Kapitel 53: Die Ruhe vor dem Sturm (Teil 2)

Es waren mittlerweile drei Wochen ins Land gezogen, seit Shanks die Insel Dawn verlassen hatte, in denen doch so einiges geschehen war. Aus der Zeitung hatte Talea erfahren, dass Shanks das Marineschiff versenkt hatte, welches ihn und seine Crew verfolgte. Auch stand in der Zeitung, dass die Whitebeard-Piraten in der Neuen Welt gesichtet worden waren, sie aber keinem festen Kurs folgten. Zudem hatten die Dorfbewohner ein striktes In-Die-Stadt-Geh-Verbot für Talea ausgesprochen, um ihren tatsächlichen Aufenthaltsort weiterhin geheim zu halten.

“Und wie soll ich den Lebensunterhalt finanzieren, wenn ich nicht einmal die Möglichkeit habe, zu arbeiten?”, hatte Talea verzweifelt gefragt, als man ihr verbot, auch nur einen Fuß in die Nähe der Stadt zu setzen. Woop Slapp schob sich seine Brille auf der Nase zurecht. “Nun, ich habe Makino angeboten, wenn sie einen der jungen Burschen einstellt, um ihr Abends in der Bar zu helfen, dass ich deren Gehalt zahle. Solltest du dich entschließen, in der Bar auszuhelfen, dann würde ich auch deine Vergütung übernehmen.”, bot der Bürgermeister großzügig an. “Und wie stellen sie sich das vor? Ich kann Mara doch nicht allein zu Hause lassen.” Ungläubig blinzelte Talea bei diesem Vorschlag. Verlegen kratzte sich der Bürgermeister am Kopf. “Da hast du natürlich Recht… hm… vielleicht fällt mir noch eine andere Möglichkeit ein.”, brummte Woop Slapp, bevor er von dannen zog. 

“Manchmal wünschte ich, der Bürgermeister hätte selbst Kinder. Dann wüsste er, dass es nicht so einfach ist, alles unter einen Hut zu bekommen.”, seufzte Frau Pleisen, während sie ihre Tochter hochhob, musste sie doch nach Hause und das Essen vorbereiten. Zustimmendes Gemurmel der anderen Mütter. “Ich weiß gar nicht, wie ich meinem Mann beim Felder bestellen helfen soll, während ich auf die Zwillinge aufpassen soll.”, seufzte auch Frau Schilligall.

“Aber… Das ist es! Ihr braucht alle jemanden, der sich zeitweise um eure Kinder kümmert und Talea braucht eine Aufgabe. Also warum nicht gleich beides miteinander verbinden? Talea macht die Kinderbetreuung, während ihr euren Pflichten nachgehen könnt und ihr bezahlt sie dafür.”, klatschte Makino freudig in die Hände.

Unter den noch Anwesenden brach eine rege Diskussion aus. “Es würde uns den Alltag enorm erleichtern, wenn du auf unsere Kinder aufpasst.”, stellte Frau Schilligall klar und sah dann zu Talea, die still am Rand der Versammlung stand und sich auf die Lippe biss. “Ich weiß ja nicht. Auch wenn ich vielleicht gut mit Kindern klar komm, aber ich hab noch nie auf mehrere Kinder gleichzeitig aufgepasst.”, murmelte die Grünhaarige. “Und wenn wir es einfach mal ausprobieren?”, fragte nun auch Frau Pleisen nach. Dieser Vorschlag fand bei allen Müttern großen Anklang und Talea lies sich letzten Endes auch dazu überreden.

So wurde der Keller in Garps Haus zum Spielkeller umfunktioniert, wobei die Dorfbewohner tatkräftig mithalfen. Und nun wurde dort getobt und gebastelt, gesungen und gespielt, aber auch gekuschelt. Talea las den Kindern Geschichten vor, malte mit ihnen Bilder und kochte für sie Mittagessen. Die Fünf- und Sechsjährigen waren unglaublich stolz, als Talea ihnen kleinere Aufgaben übertrug, wie den Tisch zu decken, wenn sie gemeinsam zu Mittag aßen. “Daheim darf ich nie helfen. Mama hat immer Angst, dass ich die Teller kaputt mache.”, krakelte Yago eines Mittags, als er die Teller mit Schwung auf den Tisch stellte. “Da kann ich deine Mutter aber verstehen, Yago. Versuch doch bitte beim nächsten Mal, die Teller nicht so stürmisch auf den Tisch zu stellen.”, lächelte Talea verschmitzt, als sie den Topf mit Nudeln zum Tisch trug.

“Talea, schau!”, rief da Kida aufgeregt und deutete auf die kleine Mara, welche sich in diesem Moment krabbelnd in Bewegung setzte. Zum gleichen Zeitpunkt wurde die Tür, aufgestoßen und ein Marinesoldat mit einem Gewehr im Anschlag stand in der Öffnung. Die Kinder fingen, im Angesicht dieser Bedrohung, an zu schreien und zu weinen. Talea war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen und ihr entglitt der Topf mit den Nudeln, welcher scheppernd auf dem Boden auf kam.

