Das Band, das uns verbindet

Nicola setzte sich neben die Grünhaarige aufs Bett, rieb ihr beruhigend über den Rücken. “Ich kann mir nicht vorstellen, wie verängstigend das für dich sein muss, Tally. Aber es ist nichts Schlimmes, was gerade passiert. Marco übt nur gerade eine vollkommene Anziehungskraft auf dich aus, weil ihr euch in der Paarungszeit befindet.”, versuchte die Krankenschwester es zu erklären. “Paarungszeit?”, fragte die Grünhaarige hilflos nach. “Bei allen Vogelarten findet jetzt die Balz statt. Und da du und Marco Phönixe seid und somit Vögel, trifft das auch auf euch zu. Da wir aber zum ersten Mal einen weiblichen Phönix haben, wissen wir nicht, was uns genau erwartet. Ich kann dir auch nicht sagen, ob es bei Phönixen ist, wie bei den Pinguinen, dass sie ein Leben lang mit ein und dem selben Partner zusammen bleiben, oder ob sie sich nach der Fortpflanzung wieder trennen. Die Tendenz, dass Marco in seinen vorherigen Balzzeiten aber keine Partnerin hatte, spricht dafür, dass es wie bei den Pinguinen sein könnte.”, erklärte der Doc und notierte sich etwas in Marcos Akte. “In der Regel dauert die Balzzeit zwischen zwei und vier Wochen. Und auch wenn es jetzt hart klingt, Talea, für diese Zeit…”, setzte der Doc an. “Schon kapiert. Ich muss Marco solang aus dem Weg gehen, wenn ich nicht ganz durchdrehen will.”, gab die Grünhaarige niedergeschlagen von sich. “Das wäre eine Möglichkeit, aber wir denken, es wird reichen, wenn du für diese Zeit den Phönix aufgibst und wieder Ace Teufelskraft kopierst. Alizza holt ihn gerade.” Mit diesen Worten ging der Doc in sein Büro um den lästigen Papierkram zu erledigen. Auch Nicola war gegangen, um ihr unterbrochenes Frühstück fortzusetzen, somit war Talea für den Moment allein.Ihr kamen die gestrigen Worte von Sada ins Gedächtnis. “Alles hängt mit deiner Liebeslinie zusammen. Hier erscheint eine Unterbrechung und das liegt in nicht all zu weiter Ferne. Es könnte auf eine Trennung hindeuten. Talea, die Beziehung die du momentan führst, sollte sie scheitern, wird ausschlaggebend für deine weitere Zukunft sein.” Nachdenklich saß die Grünhaarige auf dem Bett und bekam nicht mit, wie Alizza und Ace die Krankenstation betraten. Wollte Sada sie davor warnen? War die noch frische Beziehung zu Marco in Gefahr, wenn sie nun die falsche Entscheidung traf? So horchte Talea tief in sich hinein, spürte die Liebe, die sie für Marco empfand und eben jenes warme und geborgene Gefühl, welches der Vize auch für sie hatte. Sie schreckte aus ihrem Gedankenwirrwarr, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte und die Wärme durch die Decke hindurch strahlte. “Ace.”, stellte sie fest und registrierte erst im nächsten Moment, die Hand, die er ihr auffordernd hin hielt. “Alizza hat gesagt, du müsstest für einige Zeit deine Kraft wechseln, und hier bin ich.”, auch wenn der Cowboyhutträger ein Lächeln vorwies, so war es nur aufgesetzt, denn in seinen Augen spiegelte sich Sorge. “Mach dir keinen Kopf, Ace. Das ist nur eine vorübergehende Maßnahme.” Während Talea das sagte, hatte sie Ace die Hand an die Wange gelegt, ihn somit ein bisschen beruhigt und gleichzeitig hatte sie das Feuer kopiert. “Aber wenn du schon mal da bist, könntest du mir bitte meine Klamotten zusammen suchen, die hier anscheinend im ganzen Raum verteilt sind?” “Du weißt, du kannst mir alles sagen.”, fing Ace an, als er sich nach den ersten Kleidungsstücken bückte. Stirnrunzelnd stellte er sich aufrecht hin und hielt Marcos Hemd in der Hand. “Will ich eigentlich wissen, was hier passiert ist?”, stellte er halblaut die Frage. Da die Reaktion von Talea ausblieb, drehte er sich zu der grünhaarigen Frau um und sah nur noch, wie sie sich das Shirt gerade über den Kopf zog, welches er als erstes aufgehoben und ihr zugeworfen hatte. Nachdem der Kopf von Talea wieder zu sehen war, wandte sie sich an den Feuerbändiger. “Selbst wenn ich es dir sagen wollte, könnte ich es nicht, da ich selbst nicht so genau weiß, was passiert ist. Es ist wie ein Blackout nach dem man zu viel getrunken hat, nur ohne die Kopfschmerzen.”, gestand sie und blickte sich suchend nach ihrer Joga-Hose um, die sie heute morgen angezogen hatte. “Du weißt also nicht, ob ihr…” Ace vervollständigte seinen Satz nicht. “Das ist jetzt nebensächlich, Ace! Ich muss zu Marco und bete dafür, dass ich einen klaren Kopf behalte, jetzt wo ich deine Kraft habe.”

