Der Vertrauensbruch

Es war der 20. November. An diesem Tag, betrat McGonagall in der Mittagspause die Große Halle und steuerte den Gryffindor-Tisch an. “Fred und George Weasley, in mein Büro!”, streng waren die Worte und die Zwillinge sahen sich überrascht an, gehorchten aber sofort.

Beide waren blass und das Stundenglas der Gryffindors, war um mindestens die Hälfte der Hauspunkte geschrumpft, als Fred und George zwei Stunden später wieder in die Große Halle kamen. “Sie kann doch keine Eule an Mum schreiben..” “..nicht wegen der paar Pustel-Drops.”, brabbelten die Beiden vor sich hin. “Was wollte Gonny von euch?”, wollte Lee besorgt wissen. “Sie weiß, dass die Pustel-Drops von uns sind…” “…und sie schreibt Mum eine Eule….” “…irgendjemand hat uns verpetzt…” “…insgesamt 200 Hauspunkte hat sie uns abgezogen….” “…und Strafarbeiten bis Weihnachten haben wir bekommen.”, fassten die Zwillinge zusammen. “Aber die Pustel-Drops sind erst seit dieser Woche im Umlauf. Und auch nur an ausgewählte Kunden.”, grübelte Lee und setzte sich gegenüber der Zwillinge an den Haustisch.

Auch andere Schüler trudelten so langsam in der Großen Halle ein, um die Hausaufgaben zu erledigen. Lucinda lief mit Holly am Gryffindor-Tisch vorbei, da schnappten die Zwillinge ein paar Wortfetzen auf. “Jetzt bekommen die Beiden wegen dir gewaltigen Ärger.”, empörte sich Holly. “Verdient haben sie es aber. Nur weil ich sie gern habe, kann ich nicht über ihre Tat  hinweg sehen.”, rechtfertigte Lucinda sich. Dann waren die beiden Mädchen auch schon an den Weasleys und Lee vorbei. 

Ungläubig sahen sich die Zwillinge an. “Lucinda hat uns verraten?!” 

“Glisseo”, murmelte George aus seinem Versteck heraus und die Treppe, die Lucinda gerade erklomm, wurde unter ihren Füßen zu einer Rutsche. Unfähig sich noch ans Geländer zu klammern rutschte Lucinda schreiend ein Stockwerk tiefer. Sie war viel zu schnell auf der steilen Rutsche und der Treppenabsatz vom 3. Stocks würde ihre Rutschpartie nur minimal abbremsen, bevor sie die nächste Treppe hinab stürzen würde. Doch da schwang die Treppe unter ihr zur Seite und Lucindas Rutschpartie endete in einem schrillen “HILFE!”, als sie über den Treppenabsatz hinaus schoss und in die Tiefe stürzte. Normalerweise sollte ein Geländer solche Stürze verhindern, doch ehe das Geländer sich vor die Öffnung schob, war Lucinda schon durch die Öffnung gerutscht und in die Tiefe gestürzt. George stand bleich und wie eingefroren da. Er konnte in diesem Moment nur zusehen, wie Lucinda in die Tiefe fiel. “Arresto Momentum”, ertönte die erlösende Stimme Freds neben George. Die Zwillinge konnten zusehen, wie Lucindas Fall verlangsamte, aber die Höhe reichte nicht mehr aus, um den Sturz komplett abzubremsen und so schlug die Ravenclaw halbwegs sanft auf dem Boden auf. “Was hast du dir dabei gedacht?”, wollte Fred aufgebracht wissen und schüttelte George an den Schultern. “Ich wollte…”, fing George an. “Was wolltest du?”, Freds Stimme überschlug sich. “Ich wollte ihr doch nur einen kleinen Schreck einjagen.”, Die Stimme von George zitterte. “Ist dir ja super gelungen.”, fauchte Fred und beide starrten hinunter, wo Lucinda immer noch an Ort und Stelle lag und sich nicht regte. “Los, wir müssen sie in den Krankenflügel bringen.” Gemeinsam mit George verschwand Fred hinter einem Wandteppich, um den Geheimgang vom 3. Stock ins Erdgeschoss zu nutzen. Nur wenige Augenblicke später traten sie aus einer Nische wieder hervor und eilten zu der bewusstlosen Schülerin. 

