Geister der Vergangenheit
Es war ein gutes Jahr vergangen, seit die Whitebeard-Piraten auf der Insel Sphinx Zuflucht gefunden hatten. Ein Jahr, in denen die Piraten ein neues Schiff bauten, welches nun so gut wie fertig war. Ein Jahr, in denen die Piraten hart trainiert hatten, um mit all ihrer Stärke zurück zu kehren. Ein Jahr in dem Ace hauptsächlich mit hängenden Schultern und bedrückter Miene durch die Gegend gelaufen war.
Dies änderte sich auch nicht, als sie an diesem Tag den 22. Geburtstag von Ace feierten. Die Crew trank, als ob es keinen Morgen gäbe. Sie feierten nicht nur den Geburtstag des 2. Kommandanten, sondern auch sein Leben. “Ich mag kein Gol D. sein.”, hatte Ace immer wieder vor sich hin gebrummt, weshalb Whitebeard den Jüngling zu sich orderte. “Was ist los, Ace? Warum lässt du dich nicht feiern und trinkst mit uns?”, wollte er wissen und deutete auf den Platz neben sich. “Für mich gibt es keinen Grund zu feiern, Pops. Ich will kein Gol D. sein, sondern ein Portgas D.”, hatte Ace dann auch sogleich bockig verkündet. “Mein Sohn; du bist, was du bist; nicht was andere aus dir machen. Dein Name verleiht dir jedoch eine große Macht. Sogar deine Mutter war sich dessen bewusst, als sie dir den Namen Gol D. Ace gab. Aber, du darfst nicht vergessen, du trägst das Blut zweier D`s in dir, Ace. Das deines Vaters und das deiner Mutter, somit wirst du auch immer zum Teil ein Portgas D. Ace bleiben, egal wie die Welt dich von nun an nennt.”
Während Ace über das Gesagte nachdachte, wanderte er unruhig hin und her. Dabei beobachtete er seine Freunde genau, die immer wieder auf das Leben des Gol D. Ace anstießen und ihn hochleben ließen. Keiner seiner Nakama hasste ihn für seine Abstammung, viel mehr feierten sie sogar diesen gefürchteten Namen. Und dann erinnerte Ace sich an Taleas Worte: “Ace. Du bist nicht dein Vater. DU bist DU und kein anderer.” Schon damals war es Balsam für seine Seele gewesen, dass die Grünhaarige in ihm einfach nur Ace sah und nicht den Sohn des Piratenkönigs. Genauso wie es ihn nun auch beruhigt hatte, als sein Pops sagte, er sei noch immer ein Portgas D. und nicht nur ein Gol D.
Abseits des Feiertrubels setzte sich der Feuerbändiger ins Gras und starrte gedankenverloren ins Nichts. “Oi! Was schaust du denn so bedröppelt in der Gegend rum?”, fragte Marco, als er sich neben Ace ins Gras setzte, war ihm die Unruhe des Jüngeren nicht entgangen. “Du hast mal erwähnt, dass du Rogers Vize begegnet bist, dann bist doch doch bestimmt auch Roger selbst begegnet, oder?”, wollte Ace wissen und sah Marco fragend an. “Nicht nur einmal.”, bestätigte der Phönix die Vermutung von Ace. “Warum fragst du gerade heute danach?”, hakte Marco nach, kam es ihm schon seltsam vor, dass der Feuerteufel ausgerechnet jetzt etwas über seinen leiblichen Vater wissen wollte. “Weil ich nicht mehr weiß, wer oder was ich eigentlich bin, Marco. War Roger… ein Monster? Hat er den Tod auf dem Schafott verdient? Bin ich wie er?”, sprudelten die wichtigsten Fragen aus dem Schwarzhaarigen heraus. Marcos Gedanken drifteten ab zu einem Zeitpunkt vor vielen Jahren, als er noch Schiffsjunge auf der MobyDick war. “Roger war ein gefürchteter Pirat, genauso wie Pops. In vielen Hinsichten, waren sie sich sehr ähnlich. Stand das Wohl der Crew immer mit an erster Stelle.”, fing Marco zu erzählen an. Dann berichtete der Vize von den Kämpfen, die meist unentschieden ausgingen und den anschließenden Besäufnissen der beiden Kapitäne. “Pops und Roger hatten eine Feind-Freundschaft, wenn du es so nennen willst. Sie waren Rivalen, haben sich aber gegenseitig respektiert. Und wenn du mich fragst, sie hätten sich gegenseitig geholfen, wenn die Möglichkeit dazu bestanden hätte. Um auf deine Fragen zurück zu kommen: Nein. Er war weder das Monster, was die Zeitung aus ihm gemacht hatte, noch hatte er es verdient zu sterben. Und was dich angeht, Ace, auch wenn du es nicht gerne hörst, aber du hast einige Charakterzüge an dir, die an Roger erinnern. Aber das ist nichts Schlechtes. Du bist, wie er, loyal deinen Nakama gegenüber, kämpfst gegen die Ungerechtigkeit der Marine und du bist, zumindest früher, recht unbeschwert durchs Leben gegangen. Den Sturkopf und dein hitziges Temperament hast du dem D`schen Gen zu verdanken, dass DU sogar zwei Mal besitzt.”, grinste Marco zum Ende hin sogar.
