Kapitel 42: Fragen über Fragen

Die Heart-Piraten ankerten nun seit fünf Tagen an der Felsenbucht von Amazon Lily, als sich die erste Veränderung an Bord bemerkbar machte. Die Schlangenprinzessin hatte veranlasst, dass vier ihrer Amazonen ein Mal täglich Essen brachten. So standen die Männer von Law sehnsüchtig bereit, wenn die Essenszeit näher rückte. Mit gehobener Augenbraue verfolgte Law das heutige Schauspiel. Während drei der Amazonen das Essen unter den Piraten verteilten, trat die vierte, ein junges blondes Ding, an Law heran. Sie hatte für ihn eine Portion Essen, sowie eine Flasche Bier dabei. “Entschuldige. Aber ist Ruffy in der Zwischenzeit aufgewacht? Und wird die Schwangere ins Dorf kommen?”, fragte die Blonde. “Herr Strohhut ist noch nicht aufgewacht. Ob er überhaupt wieder aufwacht, hängt von seinem Lebenswillen ab. Fräulein Talea weicht nicht von der Seite von Herrn Strohhut, weswegen ich in der Annahme bin, dass sie nicht ins Dorf ziehen wird.”, gab Law die Auskunft, als er seine Mahlzeit und das Bier entgegen nahm. “Vielen Dank für die Auskunft.”, bedankte sich die Amazone, als ihre Kollegin auch schon rief. “Marguerite, du sollst doch nicht mit diesen Männern sprechen!”
Law dachte an den ersten Tag auf Amazon Lily zurück, als seine grünhaarige Patientin am Morgen einfach verschwunden war. Er selbst hatte die Nacht im Gemeinschaftsraum verbracht, weil er über einem Buch eingeschlafen war. Als er dann in seine Kajüte kam um sich umzuziehen und auch mal kurz im angrenzendem Bad zu verschwinden, hat er das Sofa verwaist vorgefunden. Nachdem sich der Arzt vergewissert hat, dass sich die Grünhaarige nicht im Bad befand, es aber benutzt hatte, rief er lautstark nach seinen Männern. “BEPO! SHACHI! PENGUIN!”, hallte es lautstark durch das U-Boot. Gleich darauf war gepolter und hastige Schritte auf dem metallenem Boden der Gänge zu hören. “Ja Captain?”, kam es etwas atemlos von Shachi, der als erstes durch die Türe getreten war. Penguin quetschte sich gleich daneben, nur von Bepo fehlte jede Spur. “Weiß einer von euch, wo Talea ist?”, kam es scharf von Law und er deutete auf die zerwühlten Decken auf dem leeren Sofa. “Ähm…” Die Antwort sagte schon alles, keiner der Beiden wusste es. “Sucht sie! Und wenn ihr Bepo findet, schickt ihn umgehend zu mir!” Auf der Stelle machten die beiden Piraten kehrt. “Das arme Fräulein. Wenn Law sie in die Finger bekommt, dann macht er Schaschlik aus ihr.”, brummte Penguin mitfühlend. “Quatsch nicht. Das würde der Captain mit einem von uns machen, aber nicht mit so einem hübschen Ding.”, widersprach Shachi.