Mit Lucinda auf dem Rücken betrat George den Krankenflügel. Fred half seinem Bruder, die Bewusstlose auf eines der Betten zu legen, da kam auch schon Madam Pomfrey angewuselt und nahm sich der brünetten Hexe an. “Was ist passiert?”, wollte sie von den Zwillingen wissen. George starrte auf den Fußboden, weshalb Fred die Frage beantwortete. “Lucinda ist die Treppe zum 4. Stock hoch, dabei ist sie … abgerutscht…  die Treppe hinunter und über den Absatz des 3. Stockwerks gestürzt.”, berichtete Fred. “Wenn Fred nicht den Fall-Verlangsamungszauber gesprochen hätte, dann wäre Lucinda…”, weiter wollte George nicht denken. “Sie hatte Glück, dass ihr Beiden vorbei gekommen seid. Wie es mir den Anschein macht, hat sie durch den Aufprall das Bewusstsein verloren. Und eine leichte Gehirnerschütterung davon getragen. Aber nichts, was nicht mit ein bisschen Ruhe wieder hin zu bekommen wäre.”, sprach Madam Pomfrey und jagte die zwei Gryffindors aus dem Krankenflügel um mit der Behandlung der Verletzten zu beginnen.

Die Schuldgefühle liesen George nicht schlafen, weshalb er sich des Nachts in den Krankenflügel schlich. Schnell hatte der Rothaarige sich einen Stuhl an das Krankenbett heran gezogen und sich neben Lucinda gesetzt. Mit beiden Händen umgriff er ihre Hand, und lehnte seine Stirn gegen das Händekneul. “Ich wollte nicht, dass dir was passiert. Du solltest nur einen Schreck bekommen.”, murmelte der Weasley immer wieder. Als Madam Pomfrey nochmal ihre Runde drehte, warf sie den Weasley kurzerhand wieder hinaus. Das Lucinda wach geworden war, hatte weder George noch Madam Pomfrey gemerkt. Und die Ravenclaw überlegte die ganze Nacht, warum der Weasley ihr diesen makaberen Streich gespielt hatte. 

Am nächsten Vormittag waren Professor Flitwick, Lucindas Hauslehrer, sowie Professor McGonagall und Professor Dumbledore im Krankenflügel. “Nun, Miss Bishop, das Gestern war für sie bestimmt ein fürchterlicher Schock. Könnten sie uns vielleicht schildern, wie es zu dem Absturz kam?”, wollte Professor Dumbledore wissen. 

Die Brünette saß aufrecht in ihrem Krankenbett und zupfte an der Decke herum, als sie zu berichten begann. “Als ich gestern nach dem Abendessen noch in die Bibliothek wollte, wurde ich von Mr. Filch aufgehalten. Jemand hätte ihm den Tipp gegeben, ich hätte Rauchbomben dabei, weshalb ich mit in sein Büro musste, wo er meine komplette Schultasche durchsuchte. Da er nichts fand durfte ich dann auch wieder gehen. Ich war dann so in Gedanken versunken und auf der Treppe zum 4. Stock habe ich nicht aufgepasst und bin ins Leere getreten. Ich stürzte die Treppe hinunter. Auf dem Absatz des 3. Stocks kam ich leider nicht zum halten und fiel durch die Öffnung dann in die Tiefe, weil die Treppe kurz vorher zur Seite schwang, und das Geländer nicht so schnell schloss. Madam Pomfrey hat mir gesagt, wenn die Weasley Zwillinge meinen Sturz nicht mit einem Zauber abgebremst hätten, wäre ich vermutlich im St. Mungos gelandet.”, beendete Lucinda ihre Schilderung. “Sehr interessant. Da hatten sie wirklich zwei Schutzengel.”, sprach Dumbledore wissend und sah Lucinda eindringlich an. Das zwei Rothaarige dem Gespräch lauschten, bemerkte in diesem Moment keiner. “Die hatte ich wirklich.”, brummte Lucinda. “Das die zwei Witzbolde mal von mir Punkte bekommen, hätte ich nie gedacht. Aber dass sie ein solches Unglück verhindert haben, dafür bekommt jeder der beiden Weasleys 50 Punkte.”, sprach Professor McGonagall, ehe sie den Krankenflügel verließ. Kurz darauf verabschiedeten sich auch Professor Flitwick und Professor Dumbledore.

