemüt. Als er dann die Erleichterung Seitens Talea vernommen hatte, wusste er, was auch immer geschehen war, es war vorbei. Jetzt würde ihn nur noch die Geschichte dahinter interessieren, aber Marco war sich sicher, das Talea es ihm später erzählen würde.
“Sie hat ein gutes Herz.”, brummte da Whitebeard neben seinem Vize, der ebenfalls an die Reling getreten war und auf die Grünhaarige mit den drei Kindern hinab blickte. “Sie wird bestimmt eine gute Mutter werden.”, lächelte der Kapitän und ein liebevoller Ausdruck erschien auf seinem wettergegerbten Gesicht. Plötzlich fing Marco wie wild an zu Husten. “Pops… *hust hust*… das hat wirklich… *hust hust*… noch Zeit!” Herzhaft lachte Whitebeard auf: “Ihr werdet genauso wenig jünger, wie ich es werde.”
“Pops, bitte. Ich bin… ich kann kein… du bist ein guter Vater, aber ich werde nie einer sein.” Gequält sah Marco wieder zu Talea, die das Ältere der beiden Mädchen fest an sich drückte. “Warum glaubst du das?”, fragte Whitebeard und wirkte wirklich überrascht. “Du weißt genau, Pops, dass ich meine Gefühle nicht zeigen kann. Außer bei Talea. Wie könnte ich einem Kind… meinem Kind… Liebe und Geborgenheit vermitteln?”
Whitebeard legte seine große Hand auf Marcos Kopf und verstrubbelte seine eh schon wilde Frisur. “Mein Sohn, ich bin sicher, wenn die Zeit für euch gekommen ist, dann wirst du dein Kind nicht minder lieben, wie die Frau an deiner Seite. Und du wirst ihm auch diese Liebe zeigen können.” Nachdenklich schwieg Marco, während Whitebeard wieder seinen Platz auf dem Thron ansteuerte.

Winkend verabschiedete sich Talea von den drei Kindern. Sada und Kai hatten Auri in die Mitte genommen und auch sie winkten zum Abschied, während sie den Weg zurück in die Stadt antraten. Ein bisschen war der Piratin schwer ums Herz. Gern hätte sie mehr für die Kinder getan, ihnen ein liebendes Zuhause geschenkt, doch sie wusste tief in ihrem Innersten, dass es so besser war.
Mit einem traurigen Lächeln betrat sie die MobyDick und hielt direkt auf Marco zu. Wortlos schmiegte sie sich an den Blonden, der seine Arme beschützend um sie legte. “Warum fühlt es sich so falsch an, obwohl ich alles in meiner Macht stehende getan habe?”, fragte sie leise mit erstickter Stimme. “Weil es noch Kinder waren und es sich immer falsch anfühlt, wenn man sie sich selbst überlassen muss.”, beantwortete Marco die Frage. Dann hob er Talea einfach auf seine Arme und ging mit ihr unter Deck.  