Da Law auch noch andere Patienten hatte, machte sich der Arzt auf den Weg in die Krankenstation seines Schiffs. Zuerst sah Law bei Jinbei vorbei, dessen Wunden gut verheilten. “Noch ein paar Wochen und du dürftest dich wieder uneingeschränkt  bewegen können.”, beteuerte der Arzt, während er die Wunden verband. “Wie geht es Talea heute?” Innehaltend überlegte Law, wie er eine unverfängliche Antwort geben konnte. “Sie hat sich soweit erholt, dass sie aufgewacht und sogar etwas spazieren gegangen ist.” Das der Arzt beim letzten Teil etwas mit den Zähnen geknirscht hat, blieb dem Fischmenschen nicht verborgen. “Ah, dass erfreut mich, dass Talea wieder auf den Beinen ist. Vielleicht kann ich mich später etwas mit ihr unterhalten.” “Mach das. Ich werde nun nach Herrn Strohhut sehen. Letzte Nacht wurde er sehr unruhig, weshalb er ein Sedativum verabreicht bekommen hat.”, verabschiedete sich Law und ging zum nächsten Zimmer, in dem Ruffy untergebracht war. Wie angewurzelt blieb der Arzt im Türrahmen stehen. Dort saß sie, seine gesuchte Patientin, und hielt die Hand des Strohhuts. Nur am Rande registrierte Law, dass sie ein Shirt und eine Boxer Short von ihm trug. Bepo stand neben der Grünhaarigen und sprach eindringlich auf sie ein. Was diese nur mit einem Kopfschütteln quittierte. “Tschuldigung, du lässt mir keine andere Wahl. Dann werde ich jetzt den Käpt´n holen müssen.”, versuchte Bepo es ein letztes Mal, bevor er sich umdrehte und erschrocken zusammen zuckte. “AH! Käpt´n… Tschuldigung… Ich wollte dich gerade holen.”, versuchte Bepo sich zu erklären.
Noch nicht mal, als Bepo aufgeschrien hatte, wandte Talea den Blick von dem schlafendem Ruffy ab. Erst als Law seine Hand auf ihre Schulter legte, sah sie auf. “Kommen sie mit, ich will sie untersuchen und nach dem Kind sehen.”, sprach Law höflich. “Vielen Dank, dass sie uns geholfen haben. Ich kann ihnen aber versichern, uns geht es wieder Bestens.”, kam es leise, aber melodisch, von Talea. “Das war keine Bitte.”, die Stimme des Arztes war autoritär. Doch die Grünhaarige weigerte sich beharrlich.Selbst jetzt, fünf Tage später, saß Talea fast ununterbrochen an der Seite des Strohhutes. Nur wenn sie mal im Bad verschwand oder für die tägliche Routineuntersuchung, die Law ihr aufgebrummt hatte, verließ sie den Platz am Krankenbett. Auch Jinbei hatte es mehrere Male versucht, die Grünhaarige aus dem Schiff zu bekommen, gab es aber schließlich auf und leistete Talea letzten Endes Gesellschaft an Ruffys Bett. Der Arzt hatte mehrere Gespräche zwischen dem Fischmenschen und der Schwangeren belauscht und in keinem einzigen dieser Gespräche wurde auch nur mal der Name von Ace erwähnt.

Nachdenklich schwenkte Law seine Bierflasche, während sein Blick ins Leere gerichtet war. Er war Arzt und hatte sein Leben der Medizin verschrieben. Zwar wirkte Talea auf einen Außenstehenden wieder vollkommen gesund, doch er wusste es, dank der Untersuchungen besser. Immer wieder traten Schwankungen auf, die ihr die Kraft raubten und sie schwächeln lies. Insgeheim befürchtete Law, dass es mit ihrer Psyche zusammen hing. Entschlossen stand der Arzt auf und betrat sein U-Boot, mit der festen Absicht, Talea auch psychisch zu behandeln. Wie nicht anders zu erwarten, fand Law die Grünhaarige in Ruffys Krankenzimmer. Kurz schien es, als würde Talea schlafen, lag sie mit dem Oberkörper ebenfalls auf dem Bett und sie hatte die Augen geschlossen. Allein, dass ihr Daumen unentwegt über Ruffys Handrücken strich, verriet dem Arzt, dass sie wach war. “Talea, können wir uns unterhalten?” Die Frage war nicht laut gestellt und trotzdem schoss Talea in eine aufrechte Position und sah Law aus erschrockenen Augen an, als ob sie etwas verbotenes getan hätte. “N..Natürlich können wir uns unterhalten.”, bestätigte Talea und deutete Law, dass er anfangen könnte, mit was auch immer. “Nicht hier. Das Gespräch ist nicht für jedermanns Ohren bestimmt. In meiner Kajüte sind wir ungestörter.” “Meinetwegen.”, stimmte Talea zu, auch wenn ihr Blick deutlich sagte, dass sie sich lieber keinen Millimeter vom Fleck rühren würde. “Herrn Strohhut wird nichts geschehen, in ihrer Abwesenheit und sollte er wach werden, wird man ihnen sofort Bescheid geben.”, versprach Law und konnte sich ein Augenrollen gerade noch verkneifen. Zaghaft stand Talea auf, ihre Beine zitterten unter der Belastung und Law fragte sich insgeheim, wie lang die Grünhaarige bereits wieder am Krankenbett saß.