Nachdem Talea vollständig bekleidet war, nahm sie Ace die Klamotten von Marco ab und machte sich schnurstracks auf den Weg zu Marcos Kajüte. Denn, obwohl sie kein Phönix mehr war, spürte sie Marcos Zweifel. Kräftig klopfte sie an die Tür, wartete nicht einmal ab, ob ein “Herein” folgte und betrat auch schon die Kajüte des Vize. Dort saß er, auf seinem Bett, nach vorne gebeugt und die Hände im Nacken gefaltet. “Marco?”, fragte sie zaghaft und lies die Klamotten neben ihn aufs Bett fallen. Verschreckt sah der Blonde auf und nahm seine Hände aus dem Nacken. Kurz war er versucht, sie nach der Grünhaarigen auszustrecken, lies sie aber dann doch sinken. “Was… Was machst du denn hier?” “Ich hab mir Sorgen um dich gemacht.”, mit diesen Worten setzte Talea sich neben Marco und nahm seine Hände in die ihren. “Der Doc und die Krankenschwestern haben mir gesagt, was passiert ist. Marco, es ist nicht deine Schuld. War es nie und wird es nie sein. Es ist einfach der Urinstinkt von unserer tierischen Seite gewesen.” “Aber, wie schaffst du es, jetzt in meiner Nähe, bei klarem Verstand zu bleiben?”, diese Frage brannte Marco wirklich auf der Seele. Verlegen strich sich Talea eine Haarsträhne hinters Ohr. “Liegt vielleicht daran, dass ich kein Phönix mehr bin.”, gestand sie leise. “Ich verstehe.”, brummte Marco und seine Stimme klang enttäuscht. “Ich hab es nicht wegen dir getan. Sondern für uns! Der Gedanke, mich von dir fern halten zu müssen, wäre unerträglich und es würde uns beiden seelische Schmerzen zufügen.” Sie lehnte ihren Kopf an Marcos Schulter, ehe sie weiter sprach. “Das was uns miteinander verbindet, ist nicht der Phönix, Marco. Stell es dir eher wie ein rotes Band vor, welches zwischen uns besteht. Welches von deinem Herz zu meinem Herz führt.” Sanft drückte Marco die Hand seiner Freundin. “Oi, es ist okay. Ich hatte mich nur so daran gewöhnt, dass du auch ein Phönix bist, dass es für mich abwegig war, dass du es irgendwann einfach nicht mehr sein wirst. Aber deine Kraft besteht nun mal darin, andere Kräfte zu kopieren.” Weiche Lippen drückten sich auf Marcos Wange, nachdem er diese Worte ausgesprochen hat. “Danke, dass du es verstehst.”Dieser Moment verfestigte nur noch mehr, das unsichtbare Band, welches die Beiden miteinander teilten.

Am frühen Nachmittag legte die MobyDick wieder ab. Talea hatte noch Sada und ihren Geschwistern gewunken, ehe sie auf ihren Posten, neben dem Steuermann, ging, um das Schiff sicher aus dem Hafen zu führen. Marco hingegen verteilte die Aufgaben an Deck, wer für das Leinen lösen, Anker lichten und Segel setzen zuständig war. Langsam aber sicher schob sich der Koloss von einem Schiff wieder in Richtung Meer, während es auf Deck recht hektisch zu ging. Soweit Talea es gesehen hatte, war Ace ebenfalls in die Wanten geklettert, um beim Segelsetzen zu helfen.”Da vorne müssen wir aufpassen. Der Wind ist auflandig und könnte uns genau auf die Landzunge drücken.”, informierte Talea den Steuermann und überprüfte nochmals die Windrichtung. “Segel nur anschlagen! Auf mein Kommando dann setzen!”, hallte Marcos Stimme übers Deck, als er sich mit zu Talea gesellte. “Wie schaut es aus?”, wollte er dann leiser wissen. “Wind auflandig. Landzunge auf Lee.”, gab die Grünhaarige die knappe Antwort. Verstehend nickte Marco. “Dann werden wir anluven und sobald wir die Landzunge passiert haben, Segel voll setzen.” Die Männer in den Wanten hatten somit alle Hände voll zu tun, mussten die Schoten erst dicht geholt und zum richtigen Zeitpunkt wieder gefiert werden. Da aber alle ein eingespieltes Team und langjährig erfahren waren, stellte die Kursänderung keine Probleme dar. Es dauerte auch nicht sonderlich lange, da trieb die MobyDick friedlich über den blauen Ozean. Die Insel Antora wurde immer kleiner und verschwand schon bald am Horizont. Nun brauchte der Steuermann sie nicht mehr, weshalb sich Talea an die Reling stellte, hinaus in den weiten Ozean blickte und den Wind genoss, der die Moby voran trieb und mit ihren Haaren spielte. “An was denkst du?”, fragte Marco, als er hinter die Grünhaarige trat und ihre wild flatternden Haare mit den Händen einfing. “An so Dies und Das.”, kam die leicht verträumte Antwort. Neckisch küsste Marco Taleas Hals. “Dies und Das ist eine sehr vage Antwort, meine Liebe.”, murmelte er dabei. Den Kopf schräg legend, genoss Talea die Liebkosungen. “Schon möglich. Aber du musst auch nicht unbedingt immer alles wissen.”, gab sie leise von sich. “Solang du an keinen anderen Mann denkst.”, brummte Marco. “Es gibt keinen, der dir auch nur ansatzweiße das Wasser reichen könnte.”, säuselte Talea und drehte sich zu Marco um. Ihre Arme legten sich wie von selbst um den Hals von Marco und sie zog sich zu einem leidenschaftlichen Kuss zu ihm hinauf. “Aber um dich zu beruhigen, ich hab nur daran gedacht, wie schön es auf dem weiten Meer ist. Ach ja, und wie dankbar ich Ace bin, dass er mich so lang genervt hat, bis ich mit ihm mit gesegelt bin. Ohne ihn, hätt ich dich nie kennengelernt.”