Kapitel 58: Ace und Talea
Nachdenklich biss sich Marco auf die Unterlippe. “Oi, Morgen werde ich nochmal mit Talea reden, in Ruhe. Ich kann sie nicht dieser Gefahr aussetzen, nur weil ich mich nicht beherrschen konnte.”, murmelte er vor sich hin. “Junge, nimms mir nicht übel. Aber Talea wird weder mit dir reden, noch dir zuhören.”, machte Garp sogleich die Idee von Marco zunichte, während er die Piraten vor sich her, in Richtung Bar schob. Brauchte der Vizeadmiral jetzt dringend etwas Starkes für seine Nerven.
“Und wenn Marco ihr beweist, dass sie ihm immer noch wichtig ist, dass er sie liebt?”, grübelte Haruta vor sich hin und achtete nicht darauf, dass Marco den Mund schon zum Protest geöffnet hatte. “Falls du dich daran erinnerst: Das hat in der Vergangenheit schon nie funktioniert. Warum sollte es dann dieses mal klappen? Und einmischen, werde ich mich da nicht.”, spottete Ace, der sich noch gut an die Kuppelei-Versuche erinnerte, die jedes Mal nach hinten los gegangen waren.
Schon hatten sie die Bar erreicht und schwungvoll stieß Ace die Flügeltüren beiseite. Mehrere Dutzend Nakama starrten erwartungsvoll zu der kleinen Gruppe, hatte sich die Nachricht von Talea wie ein Lauffeuer verbreitet. “Ähm? Hey Leute…?”, grüßte Ace die Piraten. “Wo ist sie?” Neugierig reckte Izou seinen Hals, aber die Grünhaarige erblickte er nicht. “Sie ist nicht bei uns.”, murmelte Marco und er mied die Blicke seiner Nakama. “Das sehen wir, aber wo ist Talea?”, fragte nun auch Kimel. “Wir wissen es nicht, sie ist einfach gegangen.”, wimmerte Haruta und sie wischte sich mit dem Handballen über die feuchten Augen.
Noch bevor jemand etwas darauf sagen konnte, ging abermals die Flügeltüre auf und Whitebeard trat in den Schankraum ein. “Na so ein Zufall aber auch.”, grinste der Piratenkapitän, als er unter den Anwesenden die engsten Vertrauten von Talea erblickte. Da saßen neben Kimel und Skull auch Conny, Alizza, Nicola und Elena an einem Tisch. Und dann trat Whitebeard einen Schritt zur Seite, in Richtung Garp, der in jeder Hand eine Sakeflasche schwenkte. Somit gab der Kapitän den Blick frei, auf eine zierliche Frau, mit grünem Haar, die bis dato in seinem Schatten gestanden hatte.
“Talea?!”, kam es freudig und teils ungläubig von den Piraten. Stühle wurden gerückt, als die Ersten aufstanden um ihre Schwester in die Arme zu schließen. Wie ein verschrecktes Reh stand Talea da und ihre Augen huschten von einer Person im Raum zur Nächsten. Bis sie schließlich bei einem jungen, schwarzhaarigen Mann hängen blieben. Mehrmals blinzelte Talea, doch ihre Augen trogen sie nicht. Lässig lehnte der junge Mann mit dem Rücken an dem Tresen, wobei er sich mit den Unterarmen abstützte. Das breite Grinsen des Mannes wurde noch eine Spur breiter und die Augen leuchteten schelmisch. “Hallo Schwesterchen.”, grinste Ace vergnügt.
“Ace!”, quietschte Talea überrascht und schneller als die anderen reagieren konnten, flitzte sie zwischen den Armen ihrer Brüder und Schwestern hindurch, nur um sich im nächsten Moment in die ausgebreiteten Arme des Feuerbändigers zu werfen. Sie vergrub ihre Nase an Aces Hals, roch seinen typischen Geruch nach Meer und Rauch. “Es war doch nicht alles um sonst. Du lebst. Du lebst wirklich.”, wisperte Talea glücklich. “Nur wegen dir. Du hast mein Leben gerettet, Talea.”, flüsterte Ace der Grünhaarigen ins Ohr, während er seine Arme um sie schlang. Das Gefühl, sie in den Armen zu halten, dass sie wirklich und wahrhaftig hier war, war für Ace befreiend. Monatelang hatte er Nacht für Nacht mit seinen inneren Dämonen gekämpft, dass sie nur wegen ihm gestorben sei. Erst das Bild, welches Garp mit auf die White Wale gebracht hatte, besänftigte die Finsternis in seinem Herzen.