Die Grünhaarige auf seinen Schoß ziehend, hatte es sich Marco auf Taleas Bett bequem gemacht. “Würdest du mir bitte erzählen, was dir heute Nachmittag solche Angst gemacht hat, dass ich es fast schon physisch gespürt habe?”, fragte Marco leise nach, während seine Finger mit einer grünen Haarsträhne spielten. Schuldbewusst senkte Talea den Blick. “Du weißt, dass ich nach meinem ersten, katastrophalen Flug nicht mehr dazu durchringen konnte, wieder zu fliegen…”, holte Talea etwas weiter aus und bekam ein bestätigendes Nicken von Marco. “Als ich dann mit Souta auf dem Markt war, da trafen wir auf die Kinder. Zumindest auf Kai und Sada. Kai hat berichtet, dass seine kleine Schwester von ein paar Leuten gejagt wird, weil sie einfach einen Apfel genommen hat. Ich konnte da nicht einfach Nichts tun und bin Sada hinterher gerannt, die ihrer Schwester helfen wollte. So sind wir zu den zerklüfteten Bergen gekommen. Es waren vier junge Männer, höchstens 19 Jahre alt, und einer von ihnen hatte das Mädchen am Kragen hochgehoben. Marco, er hat die 5-Jährige einfach so in die Schlucht geworfen.” Tränen schimmerten in Taleas Augen, als sie daran zurück dachte. “Ich.. Ich musste ihr doch helfen. Aber die Angst… Und dann war da eine Ruhe…. deine Ruhe… Es hat mich beruhigt…  und dann bin ich ihr hinterher in die Schlucht.”, den letzten Teil des Satzes flüsterte Talea nur noch mit der Hoffnung, dass Marco ihn einfach überhören würde, aber den Gefallen tat der Vize ihr nicht. “Du bist dem Mädchen hinterher gesprungen, in eine Schlucht? Obwohl du Schiss vor dem Fliegen hattest?” Schwach nickte die Grünhaarige. Sie rechnete schon fest damit, dass Marco gleich mit ihr schimpfen würde, doch der fing aus heiterem Himmel an zu lachen. “Du überraschst mich immer wieder, Talea Battersby.”, kam es zärtlich von dem Blonden, dann nahm er ihre Lippen mit den Seinen in Beschlag. Aus der anfänglichen Liebkosung wurde rasch ein leidenschaftliches Ringen und kurz darauf fand sich Talea auch schon unter Marco auf dem Bett wieder. Ihr Körper glühte regelrecht, als Marco ihr ins Ohr flüsterte, dass er die Nacht gern mit ihr verbringen wollte.

Mit dem Gefühl, vor lauter Glück zu platzen, wachte die Grünhaarige am nächsten Morgen auf. Die Betthälfte neben ihr war zwar leer, aber noch warm. Marco musste also erst vor kurzem aufgestanden sein. Vor sich hin summend, machte sich Talea für den Tag fertig und betrat kurze Zeit später die Mensa. “Guten Morgen Tally!”, grüßte Conny die Jüngere und stellte ihr eine Tasse Kaffee vor die Nase. “Morgen Conny. Danke dir.”, erwiderte Talea den Gruß und strahlte die Köchin dankbar für den Kaffee an, als auch schon Haruta gegenüber Platz nahm. “Was hast du mit Marco gemacht?”, wollte die Kommandantin sofort wissen. “Dir auch erst mal einen guten Morgen, Haruta. Was soll ich denn mit Marco gemacht haben?” Etwas verwirrt sah Talea zwischen Conny und Haruta hin und her. “Das möchte ich ja von dir wissen. Erst kommt der werte Herr heimlich aus deiner Kajüte geschlichen und dann hat er noch eine übertrieben gute Laune, dass ich kotzen möchte.”, würgte die Kommandantin hervor. Doch darauf achtete Talea schon gar nicht mehr, hatte Marco soeben die Mensa betreten und hielten jeden anderen Gedanken von der Grünhaarigen fern. Mit verliebtem Blick verfolgte Talea jede noch so kleine Bewegung des Vize. Das Haruta vor ihrem Gesicht herum schnipste, wurde gekonnt ignoriert. Erst als Marco in der Küche verschwunden war, klärte sich der Blick der Grünhaarigen wieder. “Was?”, fragte Talea, als sie wieder im Hier und Jetzt angekommen war. “Du standst gerade voll neben dir, als Marco rein gekommen ist.” Talea war der leicht ängstliche Unterton der Köchin nicht entgangen und zog die Augenbrauen zusammen. “Ich… ich erinnre mich nicht daran, dass Marco hier in der Mensa war.”, verteidigte sich die Navigatorin und fing unkontrolliert an zu zittern. “Vielleicht solltest du dich mal von den Krankenschwestern durchchecken lassen.”, schlug Haruta vor, die sich nun auch um die Freundin sorgte. “Ich kann nicht krank sein. Der Phönix in mir würde das sofort heilen.”, winkte Talea ab. “Aber irgendwas stimmt nicht mit dir und mit Marco!”, hielt Haruta dagegen. “Und wenn ich mit Marco darüber rede?”, grübelte Talea laut nach. “Wenn dein Gehirn in seiner Nähe funktionieren würde, dann wäre das eine Möglichkeit, aber so…. Vergiss es!”