Als sie die Kajüte erreicht hatten, deutete Law auf den Lehnsessel, der vor seinem Schreibtisch stand und aufseufzend lies sich Talea darauf nieder. Er selbst nahm gegenüber von Talea platz, stellte die Ellbogen auf die Tischplatte und legte die Finger aneinander. Aus durchdringenden, grauen Augen blickte Law Talea an und bemerkte, wie sie unruhig wurde. “Also, Herr Doktor. Um was geht es denn?”, versuchte Talea dem ganzen entgegen zu kommen. “Sagen sie es mir, Talea. Sagen sie mir, warum sie durchgehend bei Herrn Strohhut sitzen. Sind es Schuldgefühle, weil sie und das Kind noch leben, während sein Bruder gestorben ist? Oder vielleicht die Angst, dass Herr Strohhut sie dafür verantwortlich macht, dass Ace überhaupt gestorben ist? Sehen sie in Ruffy eine Ersatz-Vaterfigur für den kleinen Gol D. Spross?” Law stellte die Fragen mit einer solchen Monotonie, dass Talea den Arzt vor sich nur ungläubig ansah. Nur langsam sickerten die Worte in ihr Gehirn und es machte sie wütend. Während sie sprach, ballten sich ihre Hände zu Fäusten. “Jetzt hören sie aber mal auf mit diesem Unfug, sie Dilettant eines Psychologen! Weder habe ich Schuldgefühle, noch Angst, gegenüber Ruffy. Ich will ihm einzig und allein helfen, wenn er wach wird. Denn er wird es nicht verstehen wollen, was passiert ist. Und was das Kind anbelangt, so hat der Großadmiral den größten Mist in die Welt gesetzt, den ich je gehört habe. Zum Kuckuck noch eins! Ace und ich hatten weder ein Techtelmechtel noch ein Liaison!”, wütend donnerte Talea die Faust auf den Schreibtisch, während sie zum Ende ihrer Ansprache immer lauter geworden war. Überrascht hob Law eine Augenbraue. “Gol D. Ace ist nicht der Kindsvater?”, die Frage rutschte Law einfach so heraus. “Bewahre, Nein. Ich wollte Ace damals nur eine Insel weit begleiten und danach wieder zurück und meiner Arbeit nach gehen. Doch Eins führte zum Andern und ich wurde Piratin in seiner Crew. Bis er meinte, Whitebeard herausfordern zu müssen…”, erzählte Talea und verfiel in Erinnerungen, die ihr ein verträumtes Lächeln auf die Lippen zauberten. Dann jedoch legte sich ein nostalgischer Ausdruck auf die Züge der Grünhaarigen. “Seit ich ihn kenne, war Ace wie ein Bruder für mich. Schon seltsam, aber erst kurz bevor alles aus dem Ruder gelaufen ist, haben wir tatsächlich auf Bruderschaft getrunken.” Nie hätte der Arzt damit gerechnet, dass Talea so redselig sein konnte. Nichtsdestotrotz brannte in ihm die Frage, wer denn dann der Vater des Kindes ist, wenn es nicht Ace war. Und was noch wichtiger ist, warum hatte die Marine behauptet, dass das Kind ein Nachfahre von Gol D. Roger sei, wenn dem nicht so war? “Auch wenn sie ein sehr gutes Pokerface haben, Law, so kann man ihnen einige Fragen von der Nasenspitze ablesen.”, lächelte Talea leicht. “Würden sie mir denn meine Fragen beantworten?”, hakte Law nach. “Das kommt darauf an. Würden sie mir im Gegenzug denn auch ein paar Fragen beantworten?”, stellte Talea die Gegenfrage. Nickend stimmte Law dem zu. Da der Arzt keine Anstalten machte, die erste Frage zu stellen, nahm Talea es als Zeichen, beginnen zu dürfen. “Warum haben sie uns geholfen?”, war das Erste, was