“Hey Ace, lass unsere Schwester los, du erdrückst sie sonst, und wir wollen sie auch noch in die Arme schließen!”, frotzelte Kimel und versetzte der Feuerfaust einen kräftigen Rippenstoß. “Du verstehst das nicht. Also lass mir noch ein paar Minuten.”, beschwerte sich Ace und er zog Talea noch fester an sich.
Sobald Ace die Grünhaarige jedoch nur einen Moment los gelassen hatte, wurde sie sogleich von Kimel fort gezogen. Sie fand sich in unzähligen Umarmungen wieder und bekam einige Schulterklopfer und jeder beteuerte, wie schön es doch sei, dass sie noch lebte. Nur langsam ebbte der Andrang um Talea ab, und dann standen Conny, Haruta, Alizza, Nicola und Elena vor ihr. Doch es waren nicht die Frauen, die ein hohes Quietschen von sich gaben, sondern Izou. Überschwänglich küsste er sie auf die Wangen, drückte sie mehrmals fest an sich, ehe sich die Mädchen endlich gegenseitig in die Arme fallen konnten.
Der grüne Stachel der Eifersucht bohrte sich tief in Marcos Herz. Sich abwendend trottete Marco in die Ecke, in der es sich Garp und Whitebeard gemütlich gemacht hatten. Kaum hatte er den Tisch erreicht, wurde ihm schon eine volle Schale Sake vor die Nase geschoben. “Gib ihr Zeit.”, war alles was Whitebeard sagte und ein gütiges Ausdruck lag in seinen Augen.
Schnell hatte Marco das Hochprozentige hinunter gekippt. Es wurmte ihn, dass jeder Talea in die Arme schließen konnte und durfte, nur er nicht. Trotz aller Anfangsschwierigkeiten hatten sie es doch geschafft, eine Beziehung zu führen. War das nicht genau der Beweis, dass ihre Liebe stark genug war, alles zu überstehen? Auch seinen jüngsten Fehler?
Aus dem Augenwinkel heraus bekam Marco mit, wie rührselig das Wiedersehen der Frauen war. Sie alle lagen sich gegenseitig in den Armen und es war kaum noch auseinander zu halten, was zu wem gehörte. Auch war es ihm unmöglich zuzuhören, da alle durcheinander sprachen. Die euphorische Stimmung wurde jedoch schnell zerstört, als Haruta fast beiläufig erwähnte: “Du wohnst dann natürlich bei mir in der Kajüte, die ist groß genug für uns Beide.”
Das Lächeln auf Taleas Lippen gefror und ihre ganze Haltung versteifte sich. “Ich… Ich sollte jetzt besser gehen.”, stammelte sie und langsam schob sich Talea aus der Menge heraus. “Wir… wir sehen uns.” Und fluchtartig verließ die Grünhaarige die Bar. Kurz darauf huschte auch Ace aus dem Raum.
Bedröppelt sah Haruta Talea hinterher. “Hab ich was falsches gesagt?”, fragte sie irritiert.
Als Ace ins Freie trat, fand er Talea nur wenige Schritte entfernt. Abgehackt ging ihr Atem. “Ist alles in Ordnung?”, fragte er beunruhigt. “Ja… Nein… Es ist absolut nichts in Ordnung!”, gab Talea gepresst von sich und ihre Stimme überschlug sich mehrmals. “Ich kann nicht mit euch gehen. Es geht einfach nicht.”, versuchte sie zu erklären. Derweil war Ace näher an sie heran getreten und zog sie nun in eine beschützende Umarmung. “Atme erst einmal tief durch.”, instruierte Ace die Grünhaarige, welche auch sogleich einen kräftigen Atemzug nahm. “Du brauchst dich vor mir nicht zu rechtfertigen. Ich kann verstehen, dass das mit Marco dich belastet und dass du deine Tochter beschützt aufwachsen sehen willst. Aber du musst auch die Anderen verstehen. Sie alle hatten gedacht, dich verloren zu haben und jetzt bist du plötzlich wieder da. Natürlich wollen sie, dass du wieder mit uns reist. Sie werden deine Beweggründe aber verstehen, wenn sie erst den kleinen Engel kennen lernen. Apropos, wann darf ich die Kleine denn kennenlernen?”, schwenkte Ace geschickt von einem Thema zum nächsten.