Keine der Frauen hatte bemerkt, das der Besagte an den Tisch getreten war. “Na ihr hübschen Ladys.”, grüßte Marco und er lächelte charmant in die Runde. “Ich sag doch, der ist übertrieben gut gelaunt.”, brummte Haruta in Richtung der Köchin, die nur noch nicken konnte, hatte es ihr doch glatt die Sprache verschlagen. Noch ehe jemand einschreiten konnte, hatte Marco sich neben Talea gesetzt und machte ihr sprichwörtlich schöne Augen. “Mein hübsches Täubchen, du wolltest mit mir reden? Wie wäre es, wenn wir beide in meine Kajüte gehen? Da können wir uns ganz ungestört unterhalten.”, flirtete der Blondschopf ungehalten. Dann nahm er auch noch Taleas Hand und hauchte ihr einen Kuss darauf, was die Grünhaarige verliebt kichern lies.
“Ich glaub, mir wird schlecht.”, würgte Haruta, die diese Seite von Marco überhaupt nicht kannte. Das seltsame Verhalten des Vize hatte auch den ein oder anderen Schaulustigen angezogen, darunter auch Izou, Ace, Barry und Nicola. Während die Männer noch über Marcos Verhalten lachten, grübelte die Krankenschwester. “Vielleicht ein Halluzinogen oder andere psychotrope Substanzen, die Veränderungen in der Denkweise und Wahrnehmung hervorrufen.”, murmelte sie vor sich hin, dann hatte die Krankenschwester auch schon den Entschluss gefasst, die beiden Phönixe, die sich so untypisch verhielten, mit auf die Station zu nehmen.
In genau diesem Moment war Marco aufgestanden und hatte Talea mit auf die Beine gezogen. “Hey Marco, ich kenn einen Ort, an dem ihr wirklich ungestört seid.”, sprach Nicola und deutete dem Phönix, ihr zu folgen. Kurz blitzten Marcos Augen erwartungsvoll auf, als er auch schon die Grünhaarige über seine Schulter warf und der Krankenschwester folgte.

Sie war extra einen Umweg gegangen, nicht das Marco bemerkte, wohin sie die Beiden brachte. Aber diese Vorsichtsmaßnahme von Nicola war unnötig. Beide waren so mit sich beschäftigt, dass sie blindlings folgten.
“Huh? Ist etwas mit Tally?”, fragte Alizza, als Nicola mit Marco und Talea im Schlepptau eintrat. “Nicht nur, irgendwas stimmt auch mit Marco nicht.”, raunte Nicola. Die beiden Krankenschwestern beobachteten, wie Marco die Grünhaarige auf eines der Krankenbetten legte und sich dann über ihr positionierte. Seine Finger wanderten geschickt unter ihre Kleidung und entlockten ihr verzückte Laute. Mit gehobener Augenbraue sah Alizza dem ganzen zu. “Okaaay….”, kommentierte Alizza das Ganze. “Ich tippe auf ein Halluzinogen. Bis jetzt scheinen aber auch nur die Beiden betroffen zu sein, was dem ganzen eigentlich widerspricht.”, teilte Nicola ihrer Kollegin mit. “Der Doc müsste gleich von der Visite bei Pops zurück sein, vielleicht hat er eine Idee, was mit den Beiden sein könnte.”