Doch auch der Soldat schien etwas irritiert zu sein, denn er riss die Arme nach oben und wimmerte etwas von “Bitte nicht weinen, alles, nur nicht weinen”. Auf der Treppe wurde Gepolter laut und Talea sah bereits vor ihrem inneren Auge, wie eine ganze Schar Soldaten gleich den Raum stürmen würden.

“Corby, was ist denn hier unten los?”, tönte da Garps Bass über das Kinderweinen hinweg. “Ich… also… Keine Ahnung, Sir!”, stammelte der Soldat und blickte verzweifelt seinen Vorgesetzten an. Da überblickte nun auch Garp die gesamte Situation und als er seine grünhaarige Adoptiv-Enkelin bei den ganzen Kindern erblickte, fragte er verschmitzt: “Die sind aber nicht alle von dir, oder?”

Mit dem Auftauchen von Garp viel Talea ein Stein vom Herzen. Der Vizeadmiral würde alles in seiner Macht stehende tun, um eine erneute Gefangennahme von ihr zu verhindern. “Haha. Sehr witzig, Opa.”, entgegnete Talea trocken und schob sich an dem jungen Soldaten vorbei um Garp feste zu umarmen. “Du hast mir gefehlt.”, nuschelte sie kaum hörbar an Garps Brust. “Jetzt bin ich ja wieder zu Hause.”, seufzte Garp und strich der Grünhaarigen beruhigend über den Rücken.

“Talea?”, kam es ängstlich von Yago, der sich mit Kida beschützend vor die Kleinsten gestellt hat. Jedoch bevor Talea antworten konnte, hatte Garp sie los gelassen und war in die Hocke gegangen, um mit den Kindern auf Augenhöhe zu sein, dabei legte er Yago die Hand auf den Kopf. “Ihr habt von uns nichts zu befürchten, Kleiner. Ich habe Corby nur hier herunter geschickt, weil wir ungewöhnliche Geräusche gehört haben. Es tut mir Leid, dass wir euch erschreckt haben.”

Zusammen mit den Kindern ging es hinauf in den Garten, wo noch weitere Soldaten standen. “Männer, kocht bitte ein gesundes Mittagessen für die Meute. Uns ist da ein kleines Missgeschick passiert.”, lachte Garp bellend und schon machten sich zwei Soldaten daran, eine leckere Mahlzeit zuzubereiten. Die Soldaten hinterfragten weder Garps Anweisung, noch die Tatsache, dass eine totgeglaubte Piratin vor ihnen stand.

Und so kam es, dass sowohl Frau Schilligall als auch Frau Pleisen Augen reibend im Gartentürchen standen, als sie ihre Kinder nachmittags abholen wollten. Das skurrile Bild, welches sich ihnen bot, veränderte sich jedoch nicht. Dort saßen zwei Soldaten im Gras, die mit Kida Teezeremonie spielten, ein anderer Soldat lies sich von Yago und Yoko zwischen den Bäume hindurch jagen. Eine junge Marinesoldatin trug mit Talea das Geschirr ins Haus und Garp kroch auf allen Vieren durch das Gras und hatte Kenzo auf den Rücken, der Mara vor sich festhielt und vergnügt “Hüa!”, rief.

Erst als am Abend Ruhe eingekehrt war und Mara in ihrem Bettchen tief und fest schlief, setzten sich Garp und Talea zusammen, um über die vergangenen Wochen zu sprechen.

Sämtliche Farbe war aus Garps Gesicht gewichen, als Talea ihm erzählte, dass die Marine ins Dorf gekommen war und explizit nach ihr gesucht hatte. “Jetzt schulde ich dem rothaarigen Idioten auch noch ein Danke.”, brummte Garp verstimmt, als Talea davon berichtete, wie Shanks sie beschützt hatte.

Nachdenklich schwenkte die Grünhaarige das Weinglas in ihrer Hand, wusste sie nicht, wie sie Garp darüber informieren sollte, dass Whitebeard wusste, dass sie noch lebte und hier auf der Insel war. Doch auch der Vize-Admiral wirkte angespannt. “Talea, ich muss dir etwas gestehen.”, durchbrach Garp dann doch die aufkommende Stille. “Vermutlich wäre ich wieder hier gewesen, als die Soldaten ins Dorf kamen, aber ich habe Newgate aufgesucht, um ihm von dir und Mara zu erzählen.”

Der Wein schwappte über Taleas Hand, als sie abrupt mit der Schwenk-Bewegung aufhörte. “Du?”, fragte sie fassungslos. “Aber… ich dachte… Shanks… Er hat gesagt, er hätte Pops informiert.” “Ich war vor Ort und habe es ihm persönlich gesagt, und da wusste er noch nichts von euch. Wahrscheinlich bin ich dem Rothaar einfach zuvor gekommen.”, versuchte Garp es logisch zu betrachten. “Talea, glaub bitte nicht, dass ich dich oder Mara loswerden will. Es ging mir nur um eure Sicherheit. Und auch Newgate hat mir zugesichert, dass er dich nicht zwingen wird, zurück aufs Schiff zu gehen. Es bleibt einzig und allein deine Entscheidung.”