Geschockt blickte Talea den Schwarzhaarigen an. “Woher weißt du von Mara?”, fragte sie krächzend. “Opa hat Pops und mir ein Bild gezeigt, als er aufs Schiff kam. Wir waren die einzigen Zwei, die von dir und deiner Tochter wussten, als wir hier ankamen.”, erzählte Ace schulterzuckend. “Und mir hat er nichts über dich erzählt.”, entrüstete sich Talea und blies empört die Wangen auf. Dann jedoch, entsann sie sich an Aces Frage. “Wenn du willst, kannst du Mara morgen kennen lernen. Allerdings muss ich sie erst von Dadan abholen. Sie hat sie zum Feuerwerk schauen auf den Berg mit hoch genommen.” “WAS! Die alte Schachtel kümmert sich freiwillig um ein Kind?”, entfuhr es Ace überrascht, erinnerte er sich nur zu gut, dass sie ihn, sowie auch Ruffy, sich mehr oder weniger sich selbst überlassen hatte.
Während Ace die Grünhaarige noch zum Haus seines Opas geleitete, verabredeten sie sich für den späten Vormittag. Gemeinsam würden sie den Mount Corbo besteigen und Mara abholen. “Pops möchte sie auch kennen lernen.”, erzählte Talea gerade, als sie vor der Haustüre ankamen. “Vielleicht könntest du ja, am Nachmittag mit Mara aufs Schiff kommen. Ich würde mit Conny alles regeln, dass sie ein bisschen Kaffee und Kuchen zubereitet. Einfach ein ungezwungenes Treffen. Oder wir machen am Strand ein Picknick.”, lenkte Ace ein, als er den panischen Blick in Taleas Augen bemerkte. Zögerlich stimmte Talea dem Picknick zu. Mit einer festen, lang andauernden Umarmung verabschiedeten sich die Beiden voneinander.
Die Sonne hatte noch nicht mal die nächtlichen Schatten vertrieben, da war Talea bereits wieder auf den Beinen. Man sah ihr an, dass sie in dieser Nacht auch wieder sehr wenig geschlafen hatte. Nervosität und Angst hatten ihre Träume bestimmt.
Sie hatte den Frühstückstisch gedeckt, während der Kaffee munter vor sich hin gluggerte. Und als das schwarze Gebräu fertig war, verzog sie sich mit einer dampfenden Tasse auf die Veranda. In einem der Korbsessel hatte es sich Talea gemütlich gemacht, wobei das linke Bein locker herunterhing und das rechte Bein angezogen aufgestellt war. Genüsslich schlürfte die Grünhaarige an ihrem Wachmacher und beobachtete die noch schlafende Welt um sich herum. Die frischen Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg über den Boden und hüllten mehr und mehr die Welt in ihren goldenen Schein ein. Der Frühnebel lag noch über den Feldern und im Gras glitzerte der Tau. Von irgendwo trillerte der Buchfink noch die letzten Töne seines morgendlichen Liedes, ehe er von den Spatzen abgelöst wurde.
“Guten Morgen, Talea.”, grüßte Garp, als er mit ebenfalls einer Tasse Kaffee und einem belegten Brötchen in der Hand auf die Veranda trat. “Morgen, Großvater.”, lächelte Talea, welche die Ruhe der Natur in sich aufgenommen hatte und nun gelassener auf den Tag blickte. “Hab gehört, heut ist ein großer Tag für Mara und dich.”, brummte der Vizeadmiral in seine Tasse hinein. “Ja. Ich stell Pops und den anderen meine Motte vor.”, bestätigte Talea. “Wird Marco auch dabei sein?”