“Danke… denk ich.”, brummelte Ace vor sich hin. War er sich absolut nicht sicher, was er von der Tatsache halten sollte, dass selbst sein bester Freund gut über seinen Erzeuger dachte. “Sag mal Ace, wieso denkst du eigentlich so schlecht über Roger?”, wollte Marco seinerseits nun wissen. Ace haderte, doch dann begann er stockend davon zu erzählen, wie er als kleiner Junge die hasserfüllten Worte der Männer aus der Stadt hörte. “Sie erzählten, dass Roger, wie ein Monster die Bevölkerung abschlachtete ohne jeglichen Grund. Auch Frauen und Kinder wurden nicht von ihm verschont. Außerdem sagten sie, wenn Gol D. Roger ein Kind hätte, wäre es ein Scheusal und dürfte nicht geboren oder gar am Leben bleiben, weil es ein genau solches Monster wäre, wie sein Vater.”, gab Ace gepresst von sich. Zähneknirschend wiederholte er ihre Worte, was sie einem unschuldigen Kind antun wollten, nur weil sein Vater ein gefürchteter Pirat gewesen war. “Sie sagten… man müsse dem Satansbraten ohne jeden Zweifel und Skrupel den Kopf abschlagen… oder für jedes Leben, was Roger auf dem Gewissen hatte, einen Nagel in die Haut rammen. Sie sprachen darüber, dass sein Kind bei lebendigem Leib verbrannt werden und die ganze Welt dabei zusehen und darüber lachen sollte, denn es würde ihm ganz Recht geschehen…” Sämtliche Farbe war aus Marcos Gesicht gewichen, als Ace die Brutalität wieder gab. “Wie alt warst du denn da?”, fragte der Vize entsetzt. “Neun… Ich habe die Männer geschlagen und dafür selbst viel Prügel eingesteckt. Es hat niemanden geschert, selbst dann nicht, wenn ich dabei umgekommen wäre. Und wenn ich nicht Sabo und später dann noch Ruffy an meiner Seite gehabt hätte, wäre ich längst nicht mehr am Leben.” Unaufhaltsam rannen Ace die Tränen über das Gesicht und auch Marco wirkte sehr mitgenommen von der Erzählung. “Es tut mir Leid, dass du so eine Grausamkeit als Kind erfahren hast. Umso mehr freut es mich, dass du jetzt ein Teil unserer Familie bist.”, dabei drückte Marco aufmunternd die Schulter von Ace. Die beiden Männer saßen noch ein paar Minuten schweigend neben einander, als Ace sich dann doch aufrappelte. “Kommst du mit zu Taleas Gedenkstein?”, wollte er von Marco wissen, doch der Blondschopf schüttelte den Kopf. “Tut mir Leid, aber ich kann nicht.”, murmelte er und sein Kiefer spannte sich an. “Schon in Ordnung. Ich richte ihr Grüße von dir aus.”
