Was soll ich denn jetzt tun? 

Überrascht starrte George Lucinda an, als sie sich von ihm gelöst hatte. “Luce…das…”, stotterte er. Die Brünette lief scharlachrot an. “E…Entschuldige!”, dann rannte sie zurück zum Eingang ihres Gemeinschaftsraumes, flüsterte das Passwort und verschwand durch die Türe. “Verfluchter Mist noch eins!”, schimpfte George vor sich hin, während er selbst zum Gryffindor Gemeinschaftsraum ging. Er wollte Lucinda nicht kränken, aber dieser Kuss… Nie hätte er damit gerechnet, war es einfach zu überraschend gewesen. 

“Wo kommst du denn her?”, erklang die fragende Stimme Lees, der mit Fred im Gemeinschaftsraum saß. “Die wichtigere Frage lautet eher, warum schaust du denn so bedrückt?”, wollte Fred wissen und besah sich seinen Zwilling genauer.  “Ich komm vom Ball.”, brummte George. “Jetzt erst? Da werden Claire aber ganz schön die Füße weh tun.”, feixte Fred. “Claire ist doch gegen Mitternacht gegangen.”, überlegte Lee laut. “Ich hab auch nie behauptet, dass ich bis zum Schluss mit Claire getanzt habe.” Gab George die patzige Antwort. “Mit wem warst du dann noch auf dem Ball?” Nun war Fred doch neugierig. In dem Moment kam Ginny mit Neville in den Gemeinschaftsraum, auch sie wurden von Professor McGonagall ins Bett geschickt. “Na, er hat mit Lucinda die Nacht durchgetanzt.”, gähnte die Weasley, ehe sie eine gute Nacht wünschte und in den Mädchenschlafsaal verschwand. Ungläubig sahen Lee und Fred zu George. “Und warum, bei Merlins Zauberbart, bist du dann so bedrückt?”, wollte Lee nun neugierig wissen. “Ich hab sie geküsst.” murmelte George leise. “Oh, sie hat dir einen Korb gegeben.”, bedauernd sah Fred seinen Bruder an. “Nein. … Sie hat mich zurück geküsst.”, gestand George. Lee kratzte sich am Kopf. “Ich versteh dann aber gerade das Problem nicht. Du hast sie geküsst und sie hat dich geküsst. Ist doch alles bestens.” “Man, ich war so überrascht, dass sie mich zurück geküsst hat. Ich hab dadurch kein Wort raus gebracht und dann ist sie in ihren Gemeinschaftsraum abgehauen!”, lies George die Bombe platzen. Stille. “Was mach ich denn jetzt?”, wollte George wissen und lies die Schultern hängen. “Am Besten wäre es, du sagst ihr endlich, was du für sie empfindest.”, sprach Fred leise. 

George hatte sich ins Bett gelegt. Er war von der langen Tanznacht müde, doch Schlaf fand er kaum. Seine Gedanken kreisten ständig um Lucinda. Und als er es endlich schaffte, ins Traumland abzuschweifen, riss ihn ein Poltern und Klopfen ins Hier und Jetzt zurück. Das Geräusch kam von seinem Koffer, der unter dem Bett verstaut war. Stirnrunzelnd überlegte George, was es sein könnte, bis ihm Lucindas Besen wieder einfiel, den er im Oktober an sich genommen hatte. Er hatte ihn damals, dass er nicht weg kam, in seinen Koffer gepackt und bis jetzt vergessen. Und wieder waren seine Gedanken bei der Brünetten. Das Klopfen und Poltern hörte genauso abrupt auf, wie es angefangen hatte. “Was machst du nur mit mir, Luce?”, fragte sich George und ließ sich wieder in die Kissen sinken. 

Im Ravenclaw-Turm:Luna war eine der Wenigen, die schon wach waren und sah irritiert der Brünetten nach, die schnurstracks in Richtung Mädchenschlafsaal lief und dabei etwas von “Ich bin ja so eine hohle Nuss.”, vor sich hin fluchte. Besorgt folgte Luna Lucinda und fand sie auf ihrem Bett liegend, den Kopf ins Kissen vergraben. “Wenn du dich ersticken möchtest, empfiehlt es sich besser, auf dem Rücken zu liegen und dann das Kissen von oben auf das Gesicht zu drücken.”, sprach Luna, wohl wissend, dass Lucinda sich nicht ersticken wollte. “Hey Luna.”, gab die Brünette gepresst von sich, als sie den Kopf ein kleines Stück anhob, nur um ihn wieder in die Federn fallen zu lassen. “Du bist genauso durcheinander, wie bei der Ankunft in Hogsmeade, dieses Schuljahr. Sind wieder Schlickschlupfe daran Schuld?”, wollte die Jüngere wissen und setzte sich auf das Bett. Lucinda drehte den Kopf zu Luna. “Dieses Mal wohl nicht. Ich bin ganz alleine Schuld daran. Sag Luna, wie würdest du es sehen, wenn ein Junge dich küsst, du ihn zurück küsst und er dann vor sich hin stottert?” “Nun ja. Da mich bis jetzt noch keine Junge geküsst hat, oder küssen wollte, ist das eine schwierige Frage.”, nun schien Luna zu überlegen. “Erst einmal würde ich versuchen, den Kopf von allem frei zu bekommen, alle Gedanken gehen lassen und die, die wichtig sind, werden wieder kommen, egal auf welche Art und Weise.”, sprach sie mit ihrer verträumten Stimme. “Du bist ein Genie!”, rief Lucinda und sprang vom Bett. Sie ging zu ihrem Kleiderschrank und wühlte darin herum. Kurze Zeit später hatte sie alles beisammen. “Wenn ich mal was für dich tun kann, Luna, dann sag es einfach. Und falls mich jemand sucht, ich geh erst mal ins Vertrauensschüler-Bad.” Und schon war die Brünette wieder fort. Das Lächeln auf Lunas Lippen, hatte sie nicht gesehen und auch nicht ihr “du behandelst mich nicht wie eine Verrückte, das ist das Schönste, was man für mich tun kann.”, hatte Lucinda auch nicht gehört. 