Für einen kurzen Moment verrutschte das Lächeln auf Taleas Gesicht, als Garp fragte, ob der Blondschopf mit von der Partie wäre. “Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Das zwischen ihm und mir… es ist vorbei. Aber er ist nun mal auch Maras Vater. Marco soll die Chance bekommen, seine Tochter zumindest kennen zu lernen. Was er letzten Endes daraus macht, bleibt ihm überlassen.” Nickend nahm Garp es zur Kenntnis. Reinreden brauchte er Talea in dieser Hinsicht sowieso nicht. Und der Blonde wäre schön blöd, wenn er diese Gelegenheit verstreichen lassen würde.
Keine Stunde später stand Ace bereits vor der Türe. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf, als Garp öffnete. “Guten Morgen, Opa. Ist Talea schon wach?” “Ah, du sollst mich Großvater nennen und nicht Opa!”, wütete Garp und seine Wutader an der Stirn pulsierte gefährlich. Von dem Gebrüll angelockt, kam nun auch Talea an die Türe. “Ace?!”, entfuhr es ihr überrascht, als sie den Schwarzhaarigen erblickte. “Komm doch rein. Möchtest du was essen?”, fragte Talea und schob Garp, der die Faust erhoben hat, gekonnt in die Küche, während Ace ihr folgte. “Danke, gerne. Zwar hat Conny mir vorhin schon ein reichhaltiges Frühstück gemacht, aber gegen einen weiteren kleinen Imbiss ist nichts einzuwenden.”
Und während die drei am Frühstückstisch saßen, Talea sich mit einer weiteren Tasse Kaffee begnügte, futterte Ace munter vor sich hin. Belegte Brote, Obststücke und Rührei, alles verschwand in dem schwarzen Loch, was sich Aces Magen nannte. Dem stand der Vizeadmiral in nichts nach, auch er langte kräftig zu, so wie er es noch nie getan hatte. “Das muss wohl an dem D`schen Gen liegen.”, seufzte Talea, die sich daran erinnerte, dass auch Ruffy horrende Mengen an Essen verschlingen konnte.
“Puh!”, stöhnte Ace zufrieden und lehnte sich im Stuhl zurück. “Jetzt bin ich satt und wir können los, wenn du endlich soweit bist.” Dabei wurde das Grinsen ins Aces Gesicht noch ein Stückchen breiter, als er die Grünhaarige direkt anblickte. Über diese Dreistigkeit fehlten Talea tatsächlich die Worte und so klappte ihr der Mund einfach nur auf. “Bwahahaha. Bessere Enkel als euch, hätt ich mir nicht wünschen können.”, lachte Garp vor sich hin.
Witze reißend und lachend, machten sich Ace und Talea auf den Weg zu Dadan. Dabei mussten sie durch den Wald gehen und Ace erzählte einige Anekdoten über seine Kindheit. “Und hier wurde Ruffy fast von einer Schlange gefressen. Sabo und ich…”, hier stockte Ace und seine Hand wanderte automatisch zu seinem Armtattoo. “Du hast mir nie von einem Sabo erzählt.”, murmelte Talea und sie umfasste vorsichtig Aces Hand. Und so erzählte Ace von dem blonden Jungen aus dem Grey Terminal, welcher zu seinem besten Freund und Vertrauten wurde. Wie sie gemeinsam mit Ruffy den Berg unsicher gemacht und auf Bruderschaft getrunken hatten. Sich ein eigenen Unterschlupf, ein Baumhaus, gebaut hatten und dort alleine lebten. Aber auch, dass Sabo, als er mit zehn Jahren in See stach, von einem Weltaristokraten versenkt wurde. “An diesem Tag musste ich Ruffy versprechen, nicht zu sterben.”, beendete Ace seine Erzählung genau dann, als sie aus dem Wald hinaus traten. “Und du hast dein Versprechen gehalten. Du bist nicht gestorben und irgendwann wird Ruffy das auch erfahren.”, zwinkerte Talea.