Der Morgen graute bereits, als Ace an der Klippe ankam, an der sie für Talea den Gedenkstein errichtet hatten. “Guten Morgen, Tally.”, grüßte Ace und setzte sich im Schneidersitz neben den Stein. “Seit meinem letzten Besuch sind zwei Monate vergangen. Es war an deinem Geburtstag, falls du dich noch daran erinnerst und gestern… Gestern hatte ich Geburtstag und ich habe mich endlich den Dämonen meiner Vergangenheit gestellt. Zumindest ein bisschen. Denn wenn wir bald wieder in See stechen, dann wird man mich nur noch als Gol D. Ace betiteln. Und du weißt ja, wie ich zu diesem Teil meiner Vergangenheit stehe. Du würdest jetzt bestimmt auflachen und sagen, es ist nur ein Name und ich soll mir deswegen nicht so einen Kopf machen, weil ich ja immer noch ich selbst bin. … Aber die Welt wird mich nicht so sehen, wie du oder unsere Familie. Und ich weiß nicht, ob ich dem gewachsen bin, was die Welt aus mir machen wird.”, sprach sich Ace alle Sorgen von der Seele. “Tally? Ich vermiss dich. Gerade in Momenten wie jetzt. Aber du fehlst nicht nur mir, sondern uns allen… Marco… nun… er schafft es nicht, hier her zu kommen. … Haruta hat mir erzählt, dass Marco sein Verhalten dir gegenüber zu tiefst bereut, und er es anders machen würde, könnte er nur die Zeit zurück drehen. … Vielleicht, Tally, wenn ihr euch eines Tages, da oben, wieder seht, dass du ihm verziehen hast, denn Marco schafft es nicht, sich selbst zu verzeihen. Und bis wir uns wieder sehen, hoffe ich, dass du von deiner weißen Wolke auf uns herab siehst und Acht auf uns gibst. … Ich muss jetzt wieder los, aber bevor wir mit der ‘White Whale’ in See stechen, komm ich nochmal vorbei. Tschüss Tally, und grüß meine Mom von mir, falls du ihr begegnest… und vielleicht auch Roger.”
Mit jedem Schritt, den Ace zurück in Richtung des Dorfes machte, wurde sein Gang federnder und leichter. Er wusste nicht, ob sein Vater ein Monster war oder nicht. Es spielte auch keine Rolle mehr. Ace hatte begriffen, dass es immer jemanden gab, wie zum Beispiel die Marine, der einen als Monster ansah. Und er hatte kein Recht darauf, Roger zu verteufeln, da er ihn nicht persönlich kannte.
Fast schon sehnsüchtig wartete Ace darauf, dass sie wieder in See stechen konnten. Wollte er der Marine zeigen, dass sie einen großen Fehler begangen hatten, als sie seine Identität enthüllten. Er würde sie in Angst und Schrecken versetzen, um das zu beschützen, was ihm wichtig war. Seine Familie. Deshalb musste er auch noch Teach zur Strecke bringen, der eine Gefahr für all seine Brüder und Schwestern bedeutete.
Eine Woche später war es dann auch endlich soweit. Die White Whale hatte Stapellauf und gebannt standen die Whitebeard-Piraten am Strand und sahen zu, wie das gigantische Schiff gen Wasser gelassen wurde. Wellen schwappten hoch auf, als der Schiffsrumpf die Wassermassen verdrängte und tosender Jubel brach aus, als das neue Flaggschiff der Whitebeard-Piraten im Wasser war und mit den Wellen mit wippte. Mit einem zufriedenem Grinsen stand Whitebeard am Steg und hatte eine große Flasche Sake in der Hand, welche er gegen den Rumpf des Schiffes warf und mit lauter Stimme verkündete. “Hiermit taufe ich dich auf den Namen White Whale. Mögest du uns ein genauso gutes Zuhause bieten, wie es einst die MobyDick tat. Mögest du uns durch schwere Stürme geleiten, mit uns große Feste feiern und der Marine ordentlich in den Arsch treten.”