Die Brünette trieb in der Schwimmbecken-ähnlichem Wanne herum und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Hatte George schon vorher Anzeichen gezeigt, dass er mehr für sie empfinden konnte, als nur Freundschaft? Aber seit wann empfand er dann so? Lucinda ließ die letzten Monate Revue passieren. 

Letztes Schuljahr hatten ihr die Zwillinge so oft Streiche gespielt. War es nun, dass sie ihr die Haare andersfarbig gehext hatten, oder der Klebefluch, als alles und jeder, der mit Lucinda in Berührung kam, an ihr kleben blieb, und das für 4 Stunden. Ihre Gedanken wanderten weiter, zu der letzten Zauberkunst-Unterrichtsstunde vor den Sommerferien. 
>>Schon wieder steckten die Zwillinge ihre Köpfe zusammen. “Irgendwas muss uns doch einfallen.”, Schnaubte Fred frustriert. “Auf uns sitzen lassen können wir es jedenfalls nicht.”, Pflichtete George seinem Bruder bei. Hatte Lucinda ihnen bei ihrem letzten Streich, ein Schnippchen geschlagen und einen Spiegelungs-Zauber verwendet, so dass die Weasley-Zwillinge ihren eigenen Fluch abbekommen hatten.Und dann hatten die Zwillinge eine Idee. “Retrorsum.”, Lachten beide gleichzeitig.In der nächsten Schulstunde, Zauberkunst, die sie mit Lucinda gemeinsam hatten, würde ihr Streich auch sogleich ausgeführt.Lucinda hatte den Zauber gespürt, der sie im Rücken getroffen hatte, doch weder ihrer Haare noch sonst etwas, hatte sich verändert. Erst als Professor Flitwick sie aufrief, erfuhr die Ravenclaw-Schülerin, was die Zwillinge ihr angetan hatten. “Bitte, Miss Bishop, wofür wird Reducio verwendet und wie lautet der Umkehr-Zauber?”, Wollte der kleine Professor wissen, als er ein paar einfache Wiederholungen der letzten Jahre machen wollte. “Oicuder tsi red rebuazsgnurenielkrev.”, Sprach Lucinda. Die gesamte Klasse fing schallend an zu lachen. “Entschuldigen sie Miss Bishop, ich habe sie nicht richtig verstanden. Könnten sie ihre Antwort nochmals wiederholen.”, Bat Professor Flitwick. Kurz schloss die Ravenclaw Schülerin ihre Augen, ehe sie langsam und mit Bedacht sprach. “Reducio ist der Verkleinerungszauber. … Zum Aufheben wird Engorgio verwendet.” “Sehr gut, Miss Bishop. Dafür bekommen sie Zwanzig Punkte.” Gemurmel setzte in der Klasse ein. Sprüche wie “Lieblinge werden halt bevorzugt” oder “Natürlich bekommt eine Ravenclaw mehr Punkte auf eine richtige Antwort, als alle anderen” Nun platzte Lucinda der Kragen. “nnew rhi eniek gnunha, nnad hcafnie lam eid eppalk netlah!”, verließ ihren Mund, was wieder einige Lacher in der Klasse verursachten. Kurz kreischte Lucinda auf. Das war ja zum verrückt werden. Sie zog ihren Zauberstab, richtete ihn auf sich selbst. “etinif…”, sie unterbrach sich selbst, schloss die Augen, atmete tief durch. “Finite incantatem!”, erklang ihre Stimme fest. Hellbläulich schimmerte ihre Gestalt auf, dann war der Zauber auch schon vorbei. Wütend drehte sich die Ravenclaw Schülerin nach hinten. “Weasleys!”, schrie sie und innerlich freute sie sich, dass der Gegenzauber tatsächlich gewirkt hat. “Wir waren das nicht!”, erscholl es, wie so oft, synchron. Dabei hoben die beiden Rotschöpfe die Hände, als wollen sie ihre Unschuld beweisen. “Wer, außer euch Beiden, kommt sonst auf die hirnlose Idee, jemanden mit dem Rückwärts-Sprech-Fluch zu belegen!”, fauchte sie. Professor Flitwick stand auf seinem Bücherstapel und beobachtete die Auseinandersetzung. “Miss Bishop, bitte beruhigen sie sich. Für ihre hervorragende Leistung, einen Zauber auszuführen, unter wesentlich erschwerten Bedingungen, erhalten sie von mir nochmals zwanzig Punkte.”, dann wandte sich der Lehrer an die Zwillinge.”Mr. Weasley und Mr. Weasley. Für ihre Kreativität, in Sachen Zauberei-Streiche spielen, und die hervorragende Ausführung, bekommt jeder von ihnen Fünfzehn Punkte. Die Tatsache, dass sie aber unerlaubt gezaubert haben und eine Mitschülerin verhext haben, ziehe ich jedem von ihnen zehn Punkte ab.” Dann klatschte Professor Flitwick in die Hände und alle konzentrierten sich wieder auf den Unterricht. “So, wenn ich nun bitte wieder ihre Aufmerksamkeit haben dürfte, wir wenden uns heute dem Ausdehnungszauber zu. Wie einige von ihnen …” begann Professor Flitwick mit seiner Schulstunde und erläuterte nun, wofür der Ausdehnungszauber gut sei und dass er nichts mit Engorgio, dem Anschwellzauber, zu tun hatte.<<