Nachdenklich biss Talea auf ihrem Daumennagel herum. “Ich wollte für Mara nur ein normales Leben, nachdem ihr Vater uns nicht bei sich wollte. Aber dadurch habe ich das Dorf in Schwierigkeiten gebracht, was nie meine Absicht war. Wie.. Wie hat Marco eigentlich darauf reagiert, dass ich noch lebe?”, wechselte sie das Thema, wollte sie nicht schon wieder darüber nachdenken, die Insel verlassen zu müssen.

Garp, der gerade nach einer neuen Tüte Cracker gegriffen hatte, um sie zu öffnen, hielt in der Bewegung inne. “Es war eine vertrauliche Unterhaltung, bei der Marco nicht anwesend war. Keine Ahnung, wie der Piepmatz auf dich reagieren wird, wenn er es herausfindet. Geschweige denn, mit was Newgate seinen Abstecher in den Eastblue vor seiner Crew rechtfertigen wird. Oder wann sie hier aufkreuzen werden.” Allein der Gedanke daran, wie Marco die Fassung verlieren könnte, zauberte Garp ein spitzbübisches Lächeln ins Gesicht und freudig schob er sich endlich eine Handvoll Cracker in den Mund.

Die Rückkehr des Vizeadmirals hatte mehrere positive Aspekte.

Zum Einem, war es bis zu König Stelly vorgedrungen, das Garp mit etlichen Soldaten im Windmühlendorf war. “Jetzt bekommen diese Tölpel genau das, was sie verdient haben!”, lachte Stelly schadenfroh, als er von dieser Neuigkeit erfahren hatte. Nahm er doch an, dass das Marine-Hauptquartier die Soldaten geschickt hatte, um die Bürger zu bestrafen, die der Piratin Zuflucht gewährt hatten, wodurch er sich nicht mehr um das kleine Dorf kümmern musste.

Zum Anderen war Talea genau dadurch in Sicherheit.

Während Corpy also von Garp im Observationshaki unterrichtet wurde, half Hibari, die einzige Soldatin der Truppe, Talea bei der Kinderbetreuung und im Haushalt. Die Soldaten Zen und Raj, die ebenfalls im Dorf geblieben waren, betätigten sich bei der Feldarbeit, wohingegen der Rest der Marine in der Stadt untergebracht war, wo sie Präsenz zeigten und sämtliche Besucher zum Dorf sofort bei Garp meldeten.

Es war der dritte oder vierte Abend, seit Garp und die Soldaten im Windmühlendorf waren, als Corby sich zu Talea setzte. “Darf ich dich mal was fragen?”, platzte es plötzlich aus dem jungen Marinesoldaten heraus. “Das hast du bereits, aber ja. Frag ruhig.”, lächelte Talea und wartete gespannt darauf, was Corby denn fragen wollte.

“Wenn Vizeadmiral Garp der Großvater von Ruffy ist, wieso nennst du ihn dann ebenfalls Opa? Ihr seid doch gar nicht miteinander verwandt, oder?” Diese Frage überraschte die Grünhaarige dann doch und sie konnte sich ein schmunzeln nicht verkneifen. “Weißt du Corby, manchmal muss es nicht immer Blut sein, was einen verbindet. Manchmal ist es auch eine gefühlte Verbundenheit. So wie Garp jetzt mein Opa ist, so wird Whitebeard auch immer mein Pops bleiben, auch wenn ich nun meinen eigenen Weg gehe.

Diese gleiche Verbundenheit hatten auch Ace und Ruffy, weswegen sie sich als Brüder sahen. Und auch ich fühle mich mit Ruffy verbunden, seit wir uns begegnet sind.” “Du… Du kennst… Ruffy?”, perplex blinzelte Corby. “Ruffy hat nicht nur Ace vom Schafott befreit. Und gemeinsam mit ihm, habe ich um Ace getrauert.”, murmelte Talea und sie wischte sich eine Träne hinfort, die durch die Erinnerung an Ace aus ihrem Auge gekullert war. 

“Ruffy hat mir damals geholfen, von einer widerlichen Piratin weg zu kommen, die mich gekidnappt hat, damit ich meinen Traum als Marinesoldat leben konnte. Ich werde ihm auf immer dafür dankbar sein.”, erzähle Corby von seiner ersten Begegnung mir Ruffy und zauberte mit dieser Aussage ein kleines Lächeln zurück auf Taleas Lippen.  Als der junge Soldat dann anfing zu gähnen, schmunzelte Talea. “Du solltest ins Bett gehen, Corby. Morgen hast du wieder Training bei Opa Garp und ich glaube nicht, dass du seine ‘liebevolle Faust’ erneut spüren willst.” Da musste Corby ihr wohl oder übel Recht geben. Die ‘liebevolle Faust’ hatte er schon mehrfach zu spüren bekommen und auf diesen Schmerz konnte er getrost verzichten. “Ich glaube Ruffy ist nur so weich in der Birne, weil er oft genug von Vizeadmiral Garp eine runtergehauen bekommen hat.”, brummte Corby aufstehend. “Gute Nacht, Talea.” “Nacht, Corby.”