Neben den Piraten waren auch die Dorfbewohner anwesend und feierten das neue Schiff. Zählten sie doch inzwischen auch mit zur Familie, da sie in der Notsituation mehr als nur geholfen hatten. Auch gab es den ein oder anderen Piraten, der einen Bund eingegangen war, wodurch die Bindungen zwischen Piraten und Dorfbewohnern nur noch mehr gestärkt wurde. “Heute Abend, feiern wir unser neues Schiff und morgen früh, wenn das Schiff beladen ist, stechen wir wieder in See!”, hallte Whitebeards Stimme über die Köpfe der Mannschaft hinweg, wodurch ein orkanartiger Jubel los brach.
Bier und Sake flossen in Strömen, Lieder wurden gesungen und die verschiedensten Essensdüfte vermischten sich miteinander. Hier und da gab es Tränen des Abschiedes, doch die meisten sahen erwartungsvoll und glückselig auf den nächsten Tag. Noch schlug Ace sich den Bauch voll, doch schon bald würde er das Fest verlassen und ein letztes Mal die Klippe besuchen, bevor er für lange Zeit keinen Fuß mehr auf diese Insel setzten würde. Der Blick der Feuerfaust huschte über die Köpfe der feiernden Piraten hinweg, während er gegrilltes Fleisch in sich hinein stopfte. Er erblickte Harutas braunen Haarschopf und Vistas Zylinder. Auch den weißen Cowboyhut von Kimel hatte er ausfindig machen können, jedoch vermisste Ace den blonden Schopf des Vize. “Nun ja. Es wird Zeit zu gehen.”, brummte Ace und schob sich seinen orangenen Cowboyhut etwas ins Gesicht, dass niemand seinen traurigen Blick sehen konnte.
Nachdem die Schiffstauf-Feier im vollen Gang war, schlich sich Marco davon. Zu lange hatte er es schon aufgeschoben, doch jetzt blieben ihm nur noch wenige Stunden, weshalb er nun diese eine Klippe ansteuerte.
Fahles Mondlicht schien vom Himmel herab, als Marco sich zögerlich dem Stein näherte, auf dem Taleas Name eingraviert war. “Hey…”, begann Marco, während er einfach stehen blieb und kratzte sich verlegen im Nacken. “Ich… Also… Hm… “, stammelte Marco und dann setzte er sich neben den Stein, die Beine über die Klippe baumelnd, und sah hinaus auf das dunkle Meer. “Ace kann das viel besser als ich. Also, das mit dir reden, meine ich.” Wieder blieb der Blonde still. “Als wir den Stein für dich gesetzt haben, hab ich alles gesagt, was mir auf der Seele brannte. Das ich gerne die Zeit zurück drehen würde. Würde ich jetzt immer noch, aber es geht leider nicht… ” Marcos Blick huschte zu dem Stein neben sich und vorsichtig legte er seine Hand darauf und strich vorsichtig über das Stück Gestein. “Vierhundertachtunddreißig Tage sind vergangen, seit du mir verkündet hast, dass du unser Kind erwartest. … Ein Jahr, zehn Wochen und drei Tage… Jede wache Stunde eine Qual, weil du nicht da bist, jede schlafende Stunde von Alpträumen heimgesucht, die mir all meine Fehler aufzeigen. Ich… Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst, denn ich könnte so einem Trottel wie mir, nicht verzeihen… aber vielleicht… hm… findest du… und unser Kind… ewige Ruhe, wenn ihr wisst… dass ich euch nie vergessen und immer lieben werde.”, murmelte Marco und er wischte mit einer Hand seine Tränen fort. Soeben hatte Marco den Mund geöffnet, wollte er doch noch etwas sagen, doch das Knirschen von Kies veranlasste ihn, sich herum zu drehen. Da stand Ace, nur wenige Meter von ihm entfernt und sah reichlich geschockt aus. “Marco?”, fragte der Jüngere ungläubig, konnte er doch nicht glauben, was er da sah. “Was machst du denn hier?”, fragte Ace, als er ebenfalls am Rand der Klippe angekommen war. “Das Gleiche wie du. Mich verabschieden, bevor wir morgen in See stechen.”, murmelte Marco. Gemeinsam verabschiedeten sich die beiden Piraten noch von Talea, mit dem Versprechen, sie wieder zu besuchen, wenn sie auf der Insel wären.