Auch hier war es doch nur ein Streich gewesen. Keine Gefühle, jedenfalls keine, die in Richtung Liebe deuteten. Dann waren die Sommerferien und das Aufeinandertreffen in der Winkelgasse, die Quidditch-Weltmeisterschaft. Hat es da angefangen, dass George mehr für sie empfand? Aber Fred hat ihr doch als Erstes angeboten, dass sie in den Fuchsbau zu Besuch kommen darf und nicht George. Und dann schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Der Sprung von der Klippe. >>”Vertraust du mir?”, hatte George gefragt. Und sie hatte mit  “Nicht wirklich, nein.”, geantwortet.<< Wie dumm sie doch war.

Inzwischen ist das Wasser kalt geworden und Lucinda stieg aus der Wanne heraus, trocknete sich ab und trocknete ihre Haare mit einem Wink des Zauberstabs. Ihre Gedanken kreisten um den Rothaarigen mit dem schelmischen Grinsen. “Was hat Luna gesagt? Den Kopf frei bekommen.”, seufzte Lucinda und sah sehnsüchtig hinaus auf die verschneite Landschaft. Wie gerne würde sie mit ihrem Besen über den Schnee brausen, ihn aufwirbeln und den kalten Wind im Gesicht spüren. Dick eingemummelt trat sie hinaus in den Innenhof. “Accio Airblow.”, führte sie den Zauber aus und sah hoffnungsvoll hinauf in den Himmel. Aber auch nach zehn Minuten war weit und breit nichts von ihrem Besen zu sehen. Traurig, weil der Besen immer noch verschollen war, und es ein Einzelstück war, das ihre Mutter kreiert hatte, schlurfte Lucinda hinunter in Richtung Quidditch-Feld. Dort war eine Kammer, in der die Schulbesen aufbewahrt wurden. Der Gedanken auf einem der kippeligen ShootingStars zu fliegen, behagte der Brünetten gar nicht. Aber fliegen war schon immer das einzige, was ihr geholfen hat, den Kopf völlig frei zu bekommen. So biss Lucinda die Zähne zusammen und suchte sich ein stabilen Besen.

Der Flugwind peitschte ihr ins Gesicht, als Lucinda so tief wie möglich über die Schneedecke flog. Schnee stob auf und sie hinterließ eine Schneise in dem ansonsten unberührtem Schnee. Es war, als würde der Wind alle Gedanken aus ihrem Kopf hinfort blasen und nichts als die Leere blieb zurück. Dann wurde sie langsamer und flog gemächlich, dabei nahm sie die Schönheit der verschneiten Natur in sich auf. Sie war ruhiger geworden und hörte nun tief in sich hinein, denn die Frage, wann sie angefangen hat, mehr für George zu empfinden, brannte sich in ihr Herz. Nur langsam begriff Lucinda, dass sich der Weasley nach und nach in ihr Herz geschlichen hatte. George war seit den Sommerferien immer für sie da. Unter anderem, als er, nach der Beerdigung ihrer Mutter, mit ihr, in der Küche gesessen und sie zum Lachen gebracht hatte. Und mit dem Kuss auf ihre Stirn, der ihr so viel mehr bedeutete, als sie zu Beginn gedacht hatte, da hatte sie sich in ihn unwiderruflich verliebt.

— > Kapitel 14