Noch vor dem Mittagessen durfte die Ravenclaw ebenfalls den Krankenflügel verlassen. Mit dem Plan, die Zwillinge zur Rede zu stellen, machte sich Lucinda auf den Weg in die Große Halle.

Bereits auf der Großen Treppe traf sie auf die Zwillinge. Sie standen sich gegenüber, Fred und George auf der einen und Lucinda auf der anderen Seite. “Wie kommt es, dass du uns dieses Mal nicht verpfiffen hast?”, stichelte George gleich darauf los, als er Lucinda erblickte. “Warum zum Henker sollte ich euch verpfeifen?”, irritiert blickte die Ravenclaw die zwei Gryffindors an. “Wer sollte es denn sonst gewesen sein?” “Wir bezweifeln sehr stark…” “…dass auch nur einer unsere Kunden…” “… uns an McGonagall verpfiffen hat!”, konterten die Zwillinge. 

Frustriert warf Lucinda die Arme in die Luft. “Bei Merlins Zauberbart! Ich versteh nur Bahnhof!” Nun trat George dicht an Lucinda heran. “Jetzt tu nicht so unschuldig. Du hast uns doch, in deinem Wahn als Vertrauensschülerin, an McGonagall verpfiffen, dass wir die Pustel-Drops erfunden und unter die Schüler gebracht haben. Warum gehst du nicht gleich auch noch und petzt, dass ich für deinen Sturz verantwortlich bin!”, zischte er. “George Weasley, ich mag zwar Vertrauensschülerin sein, aber ich hätte absolut keinen Grund dafür gehabt, euch wegen dieser Drops, bei IRGENDEINEM Lehrer hinzuhängen!”, nun wurde Lucinda sauer. In ihrem Kopf setzten sich blitzschnell die Puzzelteile zusammen, die bis eben noch keinen Sinn für sie ergeben hatten. Ihre Augen wurden zu Schlitzen und eine dunkle Aura breitet sich um die Ravenclaw aus, als sie den Zwilling ins Auge fasste. “Das war also der Grund, warum DU die Treppe in eine Rutsche verwandelt hast!”, rief sie zornig aus. “Jemand musste dir ja eine Lektion erteilen!”, giftete nun George zurück. 

Unfähig darauf etwas zu erwidern, griff sich Lucinda an den Hals und riss sich mit einem Ruck die Kette ab, eben jene, die die Zwillinge ihr zum Geburtstag geschenkt hatten. “Herzlichen Dank auch! Auf solche FREUNDE kann ich getrost verzichten! Ich bin fertig mit euch!”, brüllte sie und kleine Tränen schimmerten in ihren Augen. Bevor sich Lucinda zum Gehen abwandte, warf sie die Kette noch George vor die Füße. 

Verwirrt, was da gerade passiert war, hob George die Kette auf. Mit leeren Augen betrachtete er den Kristall-Anhänger, welcher durch die unsanfte Behandlung, lauter Risse aufwies. Fest umschloss der Weasley den Anhänger und schloss kurz gequält die Augen.

Das diese ganze Szene von einigen Schaulustigen beobachtet wurde, interessierte keinen der beiden Parteien. Allerdings machte der Streit, der zwischen den Zwillingen und Lucinda stattfand, in Hogwarts schnell die Runde. Nur einer lachte sich heimlich ins Fäustchen, war sein Plan voll und ganz aufgegangen.

— > Kapitel 9