die Grünhaarige wissen wollte und sah den Arzt neugierig an. “Hm.. Das wurde ich nun schon einige Male gefragt. Nennen wir es einfach mal Berufsinteresse. – Wieso glaubt die Marine, dass ihr Kind ein Gol D. ist?” Kurz schien Talea wegen der Frage zu grübeln. “In den letzten Tagen habe ich lange darüber nachgedacht. Die Antwort ist jedoch ganz simpel: Man hätte mich nicht einfach hinrichten dürfen. Es muss ein triftiger Grund vorliegen, damit in der heutigen Zeit, ein Pirat hingerichtet wird. Und was wäre besser geeignet, als zu behaupten, ich trage das gefürchtete Blut des Piratenkönigs in mir. – Sie haben mich nicht nur hier her gelotst, damit sie mir diese hirnrissigen Fragen wegen Ruffy stellen. Was ist der wahre Grund, weswegen wir dieses Gespräch hier führen?” Kurz lachte Law freudlos auf. “Na schön, meinetwegen. Dann eben ohne Psycho-Spielchen. Ich glaube, sie verdrängen den Tod von Gol D. Ace. Was nicht gut für ihre Psyche ist und sich vermutlich auch physisch bei ihnen auswirkt, Talea. Zumindest würde das die immer mal wieder schlechten Untersuchungsergebnisse erklären.”, legte Law die Fakten auf den Tisch. “Wenn sie wüssten…”, murmelte die Grünhaarige vor sich hin. “Was soll ich denn wissen?”, ein diabolischer Zug legte sich auf Laws Gesicht, hatte er die Frau doch jetzt da, wo er sie haben wollte. Sie musste sich mit dem Geschehenem auseinander setzen. “Das geht sie nichts an! Ace ist nicht tot… er darf nicht tot sein… dann wäre… alles… umsonst gewesen…” Allein die Vorstellung, jagte Talea einen Schauer über den Rücken und sie fing an zu zittern. “Talea, Ace ist nach ihnen zusammen gebrochen. Die Marine hat seinen Tod bestätigt.”, sprach Law leise. “Das sie noch leben, verdanken sie ihrer Teufelskraft und der Tatsache, dass sie rechtzeitig behandelt wurden. Aber für Feuerfaust Ace gab es keine Rettung mehr.” Verhemmt schüttelte Talea den Kopf. “Nein! Sie lügen! ICH hab ALLES gegeben, damit er überlebt.” Law wusste, dass was er jetzt gleich tat, würde der Grünhaarigen unsagbare Schmerzen bereiten, doch sie musste die Wahrheit erkennen. Er zog aus seiner Schreibtischschublade die vergangenen Tageszeitungen heraus. Auf dem ältesten Titelbild war ein Bild von Ace abgebildet, wie er am Boden lag, mit einem leichtem Lächeln im Gesicht. Daneben kniete Ruffy, dessen Gesicht dem Himmel zugewandt war und er weinte und man konnte hinter Ace auch noch etwas von Taleas grünem Haarschopf erkennen. Sie brauchte den Artikel dazu gar nicht lesen, die Überschrift sagte schon alles. “Das Blut der Gol D. wurde ausgelöscht” Auch die Titelseite der nächsten Zeitung war nicht besser. “Whitebeard-Piraten am Ende. Löst die Bande sich auf?” Schluchzend presste sich Talea die Hände vor das Gesicht, doch die Tränen fanden den Weg zwischen ihren Fingern heraus und fielen tropfend auf das Zeitungspapier herab. “Gestatten sie mir noch eine Frage, Talea. Was gedenken sie nun zu tun?”, fragte Law, nachdem sich die Grünhaarige etwas beruhigt hatte. Mit dem Handrücken wischte sich Talea die Tränenspur aus dem Gesicht. “Vorerst werde ich bei Ruffy bleiben. Und danach… wer weiß. Ich habe da von einer netten, kleinen Insel gehört…”