Wenige Minuten später betrat auch schon der Doc die Krankenstation. Seine Nase hatte er in der Krankenakte Whitebeards versenkt, als ihn ein zufriedenes Keuchen aufsehen lies. Mehrmals blinzelte der Arzt, musste er doch erst einmal verdauen, was er da überhaupt sah. “Oh nein! Nein, nein, nein!”, murmelte der Doc und eilte zu dem Schrank mit den Krankenakten. Die Akte von Whitebeard stellte er zurück und griff dafür nach einer ganz schmalen Akte. Der Blick des Arztes wanderte von der Akte zu dem Kalender, der an der Wand hing. “Wie ich es mir dachte.”, brummte er. Erwartungsvoll sahen die Krankenschwestern den Doc an. “Marco ist in der Balz.”, lies der Doc die Bombe platzen. “Mit ‘in der Balz’ meinst du …”  “Paarungszeit, genau.” “Aber Doc, die Balz ist doch jedes Jahr. Davor hat er doch auch nicht so … gesponnen.”, verwirrt blickte Alizza zu dem Arzt. “Davor hatten wir auch keinen weiblichen Phönix an Bord, den es zu umgarnen galt. Somit war das Balzverhalten von Marco ein einfaches Flirten mit den weiblichen Crewmitgliedern. Jetzt ist Talea aber zum weiblichen Phönix geworden und Marcos Urinstinkte sagen ihm, dass er das Weibchen für sich gewinnen muss. Und wenn man das von andere Vogelarten überträgt, dann müsste Talea unserem Marco hier aufs übelste verfallen sein, da er den einzigen Paarungspartner darstellt.”, erläuterte der Doc. “Wie lang wird DAS DA dauern?” Dabei deutete Nicola auf das Paar, welches sich gerade gegenseitig auszog. “Die letzten Jahre hat Marco eine Balzzeit von zirka zwei Wochen gehabt. Es könnte jetzt auch früher zu Ende sein, wenn er seine Partnerin begattet hat. Da wir aber so gut wie nichts über Phönixe wissen, bleibt es reine Spekulation, wie das enden wird.” Entschuldigend zuckte der Doc mit den Schultern. Nervös biss sich Alizza auf die Unterlippe, ehe es aus ihr heraus platzte. “Die Beiden bekommen doch gar nichts um sich herum mehr mit! Kann man dem nicht entgegen wirken?” Angestrengt dachten sie nach, als Nicola womöglich die Idee hatte. “Vielleicht, wenn Talea kein Phönix mehr ist? Sie könnte ja wieder Aces Feuer nehmen, bis die Balzzeit vorüber ist.” “Ich geh Ace holen!”, verkündete Alizza und verlies fluchtartig die Krankenstation.
Langsam näherte sich der Doc den beiden Phönixen. Er wusste ja selbst nicht, wie Marco gleich reagiert, wenn er mitten in der Paarung gestört wird. “Marco?”, sprach er den Vize leise an, gerade als dieser in Talea eindringen wollte. Der Kopf des Blonden wandte sich dem Doc zu, aber er sagte nichts. “Es tut mir wirklich Leid, euch zu stören, aber …”, fing der Doc an, doch da hatte Talea ihre Hände an Marcos Wangen gelegt und ihn wieder auf sich gelenkt. “Nicht.. aufhören.”, keuchte sie mit lustverschleiertem Blick. Sofort war der Blonde wieder auf seine Partnerin unter sich fokussiert. Nicola ging nun rabiat dazwischen. “Marco! Wenn du jetzt nicht SOFORT aufhörst, dann schadest du deinem Weibchen!”, hatte sie ihm fast schon ins Ohr geschrien. Es schien Wirkung zu zeigen, immerhin ließ Marco von Talea ab. Es schien fast, als ob Marco sich bewusst wurde, was er im Begriff war zu tun. Sein Blick huschte kurz zu der erregten Talea, die sich auf dem Krankenbett räkelte, dann wieder zu Nicola und dem Doc. “Scheiße!”, fluchte er und stürmte, nackt wie er war, aus der Krankenstation. Sobald der Vize den Raum verlassen hatte, wurden auch Taleas Gedanken klarer und ein spitzer Schrei entfuhr ihrer Kehle, als sie registrierte, wo und in welchem Zustand sie sich befand. Wortlos hatte der Doc die Tagesdecke vom benachbartem Krankenbett geschnappt und sie um den zitternden Köper von Talea gelegt.
Ihre Finger krallten sich in den schützenden Stoff, als Talea zu schluchzen anfing. “Was passiert mit mir? Wie bin ich hier her gekommen?”, wollte